Ikarus
Ikarus oder Ikaros (altgriechisch Ἴκαρος Íkaros, latinisiert Icarus) ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Daidalos.
Mythos
Ikarus und Dädalus wurden – als Strafe, weil Dädalus dem Theseus hilfreiche Hinweise zur Verwendung des Ariadnefadens gegeben hatte – von König Minos im Labyrinth des Minotauros auf Kreta gefangen gehalten. Da Minos die Seefahrt und das Land kontrollierte, erfand Dädalus Flügel für sich und seinen Sohn. Dazu befestigte er Federn mit Wachs an einem Gestänge. Vor dem Start schärfte er Ikarus ein, nicht zu hoch und nicht zu tief zu fliegen, da sonst die Hitze der Sonne beziehungsweise die Feuchte des Meeres zum Absturz führen würde.
Zuerst ging alles gut, aber nachdem sie Samos und Delos zur Linken und Lebinthos zur Rechten passiert hatten, wurde Ikarus übermütig und stieg so hoch hinauf, dass die Sonne das Wachs seiner Flügel schmolz, woraufhin sich die Federn lösten und er ins Meer stürzte. Der verzweifelte Dädalus benannte die Insel, auf der er seinen Sohn beigesetzt hatte, zur Erinnerung an sein Kind Ikaria.
Der Ikarus-Mythos wird im Allgemeinen so gedeutet, dass der Absturz und Tod des Übermütigen die Strafe der Götter für seinen unverschämten Griff nach der Sonne ist. Nach Ovid ließen die Götter Ikarus aus Rache sterben, weil Dädalus seinen Neffen und Schüler Perdix aus Neid auf sein Können ermordet hatte.[1]
Rezeption
Die Gestalt des Ikarus ist in der europäischen Kultur immer wieder Anreger und Gegenstand künstlerischer, wissenschaftlicher und technischer Schöpfungen geworden. So zum Beispiel in der Malerei im Bild Landschaft mit dem Sturz des Ikarus von Pieter Bruegel dem Älteren. In der jüngeren deutschen Malerei des Phantastischen Realismus hat der Maler Werner Holz in mehreren Gemälden den „übermütigen“ und törichten heutigen Menschen als Ikarus dargestellt. Der Dangaster Maler des magischen Realismus Franz Radziwill malte 1960 das Bild „Der Sturz des Ikarus“[2]. Es scheint das erste Mal, dass Ikarus als Frau dargestellt ist. Radziwill warnt vor der Bedrohung durch eine unkritische Technikbegeisterung, die den natürlichen Lebensraum zerstört.
In der DDR nutzten kritische Maler wie Wolfgang Mattheuer das Motiv des Ikarus, um das Ende des Traums vom sozialistischen Heldentum zu thematisieren.
Nach ihm sind der Mondkrater Icarus und das weltraumgestützte Tiermonitoring-System benannt.
Einen weiblichen Ikarus gestaltete die Schweizer Schriftstellerin Eveline Hasler in ihrem Roman „Die Wachsflügelfrau“, dessen Erzählung auf die Biografie der ersten Schweizer Juristin, Emilie Kempin-Spyri verweist. Denn diese scheiterte letztlich daran, dass sie zu hoch hinaus wollte. Als Anwältin sich den Lebensunterhalt zu verdienen und in diesem Beruf zudem Anerkennung zu finden, war für eine Frau in jener Zeit nicht vorgesehen.[3]
Siehe auch
Quellensammlung
- Achim Aurnhammer, Dieter Martin (Hrsg.): Mythos Ikarus. Texte von Ovid bis Wolf Biermann. Reclam, Leipzig 1998, ISBN 3-379-01646-2.
Literatur
- Otto Höfer: Ikaros 1. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,1, Leipzig 1894, Sp. 114–117 (Digitalisat).
- Jacob E. Nyenhuis: Daidalos et Ikaros. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band II, Zürich/München 1984, S. 313–321.
- Bernhard Greiner, Joachim Harst: Daidalos und Ikaros. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 191–198.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ovid, Metamorphosen 8,183–235 (deutsch und latein).
- ↑ Der Sturz des Ikarus – Franz Radziwill. Abgerufen am 3. Februar 2022 (deutsch).
- ↑ Eveline Hasler: Die Wachsflügelfrau, Geschichte der Emily Kempin-Spyri. dtv, München 1995, ISBN 3-423-12087-8.