Investierendes Genossenschaftsmitglied

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Ein investierendes Genossenschaftsmitglied nach § 8 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz ist eine natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die als Mitglied an der Gründung einer Genossenschaft teilnimmt oder später in eine bestehende Genossenschaft durch eine schriftliche Beitrittserklärung nach § 15 Genossenschaftsgesetz eintritt und die Förderleistung der Genossenschaft bewusst nicht in Anspruch nimmt. Das beigetretene investierende Mitglied ist primär an Dividendenausschüttungen interessiert, so dass diese Form der Mitgliedschaft als Finanzanlage zu werten ist. Eine Gewinnerzielungsabsicht und nicht der Förderzweck der Genossenschaft steht im Vordergrund. Neben dem investierenden Mitglied, gibt es das ordentliche Genossenschaftsmitglied.

Einführung

Die Einführung der Europäischen Genossenschaft im Jahr 2003[1] nahm die Bundesregierung zum Anlass, das seit 1889 bestehende und letztmals 1973 reformierte deutsche Genossenschaftsgesetz zu modernisieren und an die Anforderungen des heutigen Wirtschaftslebens anzupassen. In diesem Zuge wurde das investierende Mitglied durch das „Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts“, welches am 18. August 2006 in Kraft trat, im § 8 Abs. 2 in das Genossenschaftsgesetz aufgenommen.[2]

Grundgedanke – Sinn

Besonders im Wohnungsbau sind Genossenschaften mehr als zuvor gefordert, oftmals fehlt es aber besonders bei kleinen Wohnungsbaugenossenschaften am nötigen Kapital, um den Förderzweck der Wohnraumschaffung zu erfüllen. Damit sich bestehende Genossenschaften mit mehr Kapital, speziell zum Wohnungsbau, ausstatten zu können und um Neugründungen attraktiver zu machen, wurde das investierende Mitglied geschaffen. Mit dem investierenden Mitglied sollte das Problem der Kapitalbeschaffung beseitigt werden, um die Finanzverfassung der eingetragenen Genossenschaften zu verbessern und an die aktuellen Bedürfnisse der Wirtschaft und des Wohnungsmarktes anzupassen.[2]

Beitritt

Mit dem Beitritt erwirbt das Mitglied einen oder mehrere Anteile an der Genossenschaft. Die gezeichneten Anteile müssen sofort und unbedingt einbezahlt werden,[3] diese Pflicht wird als Einlagepflicht bezeichnet. Die Einlagepflicht bei einer Genossenschaft ist gleichzusetzen mit der Einlagepflicht bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die in § 19 GmbHG verankert ist.[4] Weil im Genossenschaftsgesetz kein eindeutiges Verbot einer Ratenzahlung aufgeführt ist, kann laut Bundesgerichtshof vom Vorstand eine Ratenzahlung auf die Anteile gewährt werden, wenn diese Möglichkeit in der Satzung der Genossenschaft nach § 18 GenG verankert ist und die Höhe der Rate eine Erfüllung der Einlagepflicht gewährleistet.[5]

Das Rechtsverhältnis zwischen Genossenschaft und dem Mitglied wird in der Satzung der Genossenschaft geregelt (§ 18 GenG).

Rechte

Um den Charakter der Genossenschaft als ein auf einen bestimmten Förderzweck zugeschnittener Zusammenschluss zu wahren, sieht § 8 Abs. 2 GenG bestimmte Einschränkungen vor.

Kritik

In der meisten einschlägigen Genossenschaftsliteratur zur investierenden Mitgliedschaft, wird diese kritisch gesehen. Eine Genossenschaft sollte nach Auffassung vieler lediglich den Förderzweck der Satzung verfolgen. Das investierende Mitglied wird mit seiner vorrangigen Gewinnerzielungsabsicht als Fremdkörper im genossenschaftlichen Grundgedanken betrachtet. Bei der Durchsetzung der Interessen der jeweiligen Mitgliedschaftsform, leidet laut Kritikern zwangsläufig die Andere. Vom genossenschaftlichen Grundgedanken, einem neutralen Erreichen des Förderzwecks, profitierten investierende Mitglieder in der Regel nicht.[2] Es stellt sich hier die berechtigte Frage, "Ob die Genossenschaft mit mehr Kapital durch investierende Mitglieder, den Förderzweck besser verfolgen kann und so beide Mitgliedsformen profitieren.".

Das investierende Mitglied ist als Finanzanlage zu betrachten, muss aber nicht alle Voraussetzungen erfüllen, die anderen Finanzanlagen auferlegt wurden. So unterliegt der Beitritt als investierendes Mitglied nicht der Protokollpflicht wie andere Finanzanlagen und die Genossenschaft muss die Anlagemöglichkeit als investierendes Mitglied nicht bei der BaFin prospektieren lassen. Jede Genossenschaft muss einem Prüfungsverband angehören, den sie frei wählen kann. Der BaFin unterliegen Genossenschaften nicht. Politische Strömungen und Verbraucherzentralen fordern bereits seit Jahren eine Prospektpflicht und BaFinunterstellung für Genossenschaften, die investierende Mitglieder aufnehmen. Auf eine kleine Anfrage der Partei Die Linke antwortete die Bundesregierung am 12. September 2019, dass von 2005 bis 2012 nur drei Genossenschaften Verkaufsprospekte bei der BaFin hinterlegt hätten, in den fünf Jahren vor der Anfrage gar keine.[6]

Staatliche Förderungen

Arbeitnehmersparzulage

Vermögenswirksame Leistungen, die auf einen Genossenschaftsanteil einbezahlt werden, können unter bestimmten Umständen mit der Arbeitnehmersparzulage in Höhe von 20 % auf maximal 400 Euro jährlich gefördert werden.[7] Im 5. VermGB gehört der Genossenschaftsanteil zur Anlagekategorie "Wertpapiere und sonstige Beteiligungen".

Wohnungsbauprämie

Zahlungen, die auf Anteile einer Bau- oder Wohnungsgenossenschaft fließen, können mit der Wohnungsbauprämie in Höhe von 10 % gefördert werden. Die Anteile einer Bau- oder Wohnungsbaugenossenschaft sind die einzige Anlage der Anlagekategorie "Wertpapiere und sonstige Beteiligungen" nach dem 5. VermBG, die mit der Wohnungsbauprämie gefördert wird. Eine Nachweis über die wohnungswirtschaftliche Verwendung wie bei einem Bausparvertrag muss nicht erbracht werden. Durch den Förderzweck der Bau- oder Wohnungsgenossenschaft finden die Gelder eine wohnungswirtschaftliche Verwendung.[8]

Einzelnachweise

  1. EUR-Lex - 32003R1435 - EN - EUR-Lex. Abgerufen am 1. Juli 2021 (englisch).
  2. a b c Martin Wachter: Die investierende Mitgliedschaft bei einer eingetragenen Genossenschaft. Hrsg.: JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH. ISSN 1861-5627. JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, 2011, ISBN 978-3-86653-190-1.
  3. § 7 GenG - Einzelnorm. Abgerufen am 1. Juli 2021.
  4. § 19 GmbHG - Einzelnorm. Abgerufen am 1. Juli 2021.
  5. BGH – Beschluss, II ZR 138/08 vom 16. März 2009
  6. Deutscher Bundestag: Drucksache 19/13174 Antwort auf kleine Anfrage. Deutscher Bundestag, 12. September 2019, abgerufen am 30. Juni 2021.
  7. Fünftes Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz - 5. VermBG) § 2 Vermögenswirksame Leistungen, Anlageformen, auf gesetze-im-internet.de
  8. § 2 WoPG 1996 - Einzelnorm. Abgerufen am 2. Juli 2021.