Dschahm ibn Safwān

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Dschahm ibn Safwān (arabisch جهم بن صفوان, DMG

Ǧahm b. Ṣafwān

; vollständiger Name:

Dschahm ibn Safwan Abu Muhriz ar-Rasibi as-Samarqandi

/ جهم بن صفوان أبو محرز الراسبي السمرقندي /

Ǧahm b. Ṣafwān Abū Muḥriz ar-Rāsibī as-Samarqandī

; auch Jahm; * nach 622 im heutigen Irak; † um 746 in Marw) war ein kontroverser islamischer Theologe, der sich Harith ibn Suraidsch anschloss, einem Rebell in Chorasan gegen Ende der Umayyaden-Periode. Aufgrund seines Gedankenguts, seiner politischen Meinung und der Unruhe, die er damit stiftete, wurde er vom Statthalter von Marw, Salm ibn Ahwaz, im Jahr 128 AH getötet.[1] Die von Dschahm ibn Safwān begründete theologische Lehrrichtung wird als Dschahmīya bezeichnet.

Biografie

Es gibt nur sehr wenige Informationen über das frühe Leben Dschahm ibn Safwans. Er wurde vermutlich im Irak geboren und stand als Mawālī („Klient“) im Dienste des arabischen Stammes Banu Rasib. Doch war er vermutlich kein Perser, denn zumindest sein Name und der seines Vaters lassen vermuten, dass er in einem arabischsprachigen Umfeld aufwuchs.[2] Sein Geburtsjahr ist unbekannt, er wurde aber vermutlich im ersten Jahrhundert (der Hidschra) geboren. Ahmad ibn Hanbal zufolge hatte er Verbindungen zur mesopotamischen Stadt Harran und soll dort unter anderem bei dem Sektenmitglied al-Dscha'd ibn Dirham gelernt haben, der auch ein Lehrer des letzten Umayyaden-Kalifen, Marwan II., war und als ein Dahrī und Zindīq betrachtet wurde (→ Zandiks und Dahris).[3]

Dschahm bin Safwan ließ sich später in Chorasan nieder, wo er in Termiz mit dem Einsammeln des Brückenzolls beauftragt war, den Händler beim Überqueren des Oxus zu zahlen hatten. Dort kam er – kurz vor der abbasidischen Revolution – in Konflikt mit dem umayyadischen Statthalter, Nasr ibn Sayyar, und schloss sich (ca. 744) dem Rebellen Harith ibn Suraidsch an, dessen Schreiber er wurde. Dieser, obwohl selbst ein Araber, setzte sich für die Rechte der Mawali ein, der iranischen und sonstigen nicht-arabischen Konvertiten zum Islam, und war zu dieser Zeit so mächtig (bzw. die Umayyaden so schwach), dass er zumindest in Chorasan als dem Kalifen ebenbürtig betrachtet wurde. Als Harith ibn Suraidsch (zusätzlich zum Zwist mit dem Kalifen) auch mit Dschudaiʿ al-Kirmani in Stammeskonflikte geriet und schließlich von diesem auf dem Schlachtfeld getötet wurde, verlor Dschahm ibn Safwan plötzlich seinen Beschützer. Kurze Zeit später fiel er Salm ibn Ahwaz al-Mazini at-Tamimi in die Hände, seinerseits ein Repräsentant Nasr ibn Sayyars sowie ein fanatischer Befürworter des umayyadischen Kalifats, und wurde daraufhin hingerichtet.[2]

Lehre

Dschahm ibn Safwans Lehre war stark von seinem Lehrer al-Dscha'd ibn Dirham beeinflusst. Als Gegner der Qadarīya behauptete er unter anderem, dass der Mensch keinen freien Willen (Qadar) habe und dass Gott in Wirklichkeit weder mit dem Propheten Abraham befreundet gewesen war, noch mit Mose tatsächlich gesprochen habe. Gott, das „absolute Andere“, würde alles leiten, auch die Naturgewalten und den menschlichen Willen. Und weil Gott über allem und jedem stehe, könne man ihn auch weder erkennen noch auf irgendeiner Weise beschreiben. Damit sprach er Gott faktisch alle Attribute ab. Wie später die (von ihren Gegnern als Dschahmiten bezeichneten) Mutaziliten hielt Dschahm zudem den Koran für erschaffen.

Vor allem seine Leugnung der Vorsehung sowie die Aussage, das Paradies und die Hölle seien nicht ewig, erregten die islamische Orthodoxie. Nach der Meinung der damaligen Gelehrten und ihrer Anhänger verließ Dschahm mit seinen Lehren die Grenzen des Islams.[4][2]

Seine Lehren können als neuplatonisch aufgefasst werden, was man mit seinen Erfahrungen in Harran und den dort lebenden Sabiern erklären könnte. Aber auch ein indischer Einfluss, etwa aus dem Hinduismus oder Buddhismus, scheint möglich. Zumindest ein Bericht legt Diskussionen mit buddhistischen Mönchen nahe.[2]

Als Murdschiit vertrat Dschahm ibn Safwan zudem die These, dass jemand schon als „Muslim“ betrachtet werden sollte, wenn er den Glauben im Herzen angenommen habe, auch ohne diesen in der arabischen Sprache einwandfrei ausdrücken zu können. Ob diese bestimmte Lehre eventuell politisch motiviert war (Harith ibn Suraidsch kollaborierte mit Völkern, darunter Sogder und Türken, die nicht in der Sprache des Korans beten konnten), ist nicht ausgeschlossen.[2]

Literatur

  • Richard MacDonough Frank: The neoplatonism of Gahm b. Safwan. In: Museon. Band 78, 1965, S. 395–424
  • Frank Griffel: Apostasie und Toleranz im Islam: Die Entwicklung zu al-Ġazālīs Urteil gegen die Philosophie und die Reaktionen der Philosophen. Brill, Leiden 2000 (= Islamic Philosophy, Theology and Science, Band 40), ISBN 90-04-11566-8, S. 137ff. (Kap. 3: Die Verurteilung der Philosophen als „Gahmiten“ und Apostaten durch die traditionalistische Bewegung.)
  • William Montgomery Watt: The formative period of Islamic thought. University Press, Edinburgh 1973, Nachdruck Oneworld, Oxford 1998, ISBN 1-85168-152-3, S. 143ff. (Kap. 6: The alleged sect of the Jahmiyya.)
  • William Montgomery Watt: Artikel DJahm b. Ṣafwān und Artikel DJahmiyya. In: The Encyclopaedia of Islam. new edition, Band II, Brill, Leiden 1991, S. 388
  • Josef van Ess: JAHM B. ṢAFWĀN. In Encyclopædia Iranica. Columbia University, Online Edition, 2008.

Einzelnachweise

  1. Ibn Kathīr al-Bidāyah wa an-Nihāyah 9/364
  2. a b c d e J. van Ess, 2008
  3. Abdus Subhan: al-Jahm bin Safwan and his philosophy. In: Islamic Culture. 11 (1937), 221-227, 221; W. Montgomery Watt: Early Discussions about the Qur'ān. In: The Muslim World. Band 40, 1950, S. 28; al-Dahabi, Mizan al-I'tidal 1:185
  4. Siehe al-Bucharis Chalq Af'aal al-Ibaad