Urteil von Nürnberg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Judgment at Nuremberg)
Film
Deutscher Titel Urteil von Nürnberg
Originaltitel Judgment at Nuremberg
Produktionsland USA
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1961
Länge 188 Minuten
Altersfreigabe FSK 12[1]
Stab
Regie Stanley Kramer
Drehbuch Abby Mann
Produktion Stanley Kramer
Musik Ernest Gold
Kamera Ernest Laszlo
Schnitt Frederic Knudtson
Besetzung
Synchronisation

Urteil von Nürnberg (oft als Das Urteil von Nürnberg wiedergegeben, engl. Originaltitel Judgment at Nuremberg) ist ein US-amerikanischer Gerichtsfilm aus dem Jahre 1961, der auf dem Nürnberger Juristenprozess von 1947 beruht. Stanley Kramer produzierte diesen Klassiker des Gerichtsfilms für die United Artists. Die künstlerische Beratung der deutschen Dialog-Fassung lag bei Erich Maria Remarque. Die Welturaufführung der deutschen Fassung fand am 14. Dezember 1961 in der Berliner Kongresshalle statt.[2][3]

Inhalt

Der US-amerikanische Richter Dan Haywood trifft 1948 im vom Krieg stark zerstörten Nürnberg ein. Er soll den Prozess gegen vier führende deutsche Juristen des NS-Staates leiten. Er wird in der Villa eines ehemaligen Generals einquartiert, der als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt worden ist.

Der Ankläger Colonel Tad Lawson lässt schon zu Verhandlungsbeginn erkennen, dass er eine harte Bestrafung der Angeklagten durchsetzen will. Sein schärfster Kontrahent ist der deutsche Verteidiger Hans Rolfe, der den Hauptangeklagten, den ehemaligen Justizminister des Dritten Reiches, Dr. jur. Ernst Janning vertritt. Er beruft sich für seinen Mandanten auf den Befehlsnotstand und die damalige Rechtslage im Deutschen Reich, an die sich die Angeklagten hätten halten müssen.

In den Wochen während der Verhandlung versucht Richter Haywood, in Nürnberg Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zu bekommen, um zu verstehen, wie es zu den Verbrechen des Nationalsozialismus kommen konnte. Unter anderem lernt er die Witwe des ehemaligen Besitzers der Villa näher kennen, in der er wohnt. Sie versucht den Richter in dem Sinne zu beeinflussen, dass auch hochrangige Deutsche nichts von den Verbrechen in den Konzentrationslagern gewusst hätten. In einem Gespräch mit den Hausbediensteten versucht er herauszubekommen, wie die einfache Bevölkerung gedacht hat. Er stößt jedoch auf eine Mauer des Schweigens.

Im Prozess sagt zunächst Dr. Karl Wieck aus. Er war 1935 vom Amt des Justizministers zurückgetreten, weil er den Nazis nicht mehr dienen wollte. Verteidiger Hans Rolfe gelingt es jedoch, seine Glaubwürdigkeit im Kreuzverhör zu erschüttern.

Der Hilfsarbeiter Rudolf Petersen berichtet, dass er aufgrund einer Anordnung von Dr. Janning zwangssterilisiert worden sei, weil er einer kommunistischen Familie entstamme. Rolfe versucht, nachzuweisen, dass Petersen geistig minderbemittelt sei und dass Menschen aus diesem Personenkreis auch in anderen Ländern, unter anderem in den USA, zwangsweise sterilisiert wurden.

Schließlich sagt die Zeugin Irene Hoffman-Wallner aus, dass der jüdische Geschäftsmann Feldenstein fälschlicherweise von Dr. Ernst Janning wegen einer angeblichen intimen Beziehung mit ihr wegen „Rassenschande“ zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. (Dieser Fall orientiert sich an dem historischen Fall von Leo Katzenberger.)

Der Verteidiger Rolfe versucht, ihre Zeugenaussage zu erschüttern, indem er im Kreuzverhör zu beweisen versucht, dass der hingerichtete Feldenstein tatsächlich intime Beziehungen mit ihr gehabt hätte, so also den Straftatbestand der „Rassenschande“ erfüllt hatte. Als die Zeugin in Tränen ausbricht, weil Rolfe sie scharf angreift, ergreift Dr. Ernst Janning zum ersten Mal das Wort und bringt Rolfe zum Schweigen.

Er begibt sich anschließend in den Zeugenstand und bekennt sich schuldig im Sinne der Anklage, die Naziverbrechen sowohl bewusst ignoriert wie auch gerechtfertigt zu haben, im Glauben, dass sie dem Wohl des Landes dienten. Seine eigenen Verbrechen habe er billigend als Mittel für patriotische Ziele in Kauf genommen. Ebenso bekennt er, beim Verfahren gegen den Freund Irene Hoffmans schon vor Beginn des Verfahrens das Todesurteil festgelegt zu haben.

Kurz vor der Urteilsfindung blockiert die Sowjetunion die Zufahrt nach Berlin. US-Militärs setzen Anklagevertreter Lawson unter Druck, ein mildes Urteil zu fordern, da man in Zukunft das Wohlwollen der deutschen Bevölkerung brauchen werde. Richter Haywood verkündet ein strenges Urteil wegen der Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er verurteilt, zusammen mit dem Beisitzer Norris, die Angeklagten zu lebenslanger Haft. Beisitzer Ives erklärt in einem Minderheitenvotum, dass er die Angeklagten aus formaljuristischen Gründen freigesprochen hätte.

Der Verteidiger Rolfe, der Haywood nach dem Prozess noch einmal aufsucht, bietet diesem eine Wette an, dass die Verurteilten in fünf Jahren ohnehin wieder frei sein würden. Richter Haywood erwidert darauf, dass der Standpunkt Rolfes logisch sei, aber nicht Gerechtigkeit widerspiegelt.

Der Film endet mit einem Besuch Haywoods in der Zelle Jannings. Janning versichert dem Richter, dass er ein gerechtes Urteil gesprochen habe. Er möge ihm aber glauben, dass er – Janning – die Massenmorde an Juden nicht gewollt habe. Haywood antwortet, dass Janning bereits mit der ersten wissentlichen Verurteilung eines Unschuldigen daran beteiligt war.

Historischer Hintergrund

Die Handlung ist an den Juristenprozess von 1947 gegen eine Reihe von NS-Richtern angelehnt. Inhaltlich geht es dabei um das Unrechts-Todesurteil, welches vom Sondergericht Nürnberg unter dem Vorsitz von Oswald Rothaug, auf Antrag des Staatsanwalts Hermann Markl wegen „Rassenschande“ gegen Leo Katzenberger verhängt wurde.[4]

Im Film wird authentisches Filmmaterial über die Verbrechen in den Konzentrationslagern verwendet.

Intention des Filmes

„[…] Der Linie treu bleibend, welche er als Regisseur und Produzent bereits in vielen anderen Filmen … verfolgt hatte, veranschaulicht Kramer ein besonders schwieriges und umstrittenes Thema: das Problem der Verantwortlichkeit des Einzelnen für seine Entscheidungen, wenn er sich innerhalb eines Systems bewegt, welches Handlungen formal legitimiert, die als wirkliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit erscheinen müssen. Die brutale Verfolgung politischer und weltanschaulicher Gegner; die Entrechtung, Beraubung, Vertreibung und massenhafte Vernichtung von Juden, Sinti und Roma; die ‚rassenbiologischen‘ Maßnahmen von Sterilisationen und ‚Vernichtung unwerten Lebens‘; die Verschleppung von Millionen Zwangsarbeitern; und schließlich der Raub- und Vernichtungskrieg im Osten; all diese Verbrechen wurden von Juristen, die teils ideologisch fanatisiert, teils opportunistisch und feige waren, verbreitet, begleitet, und legitimiert […]“

Francisco Muñoz Conde und Marta Muñoz Aunión: Das Urteil von Nürnberg, juristischer und filmwissenschaftlicher Kommentar zum Film von Stanley Kramer[5]

Kritiken

„Differenziert argumentierend, konfrontiert der Film unterschiedliche Standpunkte, ohne eine eindeutige Wertung vorzunehmen. Ein Klassiker des Gerichtsfilms mit hervorragenden Darstellern und perfekter Dramaturgie. Die Ausgewogenheit des Drehbuchs und die melodramatischen Zutaten der Regie entschärfen jedoch den brisanten Stoff und verbinden ihn mit den Konventionen des Unterhaltungskinos.“

„Bemüht sich in fairer Weise um die Fragen nach unabdingbarem Recht und menschlicher Schuld. Trotz mancher Überladung und mancher Unklarheit ein mutiger und ehrlicher Film und ein anerkennenswerter Beitrag zur Erörterung bisher ungelöster Fragen. Ab 16 sehr zu empfehlen.“

Evangelischer Film-Beobachter, Kritik Nr. 754/1961

„In der großen Tradition von Gerichtsdramen hat ‚Das Urteil von Nürnberg‘ die Ehre, das wichtigste von allen zu sein – auch wenn es offenkundig nicht das unterhaltsamste ist.“

Christopher Null: filmcritic.com[7]

„[…] Werberummel und Staraufgebot vermochten nicht zu verhüllen, dass er misslungen ist. […] Drei Viertel des Films plätschern nutzlos dahin, erst im letzten Viertel wird die Frontstellung deutlich. Wenn man einen Thesenfilm drehen will, muss er zielstrebiger sein – es sei denn, man wolle niemandem wehe tun. […] Bewundernswürdig sind Tracy und Lancaster.“

til: Die Zeit, Nr. 52/1961[2]

Synchronisation

Die deutsche Synchronbearbeitung entstand 1961 in den Ateliers der Ultra Film Synchron GmbH unter der Regie von Josef Wolf, der auch das Dialogbuch verfasste. An der künstlerischen Bearbeitung der Dialoge wirkte Erich Maria Remarque mit.[8]

Rolle Darsteller Synchronsprecher
Richter Dan Haywood Spencer Tracy Walter Suessenguth
Ernst Janning Burt Lancaster Ernst Wilhelm Borchert
Colonel Tad Lawson Richard Widmark Arnold Marquis
Frau Berthold Marlene Dietrich Eleonore Noelle
Hans Rolfe Maximilian Schell Maximilian Schell
Rudolph Petersen Montgomery Clift Wolfgang Kieling
Captain Harrison Byers William Shatner Klaus Schwarzkopf
General Merrin Alan Baxter Thomas Reiner
Curtiss Ives Ray Teal Erik Jelde

Im deutschen Fernsehen wurde der Film erstmals am 16. März 1970 um 21.00 Uhr im ZDF gezeigt.[9][10]

Auszeichnungen

Oscarverleihung 1962

Als bester Hauptdarsteller wurde Maximilian Schell in der Rolle als „Hans Rolfe“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt Abby Mann die Auszeichnung 1962 für das beste Drehbuch nach einer literarischen Vorlage.

Weiterhin erhielt der Film neun weitere Nominierungen:

Golden Globe Verleihung 1962

  • Bester Hauptdarsteller (Drama): Maximilian Schell
  • Beste Regie: Stanley Kramer

Weiterhin erhielten Judy Garland und Montgomery Clift eine Nominierung als beste Nebendarsteller. Außerdem wurde der Film in der Kategorie Bestes Drama, sowie als Bester Film zur Internationalen Verständigung nominiert.

Weitere Honorierungen

  • Bei den NYFCC Awards gewann, wie bei den Oscarverleihungen, Maximilian Schell des Preis als Bester Darsteller und Abby Mann für das Beste Drehbuch
  • Der Film erhielt 3 Nominierungen für den BAFTA Award: Maximilian Schell und Montgomery Clift als Beste Ausländische Schauspieler, sowie der Film als Ganzes.
  • Spencer Tracy erhielt den Fotogramas de Plata als Bester Ausländischer Schauspieler
  • Weiterhin gewann der Film den Bodil, den Cinema Writers Circle Award, sowie den David di Donatello Award
  • Im Jahre 2008 wählte das renommierte American Film Institute die 10 größten Gerichtsdramen aller Zeiten. Das Urteil von Nürnberg erreichte Platz 10.
  • Aufnahme in das National Film Registry 2013

DVD-Veröffentlichung

  • Das Urteil von Nürnberg. Reihe „Preisgekrönte Filme“. MGM Home Entertainment 2001

Soundtrack

  • Ernest Gold: Judgement at Nuremberg. Original Motion Picture Soundtrack. (DeLuxe Edition: Enhanced CD mit dem Original-Kinotrailer und ausführlichem Booklet.) Rykodisc/MGM, Salem 1998, Tonträger-Nr. RCD 10723 – Originalaufnahme der Filmmusik unter Leitung des Komponisten

Als Theaterinszenierung

Die Theaterfassung, ebenfalls von Abby Mann, wurde am 26. März 2001 im Longacre Theatre am Broadway uraufgeführt, mit Maximilian Schell als Ernst Janning.[11] Die deutschsprachige (und europäische) Erstaufführung fand am 11. Oktober 2002 im Schauspielhaus Nürnberg statt, Regie: Klaus Kusenberg, Ausstattung: Günter Hellweg.[12] Weitere Produktionen gab es 2003 am Hamburger Ernst-Deutsch-Theater sowie 2019 an der Württembergischen Landesbühne Esslingen.

Literatur

  • Abby Mann: Judgment at Nuremberg. New Directions, New York 2002, 110 (XXV) S., ISBN 0-8112-1526-1 (bislang keine deutsche Übersetzung)
  • Francisco Muñoz Conde, Marta Muñoz Aunión: „Das Urteil von Nürnberg“. Juristischer und filmwissenschaftlicher Kommentar zum Film von Stanley Kramer (1961). Juristische Zeitgeschichte; Abteilung 6, Recht in der Kunst – Kunst im Recht, Band 21. Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV), Berlin 2006, 89 (XIV) S., ISBN 3-8305-1007-1
  • Axel Bernburg: Das Urteil von Nürnberg, Burgschmiet-Verlag Nürnberg, 1998, ISBN 3-932234-19-7
  • Ulrike Weckel: Amerikanischer Traum von einem deutschen Schuldbekenntnis: Der Spielfilm Judgment at Nuremberg (1961) und seine Rezeption in der deutschen Presse. In: Georg Wamhof (Hrsg.): Das Gericht als Tribunal, oder: Wie der NS-Vergangenheit der Prozess gemacht wurde (= Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen, Band. 25). Göttingen 2009, S. 163–185.
  • Urteil von Nürnberg (USA). In: Der Spiegel. Nr. 53, 1961 (online – Kritik).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Urteil von Nürnberg. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, März 2004 (PDF; Neuprüfung mit geänderter Jugendfreigabe).
  2. a b til: Kritik. In: Die Zeit, Nr. 52/1961, S. 16
  3. Starttermine auf imdb.de abgerufen am 4. Februar 2011
  4. Christiane Kohl: Der Jude und das Mädchen. Eine verbotene Freundschaft in Nazideutschland. Spiegel-Buchverlag, Hamburg 1997, ISBN 3-455-15018-7.
  5. Francisco Muñoz Conde, Marta Muñoz Aunión: „Das Urteil von Nürnberg“. Juristischer und filmwissenschaftlicher Kommentar zum Film von Stanley Kramer (1961). Juristische Zeitgeschichte; Abteilung 6, Recht in der Kunst – Kunst im Recht, Band 21. Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV), Berlin 2006, ISBN 3-8305-1007-1, 89 (XIV) S.
  6. Urteil von Nürnberg. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 4. Juni 2021.
  7. Judgment at Nuremberg (Memento vom 25. September 2011 im Internet Archive) Review in filmcritic.com abgerufen am 7. Februar 2011 (englisch)
  8. Thomas Bräutigam: Lexikon der Film- und Fernsehsynchronisation. Mehr als 2000 Filme und Serien mit ihren deutschen Synchronsprechern etc. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-289-X, S. 376
  9. Urteil von Nürnberg. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 1. November 2021.
  10. Diese Woche im Fernsehen. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1970 (online).
  11. magazin.spiegel.de: Premieren
  12. Das Urteil von Nürnberg - Mann, Abby. Abgerufen am 4. Oktober 2019.