Kaisergalerie
Die am 22. März 1873, dem Geburtstag Kaiser Wilhelms I., festlich eingeweihte Kaisergalerie war eine 130 Meter lange Passage und Teil eines dreigeschossigen Gebäudekomplexes im Berliner Ortsteil Mitte, der im Auftrag des Actien-Bauvereins ‚Passage‘[1] von den Architekten Walter Kyllmann und Adolf Heyden im Stil der Neorenaissance errichtet wurde. Die nach Art der großen Passagen in Paris und Brüssel konzipierte Ladenstraße führte vom Boulevard Unter den Linden[2] in gebrochener Linie zur Friedrichstraße Ecke Behrenstraße. Der Durchgang half, das schmale Trottoir der Friedrichstraße zu entlasten, und kürzte den Weg von Süden her zum Brandenburger Tor ab.
Die Eröffnung durch den Kaiser, der auch Mitglied des ersten Aufsichtsrates war, verschaffte dem Bauwerk mit seinen prunkvoll gestalteten und bildkünstlerisch geschmückten Innen- und Außenfassaden aus Sandstein und Terrakotta von vornherein beachtliche Prominenz; die Kaisergalerie war die Besucher-Attraktion in Berlin. In der Passage befanden sich ein Konzertsaal, Restaurants, ein Hotel, Büroräumlichkeiten sowie die moderne Einkaufspassage mit mehr als fünfzig Läden und Cafés. Der Festsaal war von dem bekannten Berliner Dekorations- und Kunstmaler Oskar Begas ausgestaltet worden. Zu den mit der Zeit dazugekommenen Attraktionen gehörten das Panoptikum und das Wachsfigurenkabinett der Brüder Castan sowie die Ausstellungsräume des Kunstmalers Arthur Fischer. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert gab es dort das Passage-Theater und von 1915 bis etwa Mitte der 1920er Jahre das Linden-Cabaret.
Die eigentliche Galerie war ein architektonisch aufwendig gestalteter und mit Glas überdeckter Gang. Er war 7,85 Meter breit und maß 13,5 Meter bis zur Oberkante des Hauptgesimses beziehungsweise 16 Meter bis zum Scheitel des Glasdaches. Die beiden Arme des Durchgangs trafen sich in einem achteckigen Kuppelraum. Anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung im Jahr 1879 wurden neuentwickelte Bogenlampen der Firma Siemens & Halske für die Innenbeleuchtung verwendet. Damit wirkte das Innere heller als das Tageslicht auf offener Straße.
Wirtschaftlich war der Lindenpassage zunächst nur mäßiger Erfolg beschieden. Große Leerstände bei den Läden und Schwierigkeiten im Hotel- und Restaurantgeschäft brachten die Gesellschaft mehrfach an den Rand des Ruins.
Alfred Grenander gestaltete die Passage 1930/1931 im Stil der Neuen Sachlichkeit um. Bei einem alliierten Luftangriff wurde das Gebäude 1943 bis auf einen Rest zerstört und brannte 1945 vollständig ab. Die Ruine wurde 1957 abgetragen. Unter Leitung von Erhardt Gißke wurde zu Zeiten der DDR das Interhotel Grand Hotel Berlin, das heutige Westin Grand Berlin, am Standort der ehemaligen Kaisergalerie errichtet.[3]
Literatur
- Ehrenfried Kluckert: Berlin – Photographien von Waldemar Titzenthaler. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1987, ISBN 3-87584-195-6, S. 72.
- Bodo Harenberg (Hrsg.): Die Chronik Berlins. Chronik-Verlag, Dortmund 1986, ISBN 3-88379-082-6, S. 240.
- Harald Neckelmann: Friedrichstraße Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Berlin Story Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86368-069-5.
- Harald Neckelmann: Unter den Linden – Flanieren und Amüsieren. Sutton Verlag, Erfurt 2009, ISBN 978-3-86680-538-5.
- Hans Aschenbrenner: 22. März 1873: Eröffnung der Kaisergalerie. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 3, 1998, ISSN 0944-5560, S. 78–80 (luise-berlin.de).
- Heinz Schomann (Hrsg.): Kaisergalerie. Die Herrscherporträts des Kaisersaals im Frankfurter Römer. Harenberg, Dortmund 1989 (= Die bibliophilen Taschenbücher. Band 248), ISBN 978-3-88379-248-4.
Weblinks
- Aktien Bauverein Passage. Nonvaleurs
- Filmaufnahme von 1896 mit Sicht auf den Eingang der Passage (Friedrichstraße)
Einzelnachweise
- ↑ Actien-Bauverein Passage. In: Nonvaleur Wiki
- ↑ Foto der Fassade
- ↑ berlin-friedrichstrasse.de
Koordinaten: 52° 30′ 58,4″ N, 13° 23′ 18″ O