Turmkugel

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Turmkugel auf dem Reichenturm in Bautzen

Eine Turmkugel – gebräuchlich sind oder waren auch die Ausdrücke Turmknauf und Turmknopf – ist eine verschlossene, oft runde und oft vergoldete Metallkapsel auf der Spitze eines Burg-, Schloss- oder Kirchturms. Dann meist Dachknäufe genannt, zieren solche Gegenstände auch den Dachgipfel von Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden. Auch auf Tempeln und Pavillons in Parks sind sie nicht selten zu finden. Sie haben nicht immer die Form einer Kugel, sondern sind bisweilen auch zapfenförmig.

Bedeutung

Weil ein Turm- oder Dachknauf das Bauwerk schmücken soll und weil er, einmal angebracht, schlecht zugänglich ist, legt man auf Ansehnlichkeit und Haltbarkeit Wert und fertigt ihn deshalb gerne aus Kupferblech oder noch edleren Materialien. Wegen der Unzugänglichkeit dienen solche Knäufe auch als sogenannte Zeitkapsel. Manche tragen eine drehbare Wetterfahne oder einen Wetterhahn als Verzierung, Turmkugeln und Dachknäufe von Kirchen dagegen in der Regel ein Kreuz.

Zeitkapsel und Knopfakten

Wegen ihrer relativen Unzugänglichkeit galten Turmknäufe oft als sichere Aufbewahrungsorte für historische Zeugnisse aus der Zeit des Baus, etwa Zeitungen oder Münzen der Zeit, die man an die Nachwelt überliefern wollte. Für darin gelagerte Schriftstücke kamen die Namen „Kirchturmknopfakte“ oder „Turmakten“ auf. Zu den darin regelmäßig angetroffenen Textsorten gehören auch Aufzeichnungen der jeweiligen Kirchgemeinde, Auszüge aus Geburts- und Totenregistern und Berichte über besondere Ereignisse zur Bauzeit.[1] Die in einem Turmknopf aufbewahrten Unterlagen können durchaus noch heute zur Korrektur und Ergänzung historischen Wissens beitragen.

Knopffest

Bei größeren Sanierungsarbeiten besonders am Dachstuhl von Türmen sichtet man herkömmlich die historischen Zeugnisse in der Kugel in oft zeremoniellem Rahmen und ergänzt sie mit Zeugnissen der Gegenwart. Eine begleitende Feier heißt „Knopffest“.[2]

Knauf als geodätischer Zielpunkt

Den Knauf eines Kirchturms nutzen Geodäten gerne als Kontroll- oder Vermessungspunkt, da er von vielen Stellen aus gut anzuvisieren ist und so das aufwendigere Aufsuchen eines vermarkten Bodenpunktes erspart.

Die runde Kugel unter dem Turmkreuz lässt sich mit dem Theodolit sehr genau einstellen – am besten zwischen den Doppelfäden des Fadenkreuzes – und eignet sich gut als „Fernziel“ zur Richtungskontrolle in Vermessungsnetzen.

Beispiele für Knopfakten

Dachschmuck in Rostock

Kirchturm von Markersdorf (Sachsen)

In Markersdorf wurden 1694, 1749, 1780, 1820, 1924 und zuletzt 1978 Reparaturen am Kirchturm vorgenommen. Die gefundenen Schriftstücke lagen im Gemeindehaus zur Besichtigung aus und wurden fotokopiert. Das älteste Schriftstück stammt aus dem Jahre 1635.[3] So geht aus der Urkunde hervor, welche Kämpfe im Dreißigjährigen Krieg in der Oberlausitz geführt wurden.

Reichenturm in Bautzen

Der Text zur Baugeschichte aus einer Turmkugel des Reichenturms in Bautzen, die nach dem Wiederaufbau des zuvor zerstörten Turms am 4. Juli 1628 auf der Turmspitze angebracht wurde, lautet:

„All dieweil auch dieser Thurm, so 1490 neu aufgebaut und 1593 wegen Baufälligkeit an der Spitze wieder erneuert worden, bei der Belagerung der Stadt den 3. Oktober 1620 durch eine eingeworfene Feuerkugel angezündet und bis auf das Mauerwerk abgebrannt, E. E. Rath und gemeine Bürgerschaft aber wegen mehrerer anderer nothwendigerer Bauten nicht alsobald zur Wiederherstellung desselben gelangen können, sondern anstehen mußten, so ist hiernach solcher Thurm 1627 wieder zu bauen angefangen und am 4. Juli Anno 1628 der Knopf aufgesetzt worden.“[4]

Am 10. September 1868 wurden verschiedene Münzen, nämlich: „[…] ein Thaler, ein Zehn-, Fünf-, Zwei- und Einneugroschen, ein Fünf-, Zwei- und Einpfennig-Stück neuesten Gepräges […]“ in die Turmkugel gelegt.[5]

Sonstiges

Islamische Moscheen haben in der Regel einen oder mehrere goldglänzende Kugelstäbe als Aufsätze auf Kuppeln und/oder Minaretten.

Literatur

  • Aldo Colombi, André Colombi, André: Die Turmakten von Luzern. Norderstedt 2010.
  • Anne-Chantal Zimmermann: Briefkästen und Zeitkapseln. Eine kleine Geschichte der Turmkugeln des Rathauses von Sursee. Masterarbeit, 2010.
  • Beat Kümin: Nachrichten für die Nachwelt. Turmkugelarchive in der Erinnerungskultur des deutschsprachigen Europa. In: Historische Zeitschrift, Bd. 312 (2021), 3, S. 614–648.

Weblinks

Commons: Turmkugel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Erntedankfest und Turmkreuzaufrichtung - Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf. 3. Dezember 2013, archiviert vom Original am 3. Dezember 2013; abgerufen am 6. Juli 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gross-enzersdorf.gv.at
  2. Zeno: Lexikoneintrag zu »Richtfest«. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig ... Abgerufen am 6. Juli 2021.
  3. Ortschronik Markersdorf, veröffentlicht in den Heimatkundlichen Beiträgen zur 650-Jahrfeier
  4. Richard Reymann: Geschichte der Stadt Bautzen. Gebrüder Müller, 1902, S. 707 f.
  5. Richard Reymann: Geschichte der Stadt Bautzen. Gebrüder Müller, 1902, S. 716.