Kirschroter Spei-Täubling

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Kirschroter Speitäubling)
Kirschroter Spei-Täubling

Kirschroter Spei-Täubling (Russula emetica)

Systematik
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Täublingsartige (Russulales)
Familie: Täublingsverwandte (Russulaceae)
Gattung: Täublinge (Russula)
Art: Kirschroter Spei-Täubling
Wissenschaftlicher Name
Russula emetica
(Schaeff. : Fr.) Pers.

Der Kirschrote Spei-Täubling (Russula emetica) ist ein Blätterpilz aus der Familie der Täublingsverwandten (Russulaceae) und die Typusart der Gattung Russula. Der mittelgroße Täubling hat einen blut- bis zinnoberroten Hut, weiße Lamellen, weißes Sporenpulver und weiches, sehr scharf schmeckendes und obstartig riechendes Fleisch. Die Sporen sind kugelig bis ellipsoid und dicht feinnetzig und stachelig. Die Fruchtkörper erscheinen einzeln bis gesellig von Juli bis November meist in Moor- und feuchten Nadelwäldern. Der verbreitete bis ziemlich häufige Täubling ist schwach giftig.

Merkmale

Makroskopische Merkmale

Der Hut ist zunächst gewölbt, später ausgebreitet und zur Mitte durchaus etwas niedergedrückt. Er erreicht Durchmesser von 3–10 Zentimeter, die zu 2/3 – 4/4 abziehbare Huthaut ist mehr oder weniger kräftig kirschrot und meist klebrig glänzend. Der Hutrand ist kurz und oft undeutlich gerieft.

Die engstehenden und weißen Lamellen sind ausgebuchtet angewachsen. Die farblosen Sporen sind rundlich oval und mit grober stacheliger bis warziger Oberfläche. Das Sporenpulver ist weiß.

Der weiche und weiß gefärbte Stiel ist 5–10 Zentimeter lang und bis zu 2 Zentimeter dick, er hat eine keulenartige Form. Das Fleisch ist weiß, porös und schmeckt brennend scharf. Der Geruch ist obstartig.

Mikroskopische Merkmale

Die rundlichen bis elliptischen Sporen sind 7,4–10,3 µm lang und 6,5–8,5 µm breit. Der Q-Wert (Quotient aus Sporenlänge und -breite) ist 1,1–1,3. Das Sporenornament wird bis zu 1,2 µm hoch und besteht aus groben, kegeligen, teilweise verlängerten Warzen, die mehrheitlich, aber stellenweise nur undeutlich, durch Linien oder niedrige Grade miteinander netzig verbunden sind. Der Apiculus misst 1,5–1,62 µm × 1,25 µm, der deutlich amyloide Hilarfleck ist unregelmäßig und misst etwa 3 µm × 3,75 µm.

Die keuligen, viersporigen Basidien messen 38–50 µm × 11–13 µm. Die zahlreichen Hymenialzystiden färben sich mit Sulfobenzaldehyd oder Sulfovanillin deutlich an. Die spindeligen Cheilozystiden sind am oberen Ende nicht oder nur andeutungsweise eingeschnürt. Sie messen 35–75 µm × 7–12 µm, während die ähnlichen Pleurozystiden 55–100 µm lang und 10–14 µm breit sind.

Die Huthaut ist deutlich in eine Supra- und Subpellis gegliedert. Sie besteht aus mehr oder weniger verbogenen, zylindrischen Haaren, die verzweigt und septiert sind und sich zur Spitze hin etwas verjüngen. Die Hyphenwände sind schwach gelatinisiert. Außerdem findet man zwischen den Hyphen zylindrische bis keulige und ein- bis dreifach septierte, 4,5–14 µm breite Pileozystiden, die sich mit Sulfobenzaldehydreagenzien ebenfalls anfärben lassen. Die Hyphen enthalten reichlich vakuoläres rotes Pigment, Membranpigmente kommen nicht vor.[1]

Artabgrenzung

Verwechslungen sind besonders mit anderen rothütigen Täublingen wie dem Apfel-Täubling (Russula paludosa), gegebenenfalls auch mit dem Fleischroten Speise-Täubling (Russula vesca) möglich. Eine ebenfalls ähnliche und nah verwandte Art des Kirschroten Spei-Täublings ist der Hochgebirgs-Spei-Täubling (Russula nana).

Toxikologie

Der Kirschrote Spei-Täubling gilt allgemein als roh giftiger Pilz, die Giftstoffe sollen durch Kochen zerstört werden. Von seinem Verzehr ist dennoch abzuraten. Für die Wirkung verantwortlich sind harzige Inhaltsstoffe, die besonders bei empfindlichen Personen zu starken Magendarm-Beschwerden führen können (siehe Gastrointestinales Syndrom). Innerhalb von einer Stunde nach dem Verzehr des Pilzes können Bauchschmerzen, Brechdurchfälle und im Extremfall Krämpfe und Koma auftreten. Da kein spezielles Gegengift existiert, kann nur symptomatisch behandelt werden. Außerdem kann Aktivkohle zur Bindung der Giftstoffe aus dem Darm gegeben werden.[2]

Ökologie

Die Fruchtkörper erscheinen vom Sommer bis in den Spätherbst hinein. Bei dem Kirschroten Spei-Täubling handelt es sich um einen Mykorrhiza-Pilz, der in erster Linie mit verschiedenen Nadelbäumen, insbesondere mit Fichten und Kiefern, zusammenlebt. Da die Art allerdings in vielen Varietäten vorkommt, besiedelt sie durchaus auch andere Waldformen, so kann man einige Formen auch unter Rotbuchen und Birken beobachten. Weitere Lebensräume sind Moore, wo sie in der Regel im Torfmoos unter Nadelgehölz stehen. Das Myzel wächst vor allem in saurem und nassem Boden.

Verbreitung

Europäische Länder mit Fundnachweisen des Kirschroten Spei-Täublings.[3][4][5][6][7][8][9][10][11][12]
Legende:
  • Länder mit Fundmeldungen
  • Länder ohne Nachweise
  • keine Daten
  • außereuropäische Länder
  • Der Kirschrote Spei-Täubling ist fast weltweit verbreitet. Auch wenn er eine überwiegend holarktische Art ist, wurde er auch in Australien und in Südamerika (Kolumbien [var. lacustris Singer]) gefunden. Auf der Nordhalbkugel kommt er in Nord- und Mittelamerika (Kanada, USA, Mexiko und Costa Rica), in Nordasien (Kaukasus, Sibirien, Russland-Fernost, Japan, Nord- und Südkorea), Nordafrika und fast ganz Europa vor. Als meridional bis borealer Täubling findet man ihn im Süden von Spanien bis Rumänien, in Westeuropa von Frankreich über die Beneluxstaaten bis nach Großbritannien, in ganz Mitteleuropa und Fennoskandinavien. In Norwegen reicht das Verbreitungsgebiet bis zum Nordkap und in Schweden bis nach Lappland.[13][14]

    In Deutschland ist die Art von der Küste bis in die Nordalpen hinein lückig verbreitet, regional aber teilweise recht häufig.[15]

    Systematik

    Infragenerische Systematik

    Der Kirschrote Spei-Täubling ist die Typart der Untersektion Emeticinae (Syn.: Untersektion Russula) und zugleich auch die Typusart der Gattung Täublinge[16]. Die Untersektion enthält kleinere bis mittelgroße, zerbrechliche Arten mit roten oder rosa Hüten und weißem Sporenpulver. Die Täublinge schmecken sehr scharf und haben einen angenehmen, meist fruchtigen Geruch.

    Internationale Volksnamen

    GB: Sickener.
    FR: Russule émétique, émétique, Faux fayssé, Colombe rouge, Panarole rouge, Poivron.
    NL: Braakrussula.
    DK: Stor Gift-Skørhat.
    NO: Giftkremle.
    SE: Giftkremla.
    FI: Tulipunahapero.
    ES: Netorra proer, Pebrassa vermella, escaldabec. Pebrassa vermella
    PT: Escaldabec.
    IT: Colombina rossa.
    HU: Hánytató galambgomba, lomberdei változata, Nyírfa-galambgomba.
    SK: Plávka škodlivá, modrastolupenová Holubinka, vrhavka lesní, Holubinka vrhavka,.
    SI: Bljuvna golobica.
    RS: Bljuvara.
    RO: Scuipatul dracului, Stupitul satanei, Vineţica focului, Pâinişoară piperată..
    CZ: Holubinka vrhavka, Piktoji umede.
    PL: Gołąbek wymiotny.
    LV: Sīvā bērzlape.
    LT: Piktoji ūmėdė.
    EE: Kirbe pilvik.
    WA: Russule a vômi, Rodje russule, Russule rinådrece, Rodje russule, Russule émétique

    Quellen

    • Volkbert Kell: Giftpilze – Pilzgifte, Ziemsen Verlag, ISBN 978-3-89432-305-9.
    • A. Gminder und T. Böhning: Welcher Pilz ist das?, Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. KG. ISBN 3-440-10797-3.
    • T. R. Lohmeyer & Ute Künkele: Pilze. Parragon Books, ISBN 978-1-4054-8695-8.
    • Russula emetica. In: Mycobank (Fungal Nomenclature and Species Databank). International Mycological Association, abgerufen am 7. Februar 2014.
    • Henri Romagnesi: Les Russules d'Europe et d'Afrique du Nord. essai sur la valeur taxinomique et spécifique des caractères morphologiques et microchimiques des spores et des revêtements. Bordas, Paris 1967, S. 395 (französisch, online MycoBank [abgerufen am 7. Februar 2014]).
    • Russula emetica. In: Partial Russula species database des CBS-KNAW Fungal Biodiversity Centre. Abgerufen am 7. Februar 2014 (englisch, Sporenzeichnung und tabellarische Auflistung der makro- und mikroskopischen Merkmale (basierend auf H. Romagnesis "Les Russules d'Europe et d'Afrique du Nord")).
    • Alfred Einhellinger: Die Gattung Russula in Bayern. In: Bibliotheca Mycologica. 3. Auflage. Band 112. Berlin / Stuttgart 1994, ISBN 978-3-443-59056-7, S. 69.

    Einzelnachweise

    1. Josef Breitenbach, Fred Kränzlin (Hrsg.): Pilze der Schweiz. Beitrag zur Kenntnis der Pilzflora der Schweiz. Band 6: Russulaceae. Milchlinge, Täublinge. Mykologia, Luzern 2005, ISBN 3-85604-060-9, S. 164.
    2. GEO Themenlexikon: Medizin und Gesundheit: Diagnose, Heilkunst, Arzneien, Stichwort: Pilzmittel; Teil 3 / Band 11, ISBN 3-7653-9431-9.
    3. Cvetomir M. Denchev & Boris Assyov: Checklist of the larger basidiomycetes in Bulgaria. In: Mycotaxon. Band 111, 2010, ISSN 0093-4666, S. 279–282 (mycotaxon.com [PDF; 592 kB; abgerufen am 31. August 2011]).
    4. Z. Tkalcec & A. Mešic: Preliminary checklist of Agaricales from Croatia V:. Families Crepidotaceae, Russulaceae and Strophariaceae. In: Mycotaxon. 88 Jahr=2003, ISSN 0093-4666, S. 291 (online [abgerufen am 31. August 2011]). online (Memento des Originals vom 24. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cybertruffle.org.uk
    5. Karel Tejkal: www.myko.cz/myko-atlas – Russula emetica. In: www.myko.cz. Abgerufen am 6. Februar 2016 (cz).
    6. Weltweite Verbreitung von Russula emetica. (Nicht mehr online verfügbar.) In: data.gbif.org. Archiviert vom Original am 13. Dezember 2013; abgerufen am 19. August 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/data.gbif.org
    7. D.M. Dimou, G.I. Zervakis & E. Polemis: Mycodiversity studies in selected ecosystems of Greece: 4. (PDF; 599 kB) Macrofungi from Abies cephalonica forests and other intermixed tree species (Oxya Mt., central Greece). In: Mycotaxon 104 / mycotaxon.com. 2008, S. 39–42, abgerufen am 22. August 2011.
    8. Gordana Kasom & Mitko Karadelev: Survey of the family Russulaceae (Agaricomycetes, Fungi) in Montenegro. In: Warsaw Versita (Hrsg.): Acta Botanica Croatica. Band 71, Nr. (2), 2012, ISSN 0365-0588, S. 1–14 (versita.metapress.com [PDF]). versita.metapress.com (Memento des Originals vom 27. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/versita.metapress.com
    9. Petkovski S.: National Catalogue (Check List) of Species of the Republic of Macedonia. Skopje 2009.
    10. NMV Verspreidingsatlas | Russula emetica. In: verspreidingsatlas.nl. Abgerufen am 6. Mai 2012.
    11. Russula emetica in der PILZOEK-Datenbank. In: pilzoek.de. Abgerufen am 19. August 2011.
    12. T.V. Andrianova et al.: Russula emetica. Fungi of Ukraine. (Nicht mehr online verfügbar.) In: www.cybertruffle.org.uk/ukrafung/eng. 2006, archiviert vom Original am 27. November 2015; abgerufen am 2. Mai 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cybertruffle.org.uk
    13. Rapportsystemet för växter: Russula emetica. (Nicht mehr online verfügbar.) In: artportalen.se. Archiviert vom Original am 15. August 2012; abgerufen am 8. August 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.artportalen.se
    14. Rapporteringssystem for vekster: Russula emetica. (Nicht mehr online verfügbar.) In: artsobservasjoner.no. Archiviert vom Original am 24. März 2012; abgerufen am 8. August 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.artsobservasjoner.no
    15. German Josef Krieglsteiner (Hrsg.), Andreas Gminder, Wulfard Winterhoff: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 2: Ständerpilze: Leisten-, Keulen-, Korallen- und Stoppelpilze, Bauchpilze, Röhrlings- und Täublingsartige. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3531-0, S. 555.
    16. Russula Teil 5: Speitäublinge 29. Der Tintling 95, Ausgabe 4/2015, S. 29–38

    Weblinks

    Commons: Kirschroter Spei-Täubling (Russula emetica) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien