Kloster Weißenau

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Konventsgebäude
Klosteranlage im Landschaftsbild
Blick von vorne
Klosterkirche St. Peter und Paul

Das Kloster Weißenau (historisch auch Minderau, lat. Augia Minor) war ein reichsunmittelbares Chorherrenstift der Prämonstratenser wenige Kilometer südlich der ehemaligen Freien Reichsstadt Ravensburg in Oberschwaben. Es bestand von 1145 bis zur Säkularisation 1802/1803. Heute gehört es zum Ravensburger Ortsteil Eschach.

Geschichte

Gestiftet wurde das Kloster 1145 von Gebizo von Ravensburg, einem Ministerialen der Welfen. Die Besiedlung unter Propst Hermann I. erfolgte mit Chorherren aus dem Kloster Rot an der Rot. Der Grundstein der Kirche wurde 1152 gelegt und die vorläufige Weihe erfolgte 1163. Diese hochromanische Anlage hatte die Form einer dreischiffigen Basilika. Nachdem die Propstei 1257 zur Abtei erhoben wurde, erhielt sie 1283 von Rudolf von Habsburg eine Heiligblutreliquie, wodurch sich die wirtschaftliche Lage verbesserte. Die Reliquie, der das Kloster auch eine Erwähnung im Lohengrin verdankt, steht nach wie vor im Mittelpunkt des traditionellen Magdalenenfestes.

Anfang des 18. Jahrhunderts fiel die Entscheidung zu einem Neubau des Klosters. In Auftrag gegeben von Reichsprälat Leopold Mauch und geplant vom Konstanzer Baumeister Franz Beer von Blaichten erfolgte auch ein Neubau der Abteikirche in barockem Stil, der 1724 fertiggestellt wurde. Die Stuckarbeiten fertigte 1710 Franz Schmuzer.

Wie auch das Kloster Schussenried fiel Weißenau bei der Säkularisation zunächst an das Haus der Reichsgrafen von Sternberg-Manderscheid, dessen Erben 1835 die Grundherrschaften Schussenried und Weißenau für eine Million Gulden an das württembergische Königshaus verkauften. Infolge der Mediatisierung gehörte das Gebiet aber schon seit 1806 zum Territorium des Königreichs Württemberg.

Die erhaltenen Klostergebäude liegen heute auf dem Gebiet des Wohnorts Weißenau und gehören somit zur Ortschaft Eschach der Stadt Ravensburg. Die Territorial- und Grundherrschaft des Klosters erstreckte sich in erster Linie auf einzelne Dörfer und Weiler der heutigen Ortschaft Eschach wie Oberhofen und Untereschach. Auch die Pfarreien St. Christina, deren Kirche nahe der ehemaligen Ravensburg (heute Veitsburg) steht, und Bodnegg gehörten zum Kloster Weißenau.

Spätere Nutzung

Das ehemalige Konventgebäude wurde 1892 zu einer Heilanstalt umgebaut. Während des Dritten Reiches wurde die staatliche Anstalt Württembergs Zwischenanstalt für Patienten und Heimbewohner aus Göppingen, Rottenmünster und Winnental. Im Rahmen der „Aktion T4“ wurde im Jahr 1940 insgesamt 691 Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder durch die sogenannten „Grauen Busse“ der Gemeinnützigen Krankentransport GmbH (Gekrat) zur Vernichtung in die Tötungsanstalt Schloss Grafeneck transportiert.[1] Während dieser Zeit wurden dort auch Insassen aus politischen Gründen eingewiesen, darunter Theodor Roller.

Dort, in einigen weiteren ehemaligen Klostergebäuden und in umliegenden Neubauten ist heute das Zentrum für Psychiatrie Weißenau (Anstalt öffentlichen Rechts unter Gewährsträgerschaft des Lands Baden-Württemberg) untergebracht. Im nahen Rahlenhof, der ehemaligen Sommerresidenz der Weißenauer Äbte, wurde bis vor einigen Jahren eine zugehörige Fachklinik für abhängigkeitskranke Männer, später für Jugendliche betrieben. Heute wird der Rahlenhof vom Berufsbildungswerk Adolf Aich der Stiftung Liebenau benutzt, das dort eine Außenwohngruppe betreibt.

Der reich stuckierte Festsaal im Konventgebäude wird als Konzertsaal (300 Plätze) genutzt.

Eine im 19. Jahrhundert zunächst im Kloster eingerichtete Bleich- und Appreturfabrik bestand bis 2006 in weitläufigen Industriegebäuden in unmittelbarer Nähe des Klosters. 2006 wurde der Produktionsbetrieb eingestellt, Teile der Verwaltung sind jedoch weiterhin in Weißenau ansässig.

Klosterkirche

Innenansicht, Blick von der Empore nach Osten

Die barocke Klosterkirche St. Peter und Paul wird als Pfarrkirche der örtlichen römisch-katholischen Kirchengemeinde genutzt. Die Kirche mit ihrer opulenten Ausmalung und dem wertvollen barocken Chorgestühl ist eine Sehenswürdigkeit an der Oberschwäbischen Barockstraße.

Holzhey-Orgel

Die Orgel der Klosterkirche wurde 1787 von Johann Nepomuk Holzhey erbaut. Das denkmalgeschützte Instrument wurde zuletzt 1989 von der Orgelbaufirma Sandtner (Dillingen/Donau) umfassend restauriert. Die spätbarocke Orgel hat 41 Register auf drei Manualen und Pedal. Sie hat folgende Disposition:[2][3][4]

I Hauptwerk C–f3
Praestant 16′
Principal 8′
Copel 8′
Quintadena 8′
Gamba 8′
Viola[Anm. 1] 8′
Octav 4′
Flöten 4′
Nazard II 2′
Superoctav 2′
Sexqualter III–IV 3′
Cornet III [Anm. 2] 3′
Mixtur VI 2′
Trompet 8′
Claron 4′
II Positiv C–f3
Principal 8′
Rohrflöten 8′
Salicional 8′
Undamaris 8′
Flautravers[Anm. 2] 8′
Octav 4′
Holflöten 4′
Fugari 4′
Quint 3′
Hörnle II 2′ + 135
Cimbal V 2′
Fagott (B)[Anm. 3] 8′
Hautbois (D)[Anm. 2] 8′
III Echo C–f3[Anm. 4]
Nachthorn 8′
Dulciana 8′
Spizflöten 4′
Flageolet 2′
Cornet Resit IV[Anm. 2] 4′
Vox humana (B,D) 8′
Cromorn (B) 8′
Schalmei (D) 8′
Tremulant (D)
Pedal C–a0
Subbaß 16′
Oktavbaß 8′
Violonbaß 8′
Cornetbaß IV 4′
Bompard 16′
Trompet 8′
Claron 4′
  • Koppeln: Positiv-Cupl (II–I), Echo-Cupl (III–I), Tuttibaß (I–Pedal).
  • Anmerkungen:
  1. Schwebung.
  2. a b c d ab g0.
  3. bis fis0.
  4. C–fis0/g0–f3.

Siehe auch

Literatur

  • Hubert Krins: Festsaal und Abtei des Klosters Weißenau. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 6. Jg. 1977, Heft 4, S. 153–165. (PDF)
  • Peter Eitel (Hrsg.): Weissenau in Geschichte und Gegenwart. Festschrift zur 700-Jahrfeier der Übergabe der Heiligblutreliquie durch Rudolf von Habsburg an die Prämonstratenserabtei Weissenau. Thorbecke, Sigmaringen 1983, ISBN 3-7995-4020-2.
  • Ursula Riechert: Oberschwäbische Reichsklöster im Beziehungsgeflecht mit Königtum, Adel und Städten (12. bis 15. Jahrhundert). Dargestellt am Beispiel von Weingarten, Weissenau und Baindt. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986, ISBN 3-8204-8617-8 (zugl. Dissertation, FU Berlin 1984)
  • Helmut Binder (Hrsg.): 850 Jahre Prämonstratenserabtei Weissenau. 1145–1995. Thorbecke, Sigmaringen 1995, ISBN 3-7995-0414-1. (Rezension)
  • Siegfried Heim: Unsere Mutterpfarre Weißenau. In: Siegfried Heim (Red.), Heimatkundekreis Wolfurt (Hrsg.): Heimat Wolfurt. Zeitschrift des Heimatkundekreises. Nr. 17 (März 1996), Wolfurt 1996, S. 4–8. – Volltext online (PDF; 4,75 MB).
  • St. Peter und Paul, Weißenau. Schnell Kunstführer Nr. 151. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2004, ISBN 3-7954-4158-7.
  • Franz Schwarzbauer, Andreas Schmauder, Paul-Otto Schmidt-Michel (Hrsg.): Erinnern und Gedenken. Das Mahnmal Weißenau und die Erinnerungskultur in Ravensburg. 2007, ISBN 978-3-89669-625-0
  • Elke Wenzel: Die mittelalterliche Bibliothek der Abtei Weißenau. Peter Lang, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-631-32206-2
  • Arno Borst: Mönche am Bodensee. Libelle Verlag, Lengwil 2009, ISBN 978-3-905707-30-4

Einzelnachweise

  1. Landtag gedenkt in Ravensburg den NS-Opfern in der Schwäbischen Zeitung vom 27. Januar 2009. (nur noch Überschrift)
  2. Informationen zur Orgel auf der Website von Weißenau.
  3. Franz Lüthi: Die Holzhey-Orgel in der ehemaligen Abteikirche Weissenau. In: Bulletin der Orgelfreunde St. Gallen, 12, Nr. 3, 1994. S. 64ff. Online (PDF-Datei; 6,4 MB)
  4. Ravensburg/Weissenau – St. Petrus und Paulus – Hauptorgel und Truhenorgel – Orgel Verzeichnis – Orgelarchiv Schmidt. Abgerufen am 19. September 2021 (deutsch).

Weblinks

Commons: Kloster Weißenau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Kloster Weißenau – Quellen und Volltexte

Koordinaten: 47° 45′ 46,8″ N, 9° 35′ 45,6″ O