Österreichische Kolonialpolitik

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Vom Adria-Hafen Triest war schon 1776 die Österreichische Ostindische Handelskompanie zu kolonialen Erwerbungen nach Übersee gestartet. Auch spätere Expeditionsfahrten des 19. Jahrhunderts (wie die der Fregatte Novara) begannen in Triest.

Als österreichische Kolonialpolitik wird das Bestreben der Habsburgermonarchie bezeichnet, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Kolonien zu erwerben. In dieser Zeit konkurrierten die Habsburger mit ähnlichen Bestrebungen Dänemarks, Portugals, Spaniens, Großbritanniens und der Niederlande. Ihre Kolonialpolitik ließ sich in Umfang, Effektivität und letztlichem Misserfolg aber eher mit der Brandenburg-Preußens oder Kurlands vergleichen.

Triestiner Ostindische Handelskompanie

Träger der österreichischen Kolonialbestrebungen war die von Erzherzogin Maria Theresia gegründete Ostindische Handelskompanie in Triest, das 1719 zum Freihafen erklärt worden war. Ab 1776 fuhren ihre Schiffe unter der Flagge des von den österreichischen Habsburgern beherrschten Heiligen Römischen Reiches und unter dem Kommando des Holländers William Bolts (1738–1808), der zuvor für die Britische Ostindien-Kompanie tätig gewesen war.[1]

Ostafrika

Im März 1777 erreichten die Schiffe der Handelskompanie die Delagoa-Bucht (heute Maputo-Bucht, Mosambik) an der Südostküste Afrikas und erwarben von einem Anführer der Bewohner den Hafen des zuvor von der Niederländischen Ostindien-Kompanie verlassenen Gebietes. Eine kleine Befestigung mit zehn Mann wurde errichtet und zur österreichischen Kolonie erklärt, bevor die Schiffe in Richtung Indien weitersegelten. 1781 ging die Bucht an Portugal verloren.

1783 unterbreitete der Abenteurer Moritz Benjowski dem Wiener Hof den Vorschlag, Madagaskar unter österreichischer Flagge zu erobern, erhielt aber außer wohlwollenden Worten keinerlei finanzielle oder militärische Unterstützung für sein Unternehmen.

Südasien

Lage der Nikobaren (rot) im Golf von Bengalen

Bereits 1719 hatte die Ostender Kompanie (Österreichische Niederlande) erstmals Handelsfaktoreien in Bengalen errichtet, doch war die Kompanie auf niederländischen und britischen Druck 1731 aufgelöst worden.

Obwohl Dänemark Ansprüche auf die Nikobaren erhoben hatte, erwarben die Schiffe der Triester Handelskompanie im Jahr 1778 von den Einheimischen einige Nikobaren-Inseln (Nancowry, Camorta, Trinket, Katchal und Teressa, benannt nach Maria Theresia) und erklärten auch sie zu österreichischen Kronkolonien. An der indischen Malabarküste wurden neue Faktoreien errichtet. Sechs Österreicher wurden auf den Nikobaren als Posten zunächst zurückgelassen.

Ende der Kolonialpolitik

Österreichische Handels-, Marine- und Kolonialflagge (bis 1786)

Im Jahr 1783 löste Maria Theresias Nachfolger Kaiser Joseph II. unter dem Druck der Seemächte und in Ermangelung einer zum Schutz der Kolonien nötigen vergleichbaren eigenen Kriegsflotte die Triester Handelskompanie auf. Der zuletzt stockende und wegen der starken ausländischen Konkurrenz erschwerte Handel wurde eingestellt. 1784 bzw. 1785 überließ Österreich auch formal seine Ansprüche auf die Nikobaren den Staaten Dänemark bzw. Großbritannien. Portugal hatte inzwischen den Stützpunkt in der Delagoa-Bucht besetzt.

Begriffskritik

Ob es sich bei der Delagoa-Bucht und den vier Nikobaren-Inseln tatsächlich um mit den anderen Seemächten oder Handelskompanien vergleichbare Kolonien gehandelt hat, ist angesichts der kurzen Herrschaft und marginalen Präsenz umstritten. Zumindest handelte es sich nicht um nichtstaatlichen Privatbesitz oder reine Handelsfaktoreien. Erheblich komplizierter ist die Anwendung des Begriffs „Kolonie“ für den späteren Status Bosnien-Herzegowinas, Norditaliens oder der nicht unmittelbar zum Reich gehörenden Außenbesitzungen der österreichischen Habsburger.

Die Österreichischen Niederlande, obwohl bis 1795 zum Reichsgebiet gehörend, scheinen von Wien nach der Auflösung der Ostender Kompanie eher als potenzielles Tauschobjekt denn als integraler Bestandteil der Hausmacht gesehen worden zu sein. Das den Österreichern nach dem Ende des Alten Reiches und dem Abschluss des Wiener Kongresses in Norditalien verbleibende Königreich Lombardo-Venetien versuchte Kaiser Franz I., dauerhaft mit den übrigen Ländern des Kaisertums Österreich zu verbinden. (Nach dem Sardinischen Krieg musste Kaiser Franz Joseph I. 1859 die Lombardei stattdessen an Frankreich bzw. Piemont abtreten. Die französische Kaiserin Eugénie soll ihren Gemahl Napoleon III. damals gedrängt haben, Österreich für die Lombardei mit Ägypten zu entschädigen, worauf das Gerücht aufkam, ein französisches Geschwader sei diesbezüglich bereits nach Ägypten entsandt worden. Weder aber konnte der französische Kaiser Länder vergeben, die er nicht besaß, noch hätte Österreich eine überseeische Kolonie ohne starke Kriegsflotte gegen die Rivalität Englands behaupten können. Aus ähnlichen Gründen beteiligte sich Österreich auch nicht an der französischen Intervention in Mexiko, womit Eugénie Österreich für Venetien zu entschädigen wünschte.[2])

Die 1878 okkupierten und dann gemäß den Übereinkünften des Berliner Kongresses unter die Militärverwaltung Österreich-Ungarns gestellten osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina befanden sich weiterhin nominell unter der Oberhoheit des Sultans des Osmanischen Reiches. Nach der 1908 erfolgten auch formalen Annexion und damit verbundenen Eingliederung in die k.u.k. Monarchie wurde Bosnien-Herzegowina keinem der beiden Reichsteile unterstellt, sondern über das gemeinsame Finanzministerium verwaltet.

Aktivitäten im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Konzessionsgebiete in Tientsin

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unternahm die österreichische Marine erneut einige Entdeckungsfahrten, die auch der Sondierung kolonialer Expansionsmöglichkeiten dienten. Ziele waren:

Die damit verbundene österreichische Kanonenbootpolitik führte jedoch nicht zum Erfolg.

Nach der Teilnahme an der Niederschlagung des Boxeraufstands besaß Österreich-Ungarn zwischen 1901 und 1917 ein etwa 60 Hektar großes Konzessionsgebiet in der chinesischen Stadt Tianjin (veraltet: Tientsin).

Siehe auch

Literatur

  • Verlag Ploetz (Hrsg.): Ploetz. Große Illustrierte Weltgeschichte in 8 Bänden. Band 6: Die außereuropäische Welt bis 1945. Freiburg/Würzburg 1984, S. 175.
  • Dietmar Stübler: Italien 1789 bis zur Gegenwart, Seite 18. Akademie-Verlag, Berlin 1987
  • Alexander Randa: Österreich in Übersee. Herold, Wien 1966.
  • Walter Sauer: Habsburg Colonial: Austria-Hungary's Role in European Overseas Expansion Reconsidered. In: Austrian Studies, Vol. 20, Colonial Austria: Austria and the Overseas (2012), S. 5–23, doi:10.5699/austrianstudies.20.2012.0005.
  • Walter Sauer (Hg.): k. u. k. kolonial: Habsburgermonarchie und europäische Herrschaft in Afrika. 2., unveränderte Auflage. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2007, ISBN 978-3205993575.
  • Franz Kotrba: k.u.k. in Ostafrika: Die Habsburgermonarchie im „Scramble for East Africa“ (= Studien zum südlichen Afrika. Band 13). Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika (SADOCC), Wien 2015, ISBN 9783901446153.
  • Stefan Meisterle: Die koloniale Ostindienpolitik des Wiener Hofes in den Jahren 1775–1785. In: Wiener Geschichtsblätter, 62/4 (2007), S. 17–29.
  • Stefan Meisterle: Unsere Delagoa Bay. Die k.k. Niederlassung an der Küste von Moçambique. In: INDABA 54/07, S. 20–24.
  • Stefan Meisterle: Von Coblon bis Delagoa: Die kolonialen Aktivitäten der Habsburgermonarchie in Ostindien. Dissertation, Universität Wien, 2014. Digitalisat bereitgestellt durch Universität Wien.
  • Gerald Schlag: Koloniale Pläne Österreich-Ungarns in Ostafrika im 19. Jahrhundert. In: Abenteuer Ostafrika. Der Anteil Österreich-Ungarns an der Erforschung Ostafrikas, hg. v. Amt der Burgenländischen Landesregierung, Eisenstadt 1988, S. 171–186.
  • Florian Ambach: Baumwolle, Elfenbein und Glasperlen. Perspektiven österreichischer Reisender auf die Errichtung eines „informal empire“ im Sudan des 19. Jahrhunderts. In: historia.scribere. Nr. 13, 2021, ISSN 2073-8927, S. 203–231, doi:10.15203/historia.scribere.13.629.

Einzelnachweise

  1. siehe auch en:William Bolts
  2. E. A. Reinhardt: Napoleon der Dritte und Eugenie - Tragikomödie eines Kaisertums, Seiten 240 und 260f. Fischer Verlag, Berlin 1930.

Weblinks