Labor für Impulstechnik

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Labor für Impulstechnik

Rechtsform GmbH
Gründung 1. Juli 1952
Auflösung 1. Oktober 1968
Sitz Paderborn
Mitarbeiterzahl 580 (1967)
Umsatz 52 Mio. DM (1967)

Das Labor für Impulstechnik (LFI) wurde 1952 in Essen von Heinz Nixdorf gegründet und war das Vorgängerunternehmen der Nixdorf Computer AG.

Geschichte

Als Werkstudent beim amerikanischen Büromaschinenhersteller Remington Rand Corp. in Frankfurt am Main angestellt, lernte Heinz Nixdorf die Entwicklung von digitalen Schaltkreisen für Multiplikations- und Saldierwerke kennen. Jedoch verfolgte die Unternehmensleitung das Projekt nicht weiter, der Marktwert der Rechenmaschine wurde nicht erkannt, woraufhin Nixdorf, der das Marktpotential erkannte, sein Konzept eines Elektronenrechners auf Rundfunkröhrenbasis mehreren Großunternehmen in Nordrhein-Westfalen vorstellte. Bei den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE) stieß Nixdorf auf Interesse und Vertrauen, so dass er mit einem Entwicklungsauftrag in Höhe von 30.000 D-Mark ausgestattet wurde und am 1. Juli 1952 das Labor für Impulstechnik gründete. Die RWE stellte zu Anfang die Räumlichkeiten.

Datei:Heinz Nixdorf RWE Essen 1952.JPG
Heinz Nixdorf an seinem Arbeitsplatz im Rheinisch Westfälischen Elektrizitätswerk in Essen, 1952.

Um das Projekt bewältigen zu können, stellte Nixdorf zum 1. September 1952 seinen ersten Mitarbeiter, einen gut ausgebildeten Radio- und Fernsehtechniker, ein. Noch 1952 konnte der erste Elektronenrechner auf Rundfunkröhrenbasis – bezeichnet als ES – für die Buchhaltung der RWE ausgeliefert und im folgenden Jahr Weiterentwicklungen – ES 12 und ES 24 – betrieben werden. Die Innovations- und Expansionsphase des jungen Unternehmens verlief in großen Schritten, so dass das LFI sich vom Produzenten von Rechenmaschinen für die RWE AG in den 1950er Jahren schnell zum Zulieferer elektronischer Rechenwerke für bedeutende Büromaschinenhersteller wie die Exacta Büromaschinen GmbH – ab 1963 Wanderer-Werke – in Köln und die Compagnie des Machines Bull in Paris entwickelte. Aufgrund von Platzmangel war Nixdorf 1954 gezwungen, in 300 Meter Entfernung zum RWE-Haus weitere Arbeitsräume, das LFI beschäftigte bereits zehn Techniker, anzumieten. 1958 stellte Nixdorf einen Entwicklungsingenieur ein. Bis dahin hatte der Unternehmensgründer alle Entwicklungsarbeiten selbst ausgeführt. Stetig wurden neue Elektronenrechner entwickelt, wie der elektronisch multiplizierende Buchungsautomat Multitronic 6000 für Exacta, von dem zunächst 50 Stück geplant waren, jedoch 2.000 Stück produziert wurden oder der 1963 vorgestellte Wanderer Conti, der einst der weltweit erste Tischrechner mit eingebautem Drucker war. 1965 folgte die von Wanderer vertriebene Logatronic, den das LFI 1967 zum Nixdorf-Universalcomputer 820 weiterentwickelte. Die rasche Expansion des Unternehmens brachte es mit sich, dass bereits 1957 erste Räume in Nixdorfs Geburtsstadt Paderborn an der Kasseler Mauer angemietet wurden. Ein Jahr später zog Nixdorf mit dem gesamten Unternehmen von Essen nach Paderborn um und das erste Werksgebäude wurde 1961 an der Pontanusstraße errichtet, in dem heute das Technische Rathaus der Stadt Paderborn untergebracht ist. 1967 sah Nixdorf die Möglichkeit, nicht mehr nur als Zulieferer zu fungieren, sondern den Vertrieb der Produkte selbst in die Hand zu nehmen. So wurden erste Geschäftsstellen gegründet und das LFI zeigte durch die Errichtung eines zweiten Betriebswerkes in Berlin Präsenz. Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geriet das Unternehmen 1968 mit dem Kauf und der Übernahme des größten Kunden, den Wanderer-Werken in Köln.

Innovative Produkte

  • 1952: ES - Erster deutscher Elektronenrechner auf Röhrenbasis, der zum Anschluss an elektromagnetische Lochkarten geeignet war.[1] Damit ist das LFI der älteste deutsche Hersteller von elektronisch arbeitenden Rechnern.
  • 1955: Elektronenmultiplizierer EM 22 – Mit Hochvakuumröhren aufgebautes Rechenwerk zur Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division von Zahlen, die aus Lochkartenfeldern in die Register des EM 22 übernommen wurden. Eingesetzt wurde die EM-Modelle insbesondere von Elektrizitätswerken, um so Monatsrechnungen für die Kunden erstellen zu können: Ohne Multiplikation (Verbrauch mal Verbrauchertarif) und Addition eines Festwertes (Zählermiete) wäre dies nicht möglich gewesen.
  • 1959: Multitronic – Erster Buchungsautomat auf dem Weltmarkt mit elektronischer Multiplikationseinrichtung.
  • 1962: Conti – Weltweit erster Tischrechner mit eingebautem Drucker.
  • 1963: Gamma 172 – Anstelle der voluminösen und Wärme erzeugenden Röhren, wie noch bei der ES und EM, wurde bei der Gamma 172 Transistortechnologie eingesetzt. Die Rechengeschwindigkeit bei Multiplikation und Division betrug konstant 25 Millisekunden.
  • 1965: Logatronic – Die Logatronic kennzeichnet den Beginn der Mittleren Datentechnik und war zugleich Grundlage für die Vorreiterrolle des LFI und später der Nixdorf Computer AG in diesem Segment. Erstmals war der EDV-Einsatz für kleine und mittlere Unternehmen zu einem vertretbaren Preis-Leistungs-Verhältnis möglich.[2]
  • 1967: Nixdorf 820 – Weiterentwicklung der Logatronic zum Magnetkontencomputer sowie zu Datenerfassungssystemen und Online-Terminals. Durchbruch am EDV-Markt für das LFI.[3]

Das LFI erzielte im Jahr 1967 in Deutschland einen Marktanteil im Bereich Computer der Preisklasse zwischen 25.000 D-Mark und 100.000 D-Mark von mehr als 60 %. Der Umsatz betrug 1967 52 Mio. D-Mark.[4]

Das Nachfolgeunternehmen Nixdorf Computer AG

Mit dem Erwerb der Wanderer-Aktien und somit den Wanderer-Werke, der Kaufpreis betrug 17,2 Millionen D-Mark, besaß Nixdorf nicht mehr nur leistungsfähige Entwicklungs- und Produktionsabteilungen, sondern er verfügte zugleich auch über eine eigene Vertriebsstruktur. Mit der Aktienübernahme bei Wanderer durch Nixdorf im April 1968 erfolgte zum 1. Oktober desselben Jahres der Zusammenschluss zwischen den ehemaligen Wanderer-Werken und dem Labor für Impulstechnik zur Nixdorf Computer AG (NCAG) mit Sitz in Paderborn.

Literaturverzeichnis

  • Berg, Christian, Heinz Nixdorf. Eine Biographie, (Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Bd. 82), Schoeningh, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2016, ISBN 978-3-506-78227-4.
  • Klaus Kemper: Heinz Nixdorf – eine deutsche Karriere. Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech 1986, ISBN 3-478-30120-3; Neuauflage 2001.
  • Heinz Nixdorf - Lebensbilder. Heinz Nixdorf Stiftung, Paderborn 2004 (im Heinz Nixdorf MuseumsForum zu erwerben)
  • Geschäftsbericht der Nixdorf Computer AG von 1968; Archiv des Heinz Nixdorf MuseumsForums.

Einzelnachweise

  1. Ulrich Fritsch: Die neue Dimension. Zukunftsstrategien internationaler Top-Manager. Düsseldorf / Wien 1986, S. 138: „1952 gründete Heinz Nixdorf in Essen das „Labor für Impulstechnik“: Hier entwickelte er im Auftrag der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) ein System zur Automatisierung des Rechnungswesens. Mit weiteren innovativen Entwicklungen setzte das ‚Labor für Impulstechnik‘, das 1958 von Essen nach Paderborn umzog, wesentliche Akzente für die internationale Büromaschinenindustrie.“
  2. Rechner für Amerika. In: Der Spiegel. Nr. 41, 1968, S. 57 (online). „Im Vergleich zu den Großrechnern der Firmen IBM, RCA, Siemens und AEG (Preis: bis zu zwei Millionen Mark) ist Nixdorfs Gerät ein Jedermann-Computer. Als eine Art weiterentwickelte Fakturier- und Buchungsmaschine kann er von kleinen und mittleren Firmen voll ausgenutzt werden. … Die großen Konkurrenten bauen ihre teuren Anlagen an zentraler Stelle auf, zu denen die ganze Papierflut eines Konzerns geschleust werden muß, um ausgewertet werden zu können. Nixdorfs Gerät hingegen ist als sogenannte Daten-Endstelle (terminal) entwickelt, die schon beim Buchhalter alle Rechnungsvorgänge erfaßt.“
  3. Im Kleinen groß. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1971, S. 68 (online). „1952 hatte Heinz Nixdorf nach dem Studium der Physik und der Betriebswirtschaft sich mit einem kleinen Labor für Impulstechnik selbständig gemacht. Die Zahl seiner Mitarbeiter wuchs auf 50 bis 1961 und auf 580 im Jahr 1967, seither aber auf rund 5000. Der Umsatz stieg während der letzten fünf Jahre um tausend Prozent auf 263 Millionen Mark. Diesen steilen Kurs verdankt das Unternehmen vor allem dem Geschäft mit dem kleinen Universal-Rechner „Nixdorf 820“, der zur Zeit zwischen 30 000 und 200 000 Mark kostet und damit zu den billigsten Geräten auf dem Markt zählt.“
  4. Geschäftsbericht der Nixdorf Computer AG 1968, S. 5–7.

Koordinaten: 51° 42′ 52,6″ N, 8° 43′ 31,8″ O