Pflegschaft

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Die Pflegschaft ist ein Rechtsinstrument des deutschen Zivilrechts, geschaffen, um bei konkretem Bedarf einer oder mehrerer natürlicher Personen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der für den oder die Betroffenen handeln kann, wenn diese selbst nicht in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen, beziehungsweise ein bereits vorhandener gesetzlicher Vertreter (z. B. wegen eines Insichgeschäftes) von der Vertretung ausgeschlossen ist.

Den Pflegschaftsarten ist der Fürsorgecharakter gemein. Es soll Sorge dafür getragen werden, dass die Rechte des Betroffenen durch einen Pfleger wahrgenommen werden. Ein gerichtlich bestellter Pfleger ist in dem Bereich, für den er bestellt wurde – seinem Aufgabenkreis – der gesetzliche Vertreter des Betroffenen.

In Deutschland ist die Pflegschaft grundsätzlich in den §§ 1909 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt.

Geschichte

Die Pflegschaft (lat. cura) hat ihren Ursprung im römischen Recht. Sie galt für gewaltfreie Personen und war vorgesehen für Geisteskranke (furiosi), für Verschwender (prodigi) und viel später für mündige Minderjährige (minores). Regelungen für Geisteskranke und entmündigte Verschwender fanden sich bereits in den frührepublikanischen XII Tafeln.[1] Sie standen in der Gewalt ihrer Agnaten und Gentilen (cura legitima). Die Regelungen waren ähnlich zu denen der Vormundschaft (tutela) ausgestaltet. In Ermangelung eines curator legitimus bestellte der Stadtprätor den Pfleger (curator honorarius). Die Pflegschaft für Minderjährige wurde stets vom Magistraten bestimmt.[2]

Der Pfleger sollte die Nachteile ausgleichen, die sich im Interessenskreis des Pfleglings ergaben. Rechtsgeschäfte von unter Pflegschaft stehenden Personen bedurften zur Wirksamkeit der Genehmigung des Pfleger, denn bis dahin waren sie schwebend unwirksam.

Begriffsabgrenzung

Im Gegensatz zur Betreuung, welche einem volljährigen Betroffenen einen Betreuer und vom Sinn und Zweck her unbefristet in ganzen Lebensbereichen (Vermögenssorge, Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge usw.) zur Seite stellt, gilt eine Pflegschaft für einen klar umrissenen Sachverhalt oder Zeitraum (beispielsweise eine Vermögens- oder Gesundheitssorge bis zur Volljährigkeit), für den eine Pflegerbestellung notwendig wird (evtl. sogar nur für die Abgabe einer einzigen Willenserklärung, wie z. B. bei einem bestimmten Vertragsschluss, oder die Vertretung in einem bestimmten gerichtlichen Verfahren).

Arten

Der Oberbegriff Pflegschaft umfasst die im Gesetz jeweils einzeln geregelten Fälle der

Als Amtspflegschaft wird eine der obigen Pflegschaften für Minderjährige (und Leibesfrüchte) bezeichnet, wenn das Jugendamt zum Pfleger bestellt wurde (§ 1791b in Verbindung mit § 1915 BGB, §§ 55 ff. SGB VIII). Eine Vereinspflegschaft ist in der gleichen Art eine Pflegschaft, die von einem zur Führung von Vormundschaften und Pflegschaften anerkannten Verein (§ 54 SGB VIII) gemäß § 1791a BGB in Verbindung mit § 1915 BGB geführt wird. Das Jugendamt bzw. der Verein haben die tatsächliche Wahrnehmung der Pflegschaftsaufgaben auf einen oder mehrere Mitarbeiter zu übertragen.

Für die Pflegschaft gelten die Vorschriften über die Vormundschaft entsprechend (§ 1915 BGB), so dass grundsätzlich das Familiengericht für die Anordnung und Führung der Pflegschaften zuständig ist. Eine Pflegschaft für eine volljährige Person ist jedoch durch das Betreuungsgericht anzuordnen (§ 341 FamFG), eine Nachlasspflegschaft ausschließlich durch das Nachlassgericht (§ 1962 BGB).

Entschädigungsansprüche von Pflegern

Pflegschaften werden grundsätzlich ehrenamtlich, also unentgeltlich geführt. In diesem Falle steht dem Pfleger nur ein Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB), ggf. in pauschalierter Form von zurzeit (seit August 2013) jährlich 399 Euro zu (§ 1835a BGB, § 22 JVEG). Dies gilt auch für Verfahrenspflegschaften (§ 277 FamFG). Sofern die berufliche Führung der Pflegschaft in dem Bestellungsbeschluss festgestellt wird, hat der Pfleger auch einen Vergütungsanspruch nach den §§ 1 bis 3 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Von den dort genannten Stundensätzen (zwischen 19,50 und 33,50 Euro, ggf. zuzüglich Umsatzsteuer) kann nach § 1915 BGB abgewichen werden. Die Stundensätze steigen zum 27. Juli 2019 um 17 % auf 23 bis 39,50 €.

Literatur

  • Werner Bienwald: Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrecht in der sozialen Arbeit. 3. neubearbeitete Auflage. Decker & Müller, Heidelberg 1992, ISBN 3-8226-0892-0, (Praktische Sozialarbeit).
  • Helga Oberloskamp (Hrsg.): Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft für Minderjährige. 2. vollständig überarbeitete Auflage. Beck, München 1998, ISBN 3-406-43927-6.

Anmerkungen

  1. Wolfgang Kunkel, Heinrich Honsell, Mayer-Maly, Walter Selb: Römisches Recht (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft), Springer-Verlag, 4. Auflage 1987, S. 430.
  2. Heinrich Honsell: Römisches Recht. 7. Auflage. Springer, Zürich 2010, ISBN 978-3-642-05306-1, S. 186.