Festschrift
Als Festschrift (auch Festgabe oder Liber Amicorum) bezeichnet man eine Publikation aus festlichem Anlass. Die erste Festschrift der Welt erschien mit den Beiträgen vieler deutscher Dichter 1640 in Leipzig anlässlich des zweihundertsten Jubiläums der Erfindung der Buchdruckerkunst. Herausgegeben wurde sie von Gregor Ritzsch.
Bibliothekwesen
Im Bibliothekswesen herrscht der akademische Begriffsgebrauch vor, der als Festschrift gewöhnlich die einem Gelehrten gewidmete Sammlung von Aufsätzen ansieht. Die Beiträge zu dieser Art von Veröffentlichung werden meist von Schülern, Freunden oder Fachkollegen zu einem runden Geburtstag des Geehrten verfasst. Den Beiträgen wird sehr oft eine Würdigung des Geehrten mit Foto und sein möglichst komplettes Schriftenverzeichnis beigefügt. Daher gelten sie als eine wichtige Quelle der Wissenschaftsgeschichte.
Die Frage, zu welchen Anlässen eine Festgabe erstellt werden soll, wird unterschiedlich beantwortet. Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer gab unter Initiative von H. P. Ipsen eine Empfehlung heraus, Festschriften erst ab dem 70. Geburtstag zu veröffentlichen, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Vor dem 60. Geburtstag werden dennoch nur selten Festschriften herausgegeben, und oft wird ein solcher Sammelband aus Anlass der Pensionierung bzw. Emeritierung eines Forschers von seinen Schülern und Freunden publiziert. Manche Wissenschaftler werden auch mit mehreren solcher Festgaben geehrt, so wurde für Rudolf von Laun zu dessen 65., 70., 80. und 90. Geburtstag eine Festschrift veröffentlicht.
Der Brauch, zum 50-jährigen Doktorjubiläum eine Festschrift zu veröffentlichen, ist hingegen nicht mehr in Mode. Die nach dem Tod einer Person erscheinenden Festschriften werden als Gedenk- oder Gedächtnisschriften bezeichnet. Gelegentlich wird auch die Sammlung eigener Aufsätze des Geehrten mit dem Titel Festschrift geschmückt. Neben expliziten Festschriften können Werke auch eine Widmung enthalten. Üblicherweise werden Festschriften in feierlichem Rahmen vorgestellt, manchmal wird ihre Erstellung dabei vor der zu ehrenden Person geheimgehalten, so dass sie als Überraschung erscheint.
Eher ungewöhnlich sind Festschriften, die ganz oder teilweise aus an den Empfänger der Festschrift gerichteten Grußworten oder Briefen befreundeter Personen bestehen; auch eigens zu diesem Anlass geschaffene Kunstwerke oder literarische Texte können hier abgebildet werden.[1]
Festschriften wurden und werden häufig als Subskriptionen veröffentlicht, die Namen der Subskribenten oder Spender werden dann meist als "Tabula Gratulatoria" der Festschrift vorangestellt. Auf diese Weise können sich auch Personen an der Ehrung des Empfängers bzw. der Empfängerin beteiligen, die keinen Beitrag für die Festschrift verfasst haben. Solche Namensverzeichnisse sind ebenfalls eine wissenschaftsgeschichtliche Quelle, da sie auch Verbindungen der geehrten Person aus dem nicht-wissenschaftlichen oder privaten Bereich dokumentieren.
Nicht nur Personen, sondern auch Institutionen werden zu ihren Jubiläen durch Festschriften geehrt. So erschien z. B. eine vierbändige Festschrift aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Bundesgerichtshofs und eine Festschrift zum 225-jährigen Jubiläum des Verlags C.H. Beck.
Im angloamerikanischen Raum begegnet man auch in englischsprachigen Publikationen mitunter der deutschen Bezeichnung Festschrift. Im Englischen heißen Festschriften ansonsten oft Essays in honor of …
Außerhalb der Wissenschaft wird der Begriff Festschrift oft auch ganz allgemein für Publikationen zu einem festlichen Anlass verwendet, beispielsweise einem Vereins- oder Firmenjubiläum, der Einweihung eines neuen Gebäudes usw. Mit einer akademischen Festschrift haben diese Publikationen nur gemeinsam, dass sie zu einem bestimmten Ereignis erscheinen, ihr Inhalt kann ganz unterschiedlicher Natur sein. Sie richten sich zudem auch meist an ein breiteres Publikum.
Kritik
Die Herausgabe von Festschriften ist umstritten. Unbestritten enthalten die Sammlungen zwar oftmals wichtige Forschungsbeiträge, als Kritik werden aber fehlende Selektivität und vor allem die oft starke Heterogenität der Beiträge angeführt. Manche Autoren „recyclen“ beispielsweise Aufsätze, die zuvor von Zeitschriften abgelehnt worden sind. Andererseits wird kritisiert, dass Fachzeitschriften auf diese Weise Aufsätze entzogen würden, was angeblich zur Folge hat, dass diese Aufsätze in Bibliotheken schlechter verfügbar seien als Zeitschriften.
Auch Festschriften, die lediglich aus Nachdrucken von eigenen Publikationen der geehrten Person bestehen, werden oft kritisch gesehen, da sie keinen eigenen wissenschaftlichen (Neuheits-)Wert darstellen und dazu beitragen können, einen veralteten Forschungsstand weiterzutragen. Auch zur ursprünglichen Veröffentlichung abweichende Seitenzahlen bei den in einer solchen Festschrift wieder abgedruckten Aufsätzen sind kritisch zu sehen, da sie beim Zitieren zu Verwirrung führen können. Die Verwendung oft erheblicher finanzieller Mittel für solche Nachdrucke gilt als problematisch, wenn sie der Publikation aktueller wissenschaftlicher Arbeiten entzogen werden.
Gerade im Falle von Festschriften, bei denen die geehrte Person das Rentenalter noch nicht erreicht hat, sondern noch im Vollbesitz der ihr durch ihre Position verliehenen Macht ist, wird überdies kritisiert, dass sich die Herausgeber und Autoren mitunter Karrierevorteile zu verschaffen suchen.
Satire
In seinem satirisch angelegten Roman Die Festschrift sieht der Germanist und Linguist Werner Zillig die Arbeit an solch einer Publikation äußerst kritisch.[2]
Nachweis
Dem bibliographischen Nachweis der unselbständigen Literatur, die in Festschriften veröffentlicht wird, dient die Internationale Jahresbibliographie der Festschriften (IJBF), die mit einem Datenbestand ab 1986 inzwischen als kostenpflichtige Datenbank von K. G. Saur angeboten wird.
Literatur
- Ute Wardenga und Eugen Wirth: Geographische Festschriften – Institution, Ritual oder Theaterspielen? In: Geographische Zeitschrift. Jahrgang 1995, Heft 1.
- Helmuth Schulze-Fielitz: Wissenschaftliche Publikationen ehrenhalber. Über Festschriften zum 65. Geburtstag, Symposien und Ausgewählte Abhandlungen. In: Die Verwaltung (Berichte und Kritik.) 1996, S. 565–574.
- Ingo von Münch: Das Festschriftwesen und -unwesen. In: Neue Juristische Wochenschrift. Jahrgang 2000, Heft 44, S. 3253.
- Benjamin Lahusen: FS Festschrift. In: myops Nr. 4 (2008), S. 64 ff.
Weblinks
- Hinweise zur Kritik an Festschriften
- Nachweise von Online-Festschriften
- Hinweise zum Bibliographieren von Festschriften
Einzelnachweise
- ↑ So z. B. die zweibändige Festschrift für den Archivar Franz-Josef Heyen, deren erster Band ausschließlich Briefe und persönliche Erinnerungen befreundeter Personen enthält: Johannes Mötsch (Hrsg.): Ein Eifler für Rheinland-Pfalz. Mainz 2003.
- ↑ Werner Zillig: Die Festschrift. Ein Roman. Klöpfer & Meyer, Tübingen 2004. ISBN 978-3-937667-00-3