Militärattaché

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Luftwaffenattaché)
Datei:Karl-Wilhelm Bollow.jpg
Karl-Wilhelm Bollow, deutscher Militärattaché (links) mit Mel Williams, Jr. nach Unterzeichnung eines Dokuments (2010)

Ein Militärattaché (in Deutschland und der Schweiz auch: Verteidigungsattaché) ist ein Offizier, der an eine Auslandsvertretung entsandt wurde, Diplomatenstatus besitzt und für militärische Belange zuständig ist.

An großen Auslandsvertretungen können seinem Stab Attachés der Teilstreitkräfte und für Wehrtechnik zugeteilt sein (Heeresattaché, Luftwaffenattaché, Marineattaché, wehrtechnischer Attaché).

Aufgaben und Tätigkeiten

Militärattachés repräsentieren ihren Minister und ihre Streitkräfte im Gastland. Dabei ist er zugleich Berater des Botschafters in allen Belangen der Militär- und Verteidigungspolitik, des Entwicklungsstandes der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie des Gastlands sowie mit diesen Bereichen verbundenen Themen. Er führt Analysen und Lagebeurteilungen durch, nimmt an Konferenzen und Truppenbesichtigungen teil und ist Ansprechpartner für eigene Streitkräfte vor Ort.

Die Grenzen zwischen der Wahrnehmung der Interessen im Gastland und unerlaubter Tätigkeit, insbesondere auch Spionage, sind klar geregelt. Nachrichtendienstliche Tätigkeit der Militärattachés wäre ein unfreundlicher Akt. Dass die Beobachtung des Militärs des Gastlands gleichwohl zu Erkenntnissen im Sinne der Aufklärung und Erstellung eines Lagebildes führt, ist ebenso selbstverständlich wie die Beobachtung und Analyse der politischen Prozesse des Gastlands.[1]

An vielen Botschaften sind die Militärattachés für mehrere Länder in Haupt- und Nebenakkreditierung zuständig.

Nationales

Deutschland

In Deutschland ist ein Militärattaché der Leiter des Militärattachéstabs; er kann auch als Verteidigungsattaché bezeichnet werden. Ihm zugeteilt sind gegebenenfalls, Heeres-, Luftwaffen-, Marine- oder Wehrtechnische Attachés. In den Anfangsjahren der Entwicklung der Institution militärischer Attachés, ab etwa 1820 bis zum Teil in die Jahre kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die mit ihrem Auftrag verbundene Funktion auch als Militärbevollmächtigte oder Militärbeauftragter bezeichnet.[2]

Die Militärattachés werden während ihres Einsatzes vom Bundesministerium der Verteidigung zum Auswärtigen Amt abgeordnet und von diesem an die betreffende deutsche Botschaft entsandt. An deutschen Botschaften mit Militärattachés ist eine Arbeitseinheit Militärattachéstab, die vom Verteidigungsattaché geführt wird, eingerichtet. An den fünf deutschen Groß-Botschaften (Washington, London, Paris, Moskau und Peking) ist diese Arbeitseinheit eine Abteilung. Neben dem Verteidigungsattaché wird einem Militärattachéstab mindestens noch ein Unteroffizier mit Portepee als Büroleiter sowie zumeist ein Fremdsprachenassistent zugeordnet. Militärattachéstäbe gibt es nicht an allen Botschaften.

Deutsche Militärattachés sind zudem ein Mittel der Nachrichtengewinnung. Sie analysieren dabei mediale Veröffentlichungen innerhalb ihrer Expertise und führen Gespräche mit Angehörigen der Streitkräfte des Gastlandes, so dass sie über Stimmungen im Gastland sicher berichten können. Diese Tätigkeit ist deutlich zu trennen von nachrichtendienstlicher Erkenntnisgewinnung (Nachrichtenbeschaffung). Eine weitere Aufgabe ist die Beratung von Interessenten für Arbeit und Dienst bei der Bundeswehr. In allen Angelegenheiten des Bundesministeriums der Verteidigung berichtet er diesem direkt.

Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr wählt in einer gemeinsamen Konferenz mit Teilnehmern des Auswärtigen Amtes die Militärattachés nach Kriterien aus, die auf das Anforderungsprofil eines Diplomaten und Repräsentanten Deutschlands im Ausland ausgerichtet sind. Die Leitungsebene des Bundesministeriums der Verteidigung bestätigt diese Auswahl. Die designierten Militärattachés erhalten eine 17-wöchige Fachausbildung, deren Inhalte eng mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt sind. Je nach Gastland und individuellen Sprachkenntnissen findet eine bis zu zwei Jahren dauernde Sprachausbildung, meist beim Bundessprachenamt in Hürth, statt. Militärattachés sind grundsätzlich Stabsoffiziere der Bundeswehr (wenige nach A 14, die überwiegende Anzahl nach A 15 und A 16 besoldet). Die „großen“ Militärattachéstäbe bei den Botschaften in Washington, London, Paris, Moskau und Peking werden von je einem Brigadegeneral oder Flottillenadmiral (Besoldungsgruppe B 6 BBesG) geführt. Neben den Soldaten gibt es auch bis zu 17 zivile Dienstposten als Wehrtechnische Attachés, die mit Beamten (Besoldungsgruppe A 13–A 16, Technischer Regierungsrat, Technischer Oberregierungsrat, Technischer Regierungsdirektor oder Leitender Technischer Regierungsdirektor) besetzt werden.

In das Ausland versetzte Angehörige der Bundeswehr (wie andere an Botschaften tätige Beamte) erhalten für ihren Dienst neben den Inlandsdienstbezügen nach dem Bundesbesoldungsgesetz Auslandsdienstbezüge (evtl. auch Auslandskinderzuschlag und Mietzuschuss). Dienstposteninhaber mit erhöhtem Repräsentationsaufwand erhalten darüber hinaus eine Aufwandsentschädigung. Daneben können ein Kaufkraftausgleich (siehe u. a. Weblink) und Reisebeihilfen für Familienheimfahrten gewährt werden.

Die Fachaufsicht über den deutschen Militärattachédienst hat das BMVg, Abteilung SE I 4, bundeswehrspezifische Belange werden im Auftrag des BMVg durch das Streitkräfteamt wahrgenommen. Grundsätzlich unterstehen die Angehörigen der Militärattachéstäbe sowohl dem Auswärtigen Amt und somit dem Botschafter als auch dem BMVg. Sie sind damit zugleich Angehörige des Auswärtigen Amts und des BMVg.

Zurzeit sind in rund 130 Ländern deutsche Militärattachés akkreditiert. An 65 Botschaften sind knapp 200 deutsche Soldaten und Wehrtechnische Attachés eingesetzt.[3] Durch 71 Nebenakkreditierungen sind Attachés in insgesamt 140 Ländern präsent.

Österreich

Derzeit werden zu über 40 Staaten direkte militärdiplomatische Beziehungen gepflegt. Umgekehrt sind in Österreich etwa 60 ausländische Militärattachés aus über 45 Staaten akkreditiert.[4] Die Attachés stehen unter Kommando der Abteilung Militärdiplomatie (MilDipl) der Direktion für Sicherheitspolitik (DionSihPol) direkt unter dem Generalstab (GStb) und unterstehen als Beamte dem österreichischen Verteidigungsministerium. Ihren Dienst verrichten sie an den österreichischen Botschaften (die dem Außenministerium unterstehen), zunehmend für die europäischen Nachbarländer auch als Rovingattaché mit Sitz in Wien und auf Dienstreisen.

Siehe auch

Literatur

  • Deutscher Bundestag: 18. Wahlperiode (Hrsg.): Militärattachédienst an den deutschen Botschaften. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 18/5084. 9. Juli 2015. BT-Drs. 18/5519
  • Generalmajor a. D. Werner Weisenburger: Der Militärattachédienst der Bundesrepublik Deutschland – heute wichtiger denn jemals zuvor. In: Zu Gleich – Zeitschrift der Artillerietruppe und der Streitkräftegemeinsamen Taktischen Feuerunterstützung. Nr. 2, 2018, S. 7–10.
  • Reinhard Bettzuege: Der Deutsche Militärattachédienst – Von den Anfängen der Bundeswehr bis heute. TUDpress, Dresden 2001, ISBN 978-3-938863-34-3 (d-nb.info [PDF; abgerufen am 26. Mai 2019] Dissertation).
  • Robert O. Kirkland: Observing our 'Hermanos de Armas'. US military attachés in Guatemala, Cuba, and Bolivia, 1950–1964. Routledge, New York u. a. 2003, ISBN 0-415-94784-7.

Einzelnachweise

  1. Die Leitung der Botschaft und die einzelnen Abteilungen. Militärattachéstab. In: Deutsche Botschaft Peking. Auswärtiges Amt, 15. November 2021, abgerufen am 20. April 2022.
  2. Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 186.
  3. Heike Pauli: 50 Jahre Zentralkonferenz der deutschen Militärattachés. In: Aus der Sicherheitspolitik. Bundesministerium der Verteidigung, 28. April 2011, abgerufen am 21. Dezember 2013.
  4. Österreichs Bundesheer: Wechsel des Doyen beim ausländischen Militärattaché-Korps, Wien, 6. April 2010