Lusail
Lusail (auch als Lusail City bezeichnet; arabisch لوسيل, DMG
) ist ein Urbanisierungsprojekt nördlich der Stadt Doha, der Hauptstadt von Katar, in der Gemeinde ad-Daʿayan.
Geschichte und Planung
Die Planstadt wird auf einer bisher kaum bebauten rund 35 Quadratkilometer großen Wüstenfläche beginnend am West Bay Complex Canal im Nordosten Dohas errichtet. Die Fläche erstreckt sich sieben Kilometer nördlich an der Küste und verläuft bis fünf Kilometer landeinwärts. Auf diesem Areal sollen einmal 200.000 Menschen leben, weitere 170.000 Menschen arbeiten und schließlich 80.000 Besucher und Touristen untergebracht werden. Der so entstehende urbane Komplex übersteigt mit 450.000 Menschen die derzeitige Einwohnerzahl Dohas. Nach Beendigung der Wasserbauten wird die verbleibende Landfläche des Projekts jedoch auf 21 Quadratkilometer geschrumpft sein.
Dazu wurden seit 2007 bereits umfangreiche Landbewegungen vorgenommen. Die neue Lagunenstadt wird aus großen Landblöcken und Wasserflächen, inneren verbindenden Kanälen und einigen mittelgroßen vorgelagerten Inseln bestehen. Auch hier wird von den Planern wieder, ähnlich der südlich bereits realisierten künstlichen Insel The Pearl, großer Wert auf möglichst viele Grundstücke mit unmittelbarem oder möglichst nahem Küsten- bzw. Uferanschluss gelegt.
Im Gegensatz zu der eigens im Vorküstensockel rund zwei bis vier Kilometer südlicher aufgespülten Inselgruppe The Pearl wird Lusail City jedoch aus dem natürlich gewachsenen Küstenabschnitt „herausmodelliert“. Die neuen Wasserflächen werden von der Küste ausgehend nach innen (Westen) aus dem Wüstenland herausgebaggert, so dass sich die vorgelagerten stehengelassenen und mit dem Aushub zum Teil erhöhten Flächen und neuen Inseln auf natürlich gewachsenem Untergrund befinden, was deren Standsicherheit und Wasserlinienfestigkeit erhöht und kostengünstiger ist.
Das Projekt wird vom staatlich kontrollierten Developer „Qatari Diar Real Estate Investment Company“ entwickelt und in mehreren Phasen vermarktet. Ihr Konzept geht davon aus, dass eine solche Retortenstadt nur nachgefragt wird, wenn es gelingt, die wichtigsten städtischen Funktionen ausgewogen und bedarfsgerecht gemischt unterzubringen. Die Planer haben vor, dort große (auch staatliche) und kleinere verwaltende Firmen sowie Handelsbetriebe und Einzelhandel, besucheranziehende Freizeiteinrichtungen, ein Theater, Sportstätten und Erholungsflächen, Bildungseinrichtungen, Freizeithäfen und wassernahe luxuriöse Hotels in einen lebendigen urbanen Zusammenhang zu bringen. Nach Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 an Katar wird in Lusail mit dem Lusail Iconic Stadium das größte Stadion errichtet. Dazu kommen etwa 22 Hotels, die bis 2022 zur Verfügung stehen. Abgerundet werden diese zentralen Einrichtungen durch einen außenliegenden Kranz von Wohnquartieren auf vorwiegend niedrig bebauten, begrünt aufgelockerten Flächen mit Eigenheimen und Appartementhäusern sowie einer quartierbezogenen sozialen Infrastruktur und attraktiven Freizeitflächen.
Die Stadt soll insgesamt rund 350 mittelhohe Hochhäuser bekommen, davon sollen vier sehr hohe Wolkenkratzer (70 bis 80 Stockwerke) in zentraler Lage das Hafengebiet Waterfront überkrönen.
Baufortschritt
Mitte 2013 war das Projekt bereits weit fortgeschritten: Die immensen Landgestaltungsarbeiten und Wasserbauten waren nahezu abgeschlossen, vor allem die wassernahen Flächen und Inseln der künftigen Entertainment City; allerdings werden einige der künftigen Lagunenflächen noch ungeflutet abgesperrt, um die inneren Erschließungen und den Bauverkehr besser abwickeln zu können. Als erstes Bauvorhaben konnte am 1. Juni 2011 die südlich gelegene Marina eröffnet werden.
Nach neuesten Planungen soll die Infrastruktur, mit Ausnahme der öffentlichen schienengebundenen Verkehrsangebote, im Wesentlichen bis 2015 fertiggestellt sein, so dass die privaten Investoren und staatlichen Bauträger Zeit genug haben, bis zum Großereignis Fußballweltmeisterschaft 2022 bereits viele der Hochbauten zu errichten. Die endgültige Vollendung dieses sehr ehrgeizigen Großprojekts dürfte sich dann bis in die 2030er Jahre hinziehen.
Distrikte und Funktionszuordnungen
Die Gesamtanlage ist in zehn funktional orientierte Distrikte gegliedert:
- Marina, die inländisch am großen Kanal liegenden Hafenbuchten,
- Entertainment City, eine 100 Hektar große Inselfläche mit Veranstaltungsbauten aller Art,
- Corporate Office Park, ein flachgebauter Komplex für Firmenniederlassungen,
- Fox Hills wird das zentrale Tagungszentrum aufnehmen,
- Waterfront als markanter festländischer Hochhausstandort zur Küstenseite vorgesehen,
- Boulevard nimmt die zentrale Einkaufsfunktion mit einem Einkaufszentrum auf,
- Palm Allees werden die weiter außen liegenden hochrangigen Wohnquartiere genannt,
- Golf, der Golfplatz mit umlaufender gehobener Villenbebauung und Golfresorts,
- Island Resorts sind luxuriöse Touristenhotels auf einigen vorgelagerten Inseln,
- Corniche, die Inseln mit Yachthafen werden mit Brücken verbunden als Flanierstrecke ausgebaut.
Nachhaltigkeitskonzept
Hierzu blieben die Ankündigungen eher vage, konkrete Zusagen zu umweltrelevanten Daten, zur Energiebilanz usw. sind noch nicht bekannt. Erkennbar ist der Wille, die neue Stadt nach fortschrittlichen Standards auszuführen. So sollen z. B. die Hochbauten unterschiedlichen Nachhaltigkeitskategorien zugeordnet werden, wobei die höchsten Kategorien bevorzugt gefördert werden sollen.
Verkehrskonzept
Lusail wird mit Schienenverkehr, über Straßen und über Wasser erreichbar sein. Die Straßenanbindung folgt den landesüblichen großzügigen Schnellverkehrswegen, die Flächenverteilung wird ebenso mit breit angelegten Boulevards erfolgen. Ruhender Verkehr im Zentrum wird an vier Knotenpunkten in unterirdische Parkflächen mit zusammen rund 7000 Stellplätzen verwiesen.
Im Zuge des großzügigen Schienenverkehrskonzepts für Doha wird Lusail mit U-Bahn und S-Bahn erreichbar sein. Für den innerstädtischen Nahverkehr ist ferner ein Straßenbahn-System vorgesehen.[1] Auf einer Gesamtlänge von 33 Kilometern sollen ab 2018 insgesamt vier Linien in Betrieb gehen. Anfang 2014 gewann ein Konsortium unter Beteiligung des französischen Konzerns Alstom die Ausschreibung für die Errichtung des Streckennetzes. Als Fahrzeuge sind insgesamt 35 Triebwagen des Typs Citadis vorgesehen.
Lusail soll auch aus seiner wasserumgebenden Lage Nutzen ziehen: Wassertaxis für Lasten und Personen könnten einen erheblichen Teil des Verkehrs abwickeln.
Kritik
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte 2018 prekäre und ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Lusail. Arbeitsmigranten sollen von der Baufirma Mercury Mena seit 2016 systematisch Löhne vorenthalten worden sein. Laut der Baufirma seien dafür unzuverlässige Geschäftspartner verantwortlich.[2]
Weblinks
- Internetseite von Lusail (englisch)
- Lusail City – Development Profile (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Blickpunkt Straßenbahn Ausgabe 4/2014, S. 132: Katar.
- ↑ Fußball-WM: Amnesty weist erneut auf unhaltbare Zustände in Katar hin. In: derstandard.at. 26. September 2018, abgerufen am 11. Oktober 2019.
Koordinaten: 25° 30′ N, 51° 29′ O