Mikrosystem (Technik)

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Ein Mikrosystem ist ein miniaturisiertes Gerät, eine Baugruppe oder ein Bauteil, dessen Komponenten kleinste Abmessungen im Bereich von 1 Mikrometer haben und als System zusammenwirken.

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Größenvergleich zwischen einer Milbe und einem Mikrosystem. Ohne Skala.

Üblicherweise besteht ein Mikrosystem aus einem oder mehreren Sensoren, Aktoren und einer Steuerungselektronik auf einem Substrat bzw. Chip. Dabei bewegt sich die Größe der einzelnen Komponenten im Bereich von wenigen Mikrometern. Die Abgrenzung ist dabei zu den Nanosystemen zu sehen, welche sich eine weitere Größenordnung darunter befinden.

Die Mikrosystemtechnik ist die Lehre von der Entwicklung der Mikrosysteme und von den Techniken zu deren Realisierung.

Begriff

Hinsichtlich des Begriffs Mikrosystem gibt es in der englischsprachigen Literatur keine einheitlichen Begriffe. Die einfache Übersetzung

micro systems

wird kaum genutzt (wenn, dann im europäischen Raum). Verbreiteter sind die aus den USA stammenden Begriffe

microelectromechanical systems

und

microoptoelectromechanical systems

beziehungsweise ihre griffigen Abkürzungen MEMS und MOEMS. In asiatischen (vorrangig japanischen) Veröffentlichungen findet sich hingegen auch die „erweiterte“ Bezeichnung

micromachines

.

Allgemeiner Aufbau

Mikrosysteme basierten früher auf der Halbleiterelektronik, damals war das Grundmaterial (Substrat) in der Regel Silizium, aber auch Galliumarsenid. Die Mikroelektronik beschränkt sich auf elektrische Komponenten wie Transistoren (CPU) und Kondensatoren (RAM). Heute können Mikrosysteme auch preiswert aus Kunststoffen hergestellt werden, und die Ergebnisse im Bereich Materialforschung werden für multifunktionale Systeme genutzt. In der Mikrosystemtechnik sind die Möglichkeiten der Halbleiter-Werkstoffe erweitert um mechanische, optische, chemische und/oder biologische Komponenten und Funktionen.

Vorteile

Mikrosysteme bieten gegenüber konventionellen „Makrosystemen“ vor allem Vorteile in der Kostenersparnis (geringer Verbrauch an Werkstoffen, Parallel-Fertigung) und in der Effizienz (geringer Energie- und Leistungsbedarf ermöglicht autonome Systeme). Zudem bieten sie ein großes Funktionsspektrum, hohe Funktionsdichten, neue Funktionalität (Integration elektrischer und nichtelektrischer Funktionen). Durch die Integration und Miniaturisierung können „neue“ physikalische Effekte ausgenutzt werden, und die kurzen Informationswege führen zu kurzen Reaktionszeiten. Außerdem haben sie meist eine höhere Zuverlässigkeit als konventionelle Systeme, vor allem durch den Wegfall von Steckern und Kabeln.

Anwendungsgebiete

Datei:Two microgrippers.jpg
Mikromechanische Greifarme eines Nanomanipulationssystems

Der Einsatz von Mikrosystemen ist überall dort denkbar und sinnvoll, wo Sensoren/Aktoren und Elektronik zusammenarbeiten. Medizinprodukte sowie Produkte aus den Bereichen Sicherheitstechnik, Sport, Biowissenschaften und Logistik können mit Hilfe von Mikrosystemen vielseitiger, einfacher, intelligenter, kleiner und leistungsfähiger werden. Ein bekanntes Beispiel eines Mikrosystems aus der Forschung ist der noch nicht kommerziell erhältliche Millipede-Speicher von IBM (Stand April 2018).

Inertialsensoren

Eines der größten Anwendungsbereiche sind Inertialsensoren (Beschleunigungs- und Drehsensoren). In nahezu allen Smartphones sind ein oder mehrere Sensoren verbaut. Sie werden schon lange in Großserie gefertigt und werden unter anderem für die Auslösung von Airbags, für die Erkennung des freien Falles von Festplatten (für mobile Anwendungen) – sie erkennen hier, ob sich ein Gerät im freien Fall befindet, so dass der Lesekopf noch während des Sturzes in Parkposition gesetzt werden kann – oder als Lageerkennung in digitalen Fotokameras, Handhelds und modernen Eingabegeräten für Spielkonsolen genutzt. Ebenso werden sie in Foto- und Videokameras zur Realisierung mechanischer Bildstabilisatoren eingesetzt, um ein Verwackeln von Bildern zu vermeiden. Auch im Bereich ferngesteuerter Modelle werden die Sensoren in Form von Stabilisationssystemen eingesetzt.

Optische Aktoren

Optische Anwendungen für Mikrosysteme sind beispielsweise Bausteine in Videoprojektoren, die zur Darstellung von Bildern genutzt werden (siehe Mikrospiegelaktor).

Mikrofluidik

Beispiele für Mikrosysteme aus der Mikrofluidik sind Bubble-Jet-Druckköpfe moderner Drucker oder Kunststoff-Lab-on-a-Chip-Systeme mit integrierten Ventilfunktionen. Mikroelektrische-Fluidsysteme sind in der Literatur auch als MEFS (engl. 'microelectrofluidic systems') bekannt.[1]

Mikrofone

Es gibt Kondensatormikrofone in Mikrosystemtechnik (englisch MEMS microphone), bei denen die die elektrische Kapazität ändernde Mikromembran direkt auf den Silizium-Wafer geätzt wird. Wenn die Ausleseelektronik mit einem Vorverstärker und einem Analog-Digital-Wandler direkt neben der Membran auf dem Wafer in einer anwendungsspezifischen integrierten Schaltung (ASIC) integriert wird (meist als Bauteile in CMOS-Technik) und das Mikrofon somit einen digitalen Ausgang besitzt, werden solche Geräte auch als digitale Mikrofone bezeichnet. Solche Mikrofone werden von Anbietern wie zum Beispiel von InvenSense (Sparte von Analog Devices gekauft[2]), Infineon, NXP Semiconductors, Omron oder STMicroelectronics angeboten. Wegen der geringen Abmessungen, der geringen Leistungsaufnahme, der guten Abschirmung von Störsignalen und der kostengünstigen Produktion werden diese Mikrofone zunehmend in kleinen mobilen Geräten eingebaut, wie beispielsweise Smartphones, Headsets, Hörgeräten oder Kameras.[3][4]

Oszillatoren

Ein weiteres Anwendungsgebiet sind MEMS-Oszillatoren als platzsparender Ersatz für Quarzoszillatoren. Solche MEMS-Oszillatoren werden von den Herstellern wie zum Beispiel SiTime oder SiliconLabs angeboten.

Lautsprecher

Ein noch relativ junger Anwendungsbereich für Mikrosysteme sind Lautsprecher. Erst in den vergangenen Jahren wurde die MEMS-Technologie für Lautsprecher verstärkt in die Betrachtung gezogen, obwohl bereits in den 1990er Jahren an Lautsprechern auf Basis der MEMS-Technologie geforscht wurde. Der erste piezoelektrische MEMS-Lautsprecher wurde im Jahr 1995 von Lee et al. vorgestellt. Weitere Ansätze stammen von Harradine et al. im Jahr 1996 mit einem elektrodynamischen MEMS-Lautsprecher sowie von Loeb et al. im Jahr 1999 mit einem zum Patent angemeldeten elektrostatischen MEMS-Lautsprecher. Seit den frühen 2000er Jahren forschen verschiedene Institute der Fraunhofer-Gesellschaft an Lautsprechern auf MEMS-Basis. Das Fraunhofer ISIT und Fraunhofer IPMS verfolgen innerhalb verschiedener Forschungsprojekte unterschiedliche technologische Ansätze, wobei das Fraunhofer IDMT als Entwicklungspartner für die Signalansteuerung der MEMS-Lautsprecher zuständig ist. Erste MEMS-Lautsprecher sind bereits auf dem Markt erhältlich und werden u. a. durch die Firma U-Sound vertrieben. Fokussiert werden vorerst insbesondere Anwendungsgebiete wie In-Ear-Kopfhörer, Hörgeräte .[5][6] Ein weiteres Anwendungsgebiet von MEMS-Lautsprechern stellen sogenannte Audio-Brillen dar, um das Audiosignal über die Luft zu übertragen und nicht über den Weg der Knochenschallleitung.[7]

Marktübersicht

Laut dem 8. Bericht Status of the MEMS Industry von Yole Développement existierten 2012 ca. 350 MEMS entwickelnde oder produzierende Unternehmen für ca. 200 verschiedene Anwendungen. Damals wurde erwartet, dass der MEMS-Markt laut Yole bis 2019 durchschnittlich im Volumen um 20 % und im Umsatz um 13 % pro Jahr auf 24 Mrd. US-Dollar wachsen würde.[8][9] Tatsächlich betrug der Marktumfang 2020 12,1 Mrd. US-Dollar mit einer erwarteten Entwicklung auf 18,2 Mrd. US-Dollar im Jahr 2026.[10]

Erwähnenswert sind hier vor allem bei den sogenannten integrierten Herstellern Texas Instruments, Hewlett-Packard, Infineon, Broadcom, Robert Bosch GmbH, Qorvo, Goermicro (Goertek), Knowles, TDK als auch Auftragsfertiger (Foundry) wie z. B. STMicroelectronics.[10]

Siehe auch

Literatur

  • Lars Voßkämper: Automatisierung im MEMS Entwurf: Kohärente Layoutsynthese und Modellbildung von skalierbaren mikroelektromechanischen Strukturen. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-04923-7.
  • James B. Angell, Stephen C. Terry Phillip W. Barth: Silicon Micromechanical Devices. In: Scientific American. 248, Nr. 4, April 1983, S. 44–55.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Cornelius T. Leondes (Hrsg.): MEMS/NEMS Handbook – Techniques and Application. 2006, ISBN 0-387-24520-0.
  2. Invensense Buys ADI's MEMS Mic Unit vom 15. Oktober 2013
  3. MEMS microphone. In: ITWissen.info. Abgerufen am 20. Januar 2022.
  4. St. John Dixon-Warren: Overview of MEMS microphone technologies for consumer applications, MEMS Journal, abgerufen am 14. August 2012.
  5. In-Ear-Speaker. Abgerufen am 4. Dezember 2019.
  6. MEMS basierte Kopfhörer – Fraunhofer IPMS. Abgerufen am 4. Dezember 2019.
  7. heise online: Schicke Audiobrille für komfortable Telefoncalls. Abgerufen am 10. November 2020.
  8. Yole Développement, E. Mounier: Future of MEMS: a Market & Technologies Perspective. Oktober 2014, archiviert vom Original am 18. April 2017; abgerufen am 21. Januar 2022.
  9. Digikey, Artikel Bibliothek: MEMS-Sensoren: Anhaltende Nachfrage für Innovationsanwendungen
  10. a b STATUS OF THE MEMS INDUSTRY - MARKET UPDATE 2021. Yole Developpement, 2021, abgerufen am 20. Januar 2022.