Maria-Adelheid (Luxemburg)
Marie-Adelheid von Nassau-Weilburg (französisch Marie-Adélaïde Thérèse Hilda Wilhelmine de Luxembourg) (* 14. Juni 1894[1] auf Schloss Berg in Luxemburg; † 24. Januar 1924 auf Schloss Hohenburg bei Lenggries/Bayern) war von 1912 bis 1919 Großherzogin von Luxemburg sowie Herzogin von Nassau. Ihre vermeintliche Unterstützung der deutschen Besetzung Luxemburgs während des Ersten Weltkriegs führte zu ihrer Unpopularität in Luxemburg sowie in Frankreich und Belgien. Sie dankte im Januar 1919 zu Gunsten ihrer jüngeren Schwester Charlotte ab, wurde danach Nonne in Italien, musste das Klosterleben aber aufgrund ihrer schlechten Gesundheit aufgeben und starb 1924 im Alter von 29 Jahren.
Abstammung und Jugend
Prinzessin Marie-Adelheid wurde als erste der sechs Töchter des Erbgroßherzogs Wilhelm IV. von Luxemburg und der Infantin Maria Anna von Portugal geboren. Während ihr Vater Protestant war, gehörte ihre Mutter dem katholischen Glauben an. Wie ihre fünf Schwestern wurde Marie-Adelheid katholisch erzogen.
Da abzusehen war, dass mangels männlichen Nachwuchses sämtliche Linien des Gesamthauses Nassau nach seinem Ableben aussterben würden, schaffte Wilhelm IV. 1907 mit Zustimmung des Parlaments das in Luxemburg gültige Salische Recht ab, um seine älteste Tochter zur Thronfolgerin ausrufen zu können. Diese Neuregelung war nicht unumstritten, da es Erbansprüche von Graf Georg von Merenberg auf die luxemburgische Krone gab, die dieser vehement, aber letztlich vergeblich vertrat.
Weil Wilhelm IV. von einer schweren Krankheit, einer schleichenden Lähmung, gezeichnet war, wurde seine Gemahlin Maria Anna am 13. November 1908 zur Regentin des Großherzogtums bestimmt. Maria Anna kümmerte sich aber vor allem um ihren kranken Ehemann. Sie vertraute Gouvernanten die Erziehung ihrer Töchter an, die auf den Schlössern Berg und Hohenburg aufwuchsen und von vielen Tanten besucht wurden, aber nur selten Kontakt zu anderen Kindern, insbesondere jenen der die großherzoglichen Güter betreuenden Gärtner, hatten.
Die schüchterne, bisweilen aber auch eigensinnige Marie-Adelheid unternahm gern ausgedehnte Spaziergänge, sammelte in einer Hütte, die im Park von Schloss Hohenburg lag, Schmetterlinge, Käfer und Schnecken und pflegte einige Zeit drei Bären, die später dem Münchner Zoo übereignet wurden. Sie hatte dunkelblaue Augen und hellbraunes Haar. Im Oktober 1911 reiste sie mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Charlotte zur Hochzeit Zitas mit dem späteren österreichischen Kaiser Karl I., woraufhin sie nach der Aussage ihrer Mutter verkündete, dass sie ledig bleiben und eine Nonne werden wolle. Auf Schloss Berg fand sie dann in der lebhaften Gräfin Anna Montgelas eine neue Spielgefährtin.
Großherzogin
Auch nach dem Tod ihres Vaters Wilhelm IV. am 25. Februar 1912 führte die Großherzogin Maria Anna die Regentschaft noch einige Monate bis zur Volljährigkeit Marie-Adelheids am 18. Juni 1912 weiter. Diese zog bei ihrem Regierungsantritt von der Bevölkerung begeistert empfangen in die luxemburgische Hauptstadt ein und legte den Eid auf die Verfassung ab. Mit Marie-Adelheid gab es erstmals seit dem 1296 geborenen Grafen Johann dem Blinden wieder einen innerhalb des Landes geborenen luxemburgischen Herrscher, worauf der sie vereidigende Präsident der Abgeordnetenkammer, Auguste Laval, in seiner dabei gehaltenen Ansprache eigens hinwies.
Der seit 1888 die luxemburgische Politik maßgeblich beeinflussende Staatsminister und Regierungspräsident Paul Eyschen unterstützte die tief religiös und zur eifrigen Katholikin gewordene 18-jährige Großherzogin loyal. Bald kam es zu schweren innenpolitischen Konflikten, denn anders als ihre unmittelbaren Vorgänger versuchte Marie-Adelheid aktiv in die Regierungsgeschäfte einzugreifen und empfand alle diesbezüglichen Akte als ernste Gewissensentscheidungen. So unterzeichnete sie 1912 ein neues Schulgesetz, das auf starken Widerstand der katholischen Kirche stieß, erst nach einigem Zögern. Dieses Verhalten trug ihr Kritik von Seiten liberaler und sozialistischer Abgeordneter der politischen Linken ein.
Anfang 1913 besuchte Marie-Adelheid u. a. Venedig, Florenz, Rom und Neapel. Kurz danach reiste sie zu ihrem ersten offiziellen Staatsbesuch des Großherzogs Friedrich II. von Baden. Im Juni 1913 stattete sie dem belgischen König Albert I. und ein halbes Jahr später der niederländischen Königin Wilhelmina eine Visite ab. An eine Heirat dachte sie indessen nicht.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Luxemburg trotz seiner Neutralität seit dem 2. August 1914 von deutschen Truppen besetzt. Obwohl Marie-Adelheid dagegen offiziell protestierte, erhielt sie von keinem anderen Land Unterstützung. Sie musste auch den Deutschen Kaiser Wilhelm II., als dieser von Ende August bis Ende September 1914 sein Hauptquartier in Luxemburgs Hauptstadt aufschlug, auf sein Verlangen hin offiziell empfangen, was ihr später den Verdacht einer deutschfreundlichen Haltung eintrug. Während des Kriegs widmete sie sich mit ihrer Mutter und ihren Schwestern u. a. persönlich der Krankenpflege und leitete das Luxemburgische Rote Kreuz.
Die luxemburgische Industrie hatte in erster Linie der Kriegsführung der Mittelmächte zu dienen; Lebensmittelrationierungen erwiesen sich infolge der allgemeinen Versorgungskrise als notwendig. Widerstand gegen die deutschen Okkupanten wurde gewaltsam niedergehalten, doch konnte Marie-Adelheid verhindern, dass Exekutionen Oppositioneller erfolgten.
Paul Eyschen starb im Oktober 1915, woraufhin es zu neuen innenpolitischen Auseinandersetzungen kam. Die Großherzogin stützte sich nun auf ein konservatives Kabinett unter Führung des seit dem 6. November amtierenden Staatsministers und Regierungspräsidenten Hubert Loutsch, der jedoch in der Abgeordnetenkammer keine Mehrheit besaß. Diese hatten vielmehr die linken Parteien inne, die u. a. die Rationierungsmaßnahmen der Regierung ablehnten. Nachdem Marie-Adelheid das Parlament am 23. Dezember 1915 hatte auflösen lassen, verlor die Linke zwar bei den darauffolgenden Neuwahlen, verfügte aber noch immer über eine knappe Majorität. Die Kammer entzog der Regierung Loutsch das Vertrauen, die daraufhin zurücktreten musste. Dem aus Konservativen, Liberalen und Sozialisten bestehenden neuen Kabinett, das am 24. Februar 1916 seine Regierungstätigkeit aufnahm, stand Victor Thorn vor. In der Folge verzichtete die Großherzogin auf die weitere Ausübung der ihr zustehenden Prärogative, hatte aber dennoch politische Attacken und Verleumdungskampagnen zu ertragen.
Im Herbst 1916 reiste Marie-Adelheid zum Schloss Königstein im Taunus, um kurzzeitig ihre kranke Großmutter väterlicherseits, Adelheid Marie von Anhalt-Dessau, zu besuchen, an deren Begräbnis sie einen Monat später teilnahm. Deshalb wurde sie wiederum von oppositionellen Politikern der Deutschfreundlichkeit beschuldigt. Inflation und Hungersnot steigerten sich unterdessen in Luxemburg derart, dass im Dezember 1916 der Landwirtschaftsminister Michel Welter zu Fall kam und bald danach die gesamte Regierung. Neuer Staatsminister wurde am 19. Juni 1917 Léon Kauffman, der ein liberal-konservatives Kabinett leitete. Die Nahrungsmittelknappheit und andere durch den Krieg verursachte Probleme blieben aber bestehen. Mit dem seit dem 28. September 1918 als Nachfolger Kauffmans fungierenden Émile Reuter verstand sich die Großherzogin sehr gut. Kurz darauf ging der Erste Weltkrieg zu Ende.
Abdankung und spätere Jahre
Nach dem Abzug der Deutschen war Luxemburg zeitweilig von US-amerikanischen und französischen Truppen besetzt. Der amerikanische General John J. Pershing kam am 20. November 1918 in Luxemburg an und wurde von Marie-Adelheid empfangen. Die Großherzogin sah sich wieder durch Gegner der Monarchie, die von manchen alliierten Mächten unterstützt wurden, u. a. wegen ihres früheren Empfangs Kaiser Wilhelms II. mit dem Vorwurf einer prodeutschen Haltung konfrontiert, während in der Bevölkerung alle Sympathien für Deutschland erloschen waren. Die der Monarchin unterstellte Deutschfreundlichkeit komplizierte auch Luxemburgs Position gegenüber den Alliierten. Es gab vermehrt Gerüchte, dass Frankreich oder Belgien das kleine Land zu annektieren beabsichtigten.
So kam es von November 1918 bis Januar 1919 zu revolutionären Unruhen. Schon am 11. November 1918 fand ein allerdings fehlgeschlagener Versuch eines selbsternannten Rats der Arbeiter und Bauern statt, eine kommunistische Republik auszurufen. Ein von radikalen Elementen organisierter Volksaufstand scheiterte zwar am 9. Januar 1919 ebenfalls, doch dankte Marie-Adelheid zur Rettung von Land und Dynastie noch am gleichen Tag ab.[2] Am 13. Januar präsentierte sie den Ministern ihre Schwester Charlotte als ihre Nachfolgerin. Zwei Tage später legte Charlotte ihren Eid als luxemburgische Großherzogin ab, was im Referendum vom 28. September 1919 bestätigt wurde.
Ende Januar 1919 verließen Marie-Adelheid und Gräfin Anna Luxemburg und reisten zunächst nach Straßburg, dann nach Montreux und ließen sich im März in Villeneuve nieder. Im Mai mieteten sie ein kleines Haus in Spiez. Mit ihrer Schwester Antonia und Gräfin Anna ging Marie-Adelheid im Oktober 1919 nach Italien und traf in Rom mit Papst Benedikt XV. zusammen. Mitte 1920 sah sie ihre Mutter und ihre Schwestern in Hohenburg.
Maria-Adelheid trat nach päpstlichem Rat im Herbst 1920 in ein Karmeliterinnenkloster in Modena ein, wo sie das Rauchen aufgab. Kurz darauf wurde sie melancholisch und krank. Sie erholte sich auf ihren Familiengütern, begab sich dann in ein Hospital der Kleinen Schwestern der Armen in Rom und pflegte dort Kranke und Alte. Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands musste sie auf das Klosterleben verzichten. Ihre Tante Maria Antonia von Portugal überredete sie, einige Zeit mit ihr in einer einfachen Klosterpension in Einsiedeln zu leben, wo sie an einer von den Nonnen betriebenen Grundschule lehrte.
Im April 1922 siedelte Marie-Adelheid auf Schloss Hohenburg in Bayern über und wohnte hier am 14. November 1922 der Hochzeit ihrer Schwester Elisabeth mit Ludwig Philipp von Thurn und Taxis bei. Sie beschloss, sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen, und begann daher 1923 ein Medizinstudium an der Universität München. Als sie Mitte jenes Jahres wieder auf Schloss Hohenburg kam, zeigte sie deutliche Krankheitssymptome von Paratyphus.
Im Kreis ihrer Familie starb die 29-jährige, unverheiratet und kinderlos gebliebene ehemalige Großherzogin am 24. Januar 1924. Ihr Leichnam wurde am 22. Oktober 1947 in die Krypta der Kathedrale von Luxemburg überführt.
Vorfahren
<timeline>
ImageSize = width:170 height:500 PlotArea = left:40 right:0 bottom:70 top:5 Legend = columns:1 left:40 top:60 DateFormat = dd/mm/yyyy Period = from:31/05/1815 till:31/12/2020 TimeAxis = orientation:vertical format:yyyy ScaleMajor = unit:year increment:10 start:1820 ScaleMinor = unit:year increment:5 start:1820
Colors=
id:NO value:orange legend:Nassau-Oranien id:NW value:red legend:Nassau-Weilburg id:NB value:blue legend:Nassau(-Bourbon)
PlotData=
bar:Großherzog color:NB width:20 fontsize:M align:left shift:(20,-5) mark:(line,white) from:start till:07/10/1840 text:Wilhelm_I. color:NO from:07/10/1840 till:17/03/1849 text:Wilhelm_II. color:NO from:17/03/1849 till:23/11/1890 text:Wilhelm_III. color:NO from:23/11/1890 till:17/11/1905 text:Adolph color:NW from:17/11/1905 till:25/02/1912 text:Wilhelm_IV. color:NW from:25/02/1912 till:14/01/1919 text:Maria-Adelheid color:NW from:14/01/1919 till:12/11/1964 text:Charlotte color:NW from:12/11/1964 till:07/10/2000 text:Jean from:07/10/2000 till:end text:Henri
</timeline>
Ahnentafel Maria-Adelheid, Großherzogin von Luxemburg (1912–1919) | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ururgroßeltern |
Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg (1768–1816) |
Herzog |
Erbprinz Friedrich von Anhalt-Dessau |
Landgraf Wilhelm von Hessen-Kassel-Rumpenheim |
König Peter III. (Portugal) (1717–1786) |
König Karl IV. von Spanien |
Fürst Karl von Löwenstein-Wertheim-Rosenberg |
Fürst Karl Ludwig von Hohenlohe-Langenburg |
Urgroßeltern |
Herzog |
Prinz Friedrich August von Anhalt-Dessau |
König |
Erbprinz Konstantin zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg | ||||
Großeltern |
|
König Michael I. von Portugal | ||||||
Eltern |
| |||||||
Siehe auch
Literatur
- Jean Schoos: Marie Adelheid. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, ISBN 3-428-00197-4, S. 187 f. (Digitalisat).
- Michael Erbe: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 1993, ISBN 3-17-010976-6, S. 267; 275; 303ff.
- Pierre Even: Marie Adelheid von Luxemburg-Nassau. Éditions Saint-Paul, Luxemburg, 2019, ISBN 978-99959-2-039-5; 192 Seiten (ill.).
- Josiane Weber: Großherzogin Marie Adelheid von Luxemburg. Eine politische Biografie (1912–1919). Éditions Guy Binsfeld, Luxemburg 2019, ISBN 978-99959-42-60-1; 640 Seiten (ca. 400 Abb.).
Weblinks
- Marie-Adélaïde (französisch) auf der offiziellen Website der luxemburgischen Großherzogsfamilie
Einzelnachweise
- ↑ Jean Schoos (NDB, Bd. 16, S. 187) gibt den 18. Juni 1894 als Marie-Adelheids Geburtstag an.
- ↑ Abdankung I.K.H. der Großherzogin Maria-Adelheid vom 9. Januar 1919 im Wortlaut, veröffentlicht im Mémorial N°5 des Großherzogtums Luxemburg vom 18. Januar 1919 (PDF, 358 kB)
Vorgänger | Amt | Nachfolgerin |
---|---|---|
Wilhelm IV. | Großherzogin von Luxemburg 1912–1919 | Charlotte |
Personendaten | |
---|---|
NAME | Maria-Adelheid |
ALTERNATIVNAMEN | Nassau-Weilburg, Marie-Adelheid von |
KURZBESCHREIBUNG | Großherzogin von Luxemburg (1912–1919) |
GEBURTSDATUM | 14. Juni 1894 |
GEBURTSORT | Schloss Berg (Luxemburg), Luxemburg |
STERBEDATUM | 24. Januar 1924 |
STERBEORT | Schloss Hohenburg (Lenggries), Bayern |