Marktrisikoprämie

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Die Marktrisikoprämie ist die Differenz zwischen der erwarteten Rendite eines risikobehafteten Marktportfolios und dem risikofreien Zinssatz. Im Kapitalgutpreismodell (CAPM) ist sie ein wesentlicher Baustein und erklärt dort im Zusammenspiel mit dem Betafaktor einer risikobehafteten Anlagemöglichkeit deren erwartete Rendite. Damit spielt sie eine zentrale Rolle in der Unternehmensbewertung und in der Anlageentscheidung (Vermögensallokation).

Definition der Marktrisikoprämie

Die Marktrisikoprämie ist formal definiert als

wobei die Rendite eines risikobehafteten, aber breit diversifizierten Marktportfolios und die risikofreie Rendite darstellt. Für das risikobehaftete, breit diversifizierte Marktportfolio kommen prinzipiell gängige Aktienindizes eines Landes (z. B. in Deutschland der DAX oder CDAX), ein Aktienindex mit Aktien aus der ganzen Welt (z. B. MSCI World oder Dow Jones Global Titans) oder noch breitere Portfolios (z. B. inkl. Rohstoffen und Anleihen) in Frage. Der zweite Term, der risikofreie Zinssatz, sollte dabei in der gleichen Währung, mit der gleichen bzw. ähnlichen Laufzeit und unter vergleichbaren Liquiditätsaspekten bestimmt werden wie das Marktportfolio. (Zur Ermittlung des risikofreien Zinssatzes siehe Basiszinskurve).

Höhe der Marktrisikoprämie

Die Marktrisikoprämie ist positiv, sofern man von risikoaversen Akteuren ausgeht. Über die Höhe und zeitliche Schwankung gibt es diverse empirische Studien. Folgende Kernergebnisse lassen sich hierbei festhalten:

  • Die Marktrisikoprämie liegt bei etwa 3–7 %, wobei die meisten Studien die Marktrisikoprämie anhand nationaler Aktienindizes messen (siehe für Deutschland insbesondere Stehle[1] und im internationalen Vergleich Dimson/Marsh/Staunton[2]).
  • Die Marktrisikoprämie ist keine konstante Größe, sondern schwankt über die Zeit, d. h. mit dem Grad der Risikoaversion der Marktakteure. Sie liegt in volatilen Zeiten, nach Marktcrashs und in Rezessionen tendenziell höher und in Zeiten niedriger Volatilität, nach starken Kursanstiegen und in Boomzeiten tendenziell niedriger.[3]
  • Die Marktrisikoprämie ist ähnlich wie der risikofreie Zinssatz laufzeitabhängig. In Zeiten niedriger Volatilität steigt sie mit der Laufzeit leicht an während in volatilen Zeiten die kurzfristige Marktrisikoprämie deutlich über der langfristigen Prämie liegt.[4]

Es existiert kein exaktes Verfahren zur Messung der Marktrisikoprämie; unterschiedliche Methoden führen zu teilweise deutlich unterschiedlichen Ergebnissen. Es besteht des Weiteren in der akademischen Literatur keine Einigkeit, ob die Volatilität der Marktrisikoprämie eine Ineffizienz der Märkte darstellt oder aufgrund der in bestimmten Zeiten herrschenden größeren Unsicherheit fundamental gerechtfertigt ist.

Empirische Messung der Marktrisikoprämie

Es gibt prinzipiell zwei Verfahren, um die Marktrisikoprämie zu messen.

Historische Mittelwerte

Bei der historischen Messung werden Renditen von Aktien und risikofreien Anlagen über einen Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten gemittelt. Diese Methode ist relativ einfach anzuwenden, hat allerdings zwei entscheidende Nachteile: Zum einen muss angenommen werden, dass die Marktrisikoprämie konstant ist. Bei sich im Zeitablauf ändernden Marktrisikoprämien führt z. B. eine Erhöhung der Marktrisikoprämie zu geringeren Kursen und somit einer niedrigeren historischen Marktrisikoprämie. Zum anderen sind die Standardfehler bei der Messung relativ hoch. Bei einem Zeitraum von 100 Jahren und einer mittleren Aktienvolatilität von 20 % ergibt sich z. B. immer noch ein Standardfehler von .

Implizite Verfahren

Implizite Verfahren basieren auf einer Invertierung gängiger Bewertungsverfahren. Im einfachen Falle ergibt sich der Wert einer Aktie aus der Dividende des nächsten Jahres , der Wachstumsrate der Dividenden und den Kapitalkosten als

Somit können die impliziten Kapitalkosten bestimmt werden als Summe aus Dividendenrendite und Dividendenwachstum

und korrespondierend die Marktrisikoprämie unter Verwendung des CAPM über

.

Essentiell hierfür ist das Vorliegen von i) Dividenden- und Wachstumsprognosen und ii) dem heutigen Wert der Aktie/des Marktportfolios. Die meisten impliziten Verfahren benutzen eine komplexere Bewertungsformel als die oben dargestellte. Hierbei kommen insbesondere mehrperiodige Dividendendiskontierungsmodelle und Residualeinkommensmodelle zur Anwendung[5].

Bereiche, in denen die Marktrisikoprämie von Bedeutung ist

Unternehmensbewertung

Der Wert eines Unternehmens bestimmt sich unter der Voraussetzung ausschließlich finanzieller Ziele über den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner. Zur Ermittlung dieses Barwerts wird ein Kapitalisierungszinssatz verwendet, der die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage repräsentiert (vgl. IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen[6]). Im Rahmen von Unternehmensbewertungen hat sich eine marktgestützte Ermittlung der Alternativrendite auf Basis des CAPM oder des Tax-Capital Asset Pricing Model (Tax-CAPM) etabliert. Die Alternativrendite kann dabei als gewichtetes Mittel aus Eigen- und Fremdkapitalkosten, wobei diese jeweils im Rahmen des CAPM bestimmt werden können über .

Vermögensallokation

Bei der Vermögensallokation ist die Marktrisikoprämie für die Entscheidung relevant, welcher Anteil des Vermögens in risikofreie Anlagen und welcher Anteil in risikoreiche Anlagen investiert werden sollte. Eine Marktrisikoprämie von Null bedeutete hierbei, dass risikoreiche Anlagen im Erwartungswert die gleiche Rendite aufweisen wie risikofreie Anlagen. Risikoaverse Anleger würden bei einer Marktrisikoprämie von Null ihr gesamtes Vermögen risikofrei anlegen, je höher die Marktrisikoprämie ist, desto höher auch der Anteil, den Anleger bereit sind, in risikoreiche Anlagen zu investieren. Umgekehrt entsteht durch Angebot und Nachfrage in einem Kapitalmarkt, in dem der durchschnittliche Marktakteur risikoavers ist, automatisch eine positive Marktrisikoprämie.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Stehle (2004)
  2. Dimson/Marsh/Staunton(2003)
  3. Shiller (1981), Poterba/Summers (1988), Cochrane (2005)
  4. van Binsbergen/Brandt/Koijen (2012), Berg (2012)
  5. Malkiel (1979), Claus/Thomas (2001), Easton (2004)
  6. IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1) i. d. F. 2008 Tz. 4

Weblinks