Ordinarium
Als Ordinarium (lat.: „das Regelmäßige, stets Wiederkehrende“) oder Ordinarium Missae werden die in jeder Feier gleichbleibenden Texte einer heiligen Messe oder des Stundengebets bezeichnet, im Unterschied zum Proprium, das die mit dem Kirchenjahr wechselnden Texte umfasst.
In einer anderen, veralteten Bedeutung meinte Ordinarium den ordentlichen Haushalt eines Staates, Landes oder einer Gemeinde mit den regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben und Einnahmen, im Gegensatz zum sogenannten Extraordinarium, dem außerordentlichen Haushalt.[1][2]
Das Ordinarium in der römisch-katholischen Messe
Grundsätzliches
Der Ritus der heiligen Messe ist in der Messordnung, dem Ordo missae, festgelegt. Dieser findet sich im Ordinarium, das alle feststehenden Teile der Feier im Volltext umfasst, während Eigentexte (Proprium) an anderer Stelle verzeichnet sind und stets eingefügt werden müssen.
Aus dem Ordinarium haben für die liturgisch-kirchenmusikalische Praxis die fünf feststehenden Teile Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei eine besondere Bedeutung erlangt. Sie wurden schon früh mehrfach vertont. Mit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit im Mittelalter konzentrierte sich seit der Messe de Nostre Dame von Guillaume de Machaut (1300–1377) der Fokus bei musikalischen Neuschöpfungen immer stärker auf diese fünf Teile, für die sich daher ebenfalls der Terminus Ordinarium etabliert hat. Obwohl auch verschiedene andere Teile der Liturgie in jeder Messfeier gleich sind (Vater unser, Akklamationen, Segensformeln), werden diese jedoch nicht zum Ordinarium gezählt, da sie nicht als eigenständige Texte der Gemeinde zu sehen sind. Das Vaterunser wurde vor der Liturgiereform um 1970 nur vom Priester gesungen; das Volk sang nur den Schluss Sed libera nos a malo mit.
- Das Kyrie (κύριε ἐλέησον kyrie eleison ‚Herr, erbarme dich‘) stellt einen bereits vorchristlich in Götter- und Kaiserkult gebräuchlichen Huldigungsruf dar. Der Kyrios-Titel wurde bei der griechischen Übersetzung der hebräischen biblischen Bücher für den Gottesnamen Adonai (auch Adoischem als Kombination der Gottesnamen Adonai und HaSchem) gebraucht. Genau dieser Titel wird durch die junge Kirche zur Artikulation ihres Bekenntnisses auf Jesus angewandt, der von den Toten auferstanden und in der Herrlichkeit des Vaters vollendet sei: „κύριος Ἰησοῦς Χριστὸς“, ‚Kyrios ist Jesus Christus‘, (Phil 2,11 EU). In der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerten Liturgie können die Kyrie-Rufe zur Eröffnung der Messfeier um anlassbezogene Anrufungen erweitert werden.
- Das Gloria greift das Motiv des in Lk 2,14 EU dargestellten Lobgesangs der Engel aus der Weihnachtserzählung auf: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“ Der Lobpreis des Glorias beinhaltet ferner Akklamationen („Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an“) sowie Christus-Rufe („Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus; Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters“). Das Gloria ist seit dem 6. Jahrhundert allmählich aus der Liturgie des Stundengebets in die Feier der heiligen Messe übernommen worden: zunächst nur, wenn der Bischof von Rom selbst den Vorsitz führte, später in allen Bischofsmessen. Heute wird es an allen Sonntagen außerhalb der Advents- und Fastenzeit, an Hochfesten, Festen und festlichen Ereignissen gesungen oder gesprochen.
- Das im Credo formulierte Glaubensbekenntnis ist erst nach der Wende vom ersten zum zweiten Jahrtausend in die Feier der heiligen Messe übernommen worden. Seine ursprüngliche Funktion als Taufbekenntnis ist dabei unverkennbar geblieben. Unter den zahlreichen Bekenntnisformeln weist der Text des verbreiteten nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses besondere Akzente auf, entsprechend der lehramtlichen Schwerpunkte der gleichnamigen antiken Konzilien (Gott-Menschsein Jesu Christi, Heiliger Geist). Innerhalb der Eucharistiefeier artikuliert das Credo im Modus des Bekenntnisses, was im Hochgebet in der Weise betenden Gedenkens vollzogen wird. Das Credo wird nur an Sonntagen, Hochfesten und anderen festlichen Ereignissen gesungen oder gesprochen. Neben dem Großen Glaubensbekenntnis kann auch das Apostolische Glaubensbekenntnis genommen werden.
- Das Hochgebet der heiligen Messe beginnt mit der Präfation, einem entsprechend dem Tag oder der Zeit im Kirchenjahr variierenden Lobpreis Gottes, worin seiner Großtat (Oikonomia) in heilsgeschichtlicher Perspektive gedacht wird. Die Präfation, die vom Hauptzelebranten vorgetragen wird, ist Teil des Propriums der heiligen Messe. Sie mündet unmittelbar in die (eigentlich) von allen Mitfeiernden zu singende Akklamation des Sanctus: „Heilig, heilig, heilig“ (vgl. Trisagion). Der Text des Sanctus greift die Verherrlichung Gottes nach Jes 6,3 EU sowie Offb 4,8 EU auf, weiterhin eine Anrufung des Messias (Ps 118,26 EU; Mt 21,9 EU: Benedictus ‚Hochgelobt sei …‘) mit dem charakteristischen Hosanna-Ruf. Das Benedictus ist dabei kirchenmusikalisch meist getrennt vertont. In der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erneuerten Liturgie sind anlassbezogene Einschübe im jeweiligen Hochgebet möglich.
- Das Agnus Dei dient als Begleitgesang zur Brotbrechung. Diese Handlung war für die frühchristliche Eucharistie derart konstitutiv, dass die ganze Feier danach benannt war (vgl. Apg 2,42 EU; Lk 24,30 EU). Der Begleitgesang wird so oft wiederholt, bis die Brotbrechung abgeschlossen ist. De facto aber hat sich eine dreimalige Wiederholung etabliert, wobei der dritte Teil durch dona nobis pacem ‚gib uns deinen Frieden‘ abgeschlossen wird. Die Bezeichnung Jesu Christi als Lamm Gottes findet sich im biblischen Zeugnis bei Joh 1,29 EU und stellt einen ausdrücklichen Bezug zum jüdischen Pessach (Ex 12 EU) her. Die christliche Eucharistiefeier geht von ihrer Wurzel her auf die jüdische Pessach- oder Pas'cha-Feier zurück, die um das Element der Eucharistie im christlichen Sinn erweitert wurde. Jesus Christus ist das Pessachlamm im eigentlichen, absoluten Sinn.
Als Folge der Liturgiereformen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Wahlmöglichkeiten für die liturgischen Texte und Gestaltungsmöglichkeiten in einer heiligen Messe bedeutend erweitert, so dass von einer strikten Einteilung der Messgesänge in Ordinarium und Proprium „als Gestaltungsmaßgabe zweier für sich stehender und je einheitlich auszuführender Repertoirezyklen“ nicht mehr gesprochen werden könne, so der Liturgiewissenschaftler Markus Eham, sondern eine Unterscheidung in liturgische „Elemente mit Ordinariums- oder Propriumscharakter“ angemessener sei.[3]
Die wichtigsten Texte des Ordinarium missae
Den Texten liegt verbindlich zugrunde:
- der griechisch/lateinischen Fassung: Missale Romanum ex decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum. Editio typica tertia (Ioannis Pauli PP. II cura recognitum) 2002.
- der deutschen Fassung: Die Feier der heiligen Messe. Meßbuch. Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Karwoche und Osteroktav. Ergänzt um die Feier der Taufe und der Firmung sowie die Weihe der Öle. Hrsg. im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Solothurn u. a. 1996.[4]
altgriechisch bzw. lateinisch | deutsch |
---|---|
Kyrie | |
Kyrie eleison. |
Herr, erbarme dich. |
Gloria | |
Gloria in excelsis Deo |
Ehre sei Gott in der Höhe |
Credo | |
Credo in unum Deum, |
Wir glauben an den einen Gott, |
Sanctus | |
Sanctus, sanctus, sanctus |
Heilig, heilig, heilig |
Agnus Dei | |
Agnus Dei qui tollis peccata mundi, miserere nobis. |
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser. |
Das Ordinarium im evangelisch-lutherischen Gottesdienst
Grundsätzliches
Die gleichbleibenden Texte des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes sind das Vaterunser, das Ehre sei dem Vater (Gloria Patri), die Einsetzungsworte in der Abendmahlsliturgie und die fünf liturgischen Gesänge: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei.
Teilweise erlangt auch das Ordinarium Propriumscharakter, indem einzelne Ordinariums-Stücke kirchenjahreszeitlich gebunden sind:
- In der Karwoche entfällt das Ehre sei dem Vater (Gloria Patri)
- Das Gloria entfällt vom 2.–4. Advent, in der Passionszeit (außer am Gründonnerstag) sowie am Bußtag und an Werktagen
- Das Halleluja als Antwortgesang auf die Lesung der Epistel entfällt an den Sonntagen vor der Passionszeit (Septuagesimae, Sexagesimae und Estomihi/Quinquagesimae), in der Passionszeit sowie an Bußtagen
Gewöhnlich wird als Credo das Apostolikum gebetet und nur zu hohen Festtagen das Nicäno-Konstantinopolitanum. Dies geht auf die Agendenreform des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. zurück (vgl. Agendenstreit).
Die wichtigsten Texte des Ordinariums
Kyrie | |
---|---|
Kyrie eleison. |
Herr, erbarme dich. |
Gloria | |
Ehre sei Gott in der Höhe | |
Allein Gott in der Höh sei Ehr |
Wir loben dich, wir beten dich an, |
Credo | |
Nicäno-Konstantinopolitanum | Apostolikum |
Wir glauben an den einen Gott, |
Ich glaube an Gott, |
Sanctus | |
Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth, | |
Agnus Dei | |
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser. |
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ duden.de: Ordinarium
„Ordinarium“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Ordinarium>, abgerufen am 10. März 2019. - ↑ duden.de: Extraordinarium
„Extraordinarium“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Extraordinarium>, abgerufen am 10. März 2019. - ↑ Markus Eham: Proprium missae. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 8. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, Sp. 640 f.
- ↑ Texte auch in Gotteslob, Nr. 582, 583, 586, 588, 589.