Metoprolol

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Metoprololtartrat)
Strukturformel
Struktur von Metoprolol
Strukturformel ohne Stereoisomerie
Allgemeines
Freiname Metoprolol
Andere Namen
  • (±)-1-(Isopropylamino)-3-[4-(2-methoxyethyl)-phenoxy]propan-2-ol
  • (RS)-1-(Isopropylamino)-3-[4-(2-methoxyethyl)-phenoxy]propan-2-ol
  • rac-1-(Isopropylamino)-3-[4-(2-methoxyethyl)-phenoxy]propan-2-ol
  • DL-1-(Isopropylamino)-3-[4-(2-methoxyethyl)-phenoxy]propan-2-ol
Summenformel C15H25NO3
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 257-166-4
ECHA-InfoCard 100.051.952
PubChem 4171
ChemSpider 4027
DrugBank DB00264
Arzneistoffangaben
ATC-Code

C07AB02

Wirkstoffklasse

β-Rezeptorenblocker

Wirkmechanismus

selektive Blockade von β1-Rezeptoren

Eigenschaften
Molare Masse 267,36 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

121–124 °C (Tartrat)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Metoprolol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der selektiven β1-Adrenorezeptorenblocker (Betablocker) und wird zur Behandlung des Bluthochdrucks, der koronaren Herzkrankheit, von Herzrhythmusstörungen und zur Akutbehandlung des Herzinfarktes verwendet. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Migräneprophylaxe.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Metoprolol kann in der Therapie des Herzinfarktes, des Bluthochdrucks, der koronaren Herzkrankheit, der Herzinsuffizienz und bestimmter Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden. Darüber hinaus wird Metoprolol bei Migränepatienten zur Anfallsprophylaxe eingesetzt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Metoprolol darf u. a. nicht bei dekompensierter Herzinsuffizienz (NYHA IV), AV-Block 2. oder 3. Grades, Bradykardie (Ruhepuls kleiner als 50 Schläge pro Minute vor Behandlungsbeginn), Hypotonie (Blutdruck systolisch kleiner 90 mm Hg) und bronchialer Hyperreagibilität (etwa in Zusammenhang mit Asthma bronchiale) angewendet werden. Bei Patienten mit peripheren Durchblutungsstörungen ist eine Verstärkung der Beschwerden möglich.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Die intravenöse Gabe von Metoprolol bei Patienten, die bereits eine Therapie mit Calciumantagonisten (vom Verapamil- und Diltiazemtyp) oder anderen Antiarrhythmika (wie Disopyramid) erhalten, kann zu schweren bradykarden Herzrhythmusstörungen führen und ist daher kontraindiziert; ebenso die i.v.-Gabe der oben genannten Calciumantagonisten und Antiarrhythmika unter Therapie mit Metoprolol (Ausnahme Intensivmedizin).

Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit

Metoprolol sollte in der Schwangerschaft und Stillzeit nur unter strenger ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. Im Tierversuch (Maus und Ratte) gab es Hinweise auf eine Minderdurchblutung der Plazenta und in der Folge fötale Wachstumsstörungen. Auch das Risiko kindlicher Herzrhythmusstörungen kann nicht ausgeschlossen werden.

Besondere Patientengruppen (Diabetiker, Nierenkranke)

Bei gleichzeitiger Anwendung von Metoprolol und Insulin oder oralen Antidiabetika kann deren Wirkung verstärkt oder verlängert werden, was das Risiko einer Hypoglykämie steigert. Gleichzeitig werden Warnzeichen einer Hypoglykämie (Herzrasen und Muskelzittern) verschleiert oder abgemildert. Daher sind bei Diabetikern unter Therapie mit Metoprolol regelmäßige Blutzuckerkontrollen erforderlich.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Neben gelegentlichen Überempfindlichkeitsreaktionen können durch die Blutdrucksenkung bedingte Nebenwirkungen wie Ohrensausen und Schwindel beobachtet werden. Seltener treten zentralnervöse Veränderungen (Müdigkeit, Halluzinationen), Bronchospasmen, Potenz- und Harnentleerungsstörungen auf. Die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr, zum Bedienen von Maschinen oder zum Arbeiten ohne sicheren Halt kann durch Metoprolol beeinträchtigt werden. Besonders bei Behandlungsbeginn, Dosiserhöhung oder bei zusätzlichem Alkoholkonsum ist mit einer Veränderung des Reaktionsvermögens zu rechnen. Bei disponierten Personen können unter Betablockertherapie Reaktionen auf Allergene schwerer verlaufen bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen (anaphylaktischer Schock). MAO-Hemmer verhindern den Abbau von Metoprolol im Organismus und führen somit zu dessen Anreicherung. Darüber hinaus verstärkt Metoprolol die Wirkung blutzuckersenkender Medikamente wie Insulin und Sulfonylharnstoffe. Bei Anwendung von blutzuckersenkenden Substanzen kann Metoprolol die Warnzeichen einer Hypoglykämie, insbesondere Tremor und Tachykardie, verschleiern. Metoprolol verstärkt zudem die Effekte anderer blutdrucksenkender Medikamente (Hinweis auf die schweren Blutdruckabfälle bei Anwendung von β-Blockern zusammen mit Calciumantagonisten vom Verapamil- und Diltiazem-Typ). Auch wirkungsverstärkende Effekte mit anderen herzrhythmusbeeinflussenden Medikamenten sind bekannt. Betablocker können in einzelnen Fällen eine Psoriasis aktivieren.

Das Ausmaß der Vergiftungserscheinungen bei Überdosierung ist von der zugeführten Substanzmenge abhängig und äußert sich in Form von schweren Blutdruckabfällen, niedriger Herzfrequenz bis zum Herzstillstand mit entsprechenden Funktionsausfällen der Organe. Eine Überdosierung erfordert eine intensivmedizinische Behandlung und Überwachung.

Pharmakologische Eigenschaften

Wirkungsmechanismus

Metoprolol blockiert β-Adrenozeptoren, und zwar vor allem β1-Adrenozeptoren, die sich hauptsächlich im Erregungsbildungs- und Erregungsleitungsgewebe des Herzens (Sinusknoten, Vorhöfe, AV-Knoten, Kammermuskulatur) und in den Herzkranzgefäßen befinden. Dadurch senkt Metoprolol die Erregungsleitungsgeschwindigkeit, die Schlagfrequenz und die Kontraktionskraft des Herzens. β2-Adrenozeptoren sind nicht im Herzgewebe, sondern im Bronchialsystem, den Muskelgefäßen und anderen Organen wie Harnblase, Leber und Muskulatur lokalisiert und werden von Metoprolol nur wenig oder erst bei höherer Dosis blockiert. Daraus ergibt sich, dass Metoprolol eher bei Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen (etwa mit Asthma bronchiale) oder mit peripheren Durchblutungsstörungen eingesetzt werden kann, als β-Blocker, die unselektiv sowohl β1- als auch β2-Adrenozeptoren blockieren. Aus der Verteilung der Rezeptoren lässt sich teilweise auch das Nebenwirkungsspektrum erklären.

Metoprolol stimuliert die β-Adrenozeptoren nicht (keine intrinsische sympathomimetische Aktivität, ISA) und hat nur schwach ausgeprägt membranstabilisierende Eigenschaften. Die relative Wirkstärke des Metoprolols zu Propranolol beträgt 1.

Nach längerer Anwendung darf die Metoprololeinnahme nicht unterbrochen oder das Medikament ganz abgesetzt werden. Die Dosis muss langsam verringert werden (Behandlung ausschleichen), um überschießende Kreislaufreaktionen (Tachykardie, Hypertonie) als Rebound-Effekt zu vermeiden.

Aufnahme und Verteilung im Körper

Metoprolol wird nach oraler Gabe im Magen-Darm-Trakt fast vollständig (zu etwa 95 %) aufgenommen und hauptsächlich in der Leber oxidativ durch das CYP2D6-Isoenzym verstoffwechselt. Zwei der drei Hauptmetaboliten zeigen ebenfalls schwach betablockierende Eigenschaften, sind jedoch klinisch irrelevant. Bei Leberzirrhose muss wegen der dann verminderten Metabolisierungsrate mit erhöhten Plasmaspiegeln an unverändertem Metoprolol gerechnet werden.

Durch den hohen First-Pass-Effekt sind etwa 50 % der ursprünglichen Dosis systemisch verfügbar. Die maximalen Plasmaspiegel werden nach 1,5 bis 2 Stunden erreicht. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 12 % und das relative Verteilungsvolumen bei 5,6 l/kg. Metoprolol und seine Metabolite werden zu etwa 95 % renal eliminiert. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 3 bis 5 Stunden.

Sonstige Informationen

Chemische Informationen

Praktisch alle β-Rezeptorenblocker besitzen strukturelle Gemeinsamkeiten. Hierzu gehört die Propanolaminseitenkette mit einem Isopropyl- oder tertiären Butylsubstituenten am Stickstoff. Die aliphatische Hydroxygruppe ist von wesentlicher Bedeutung für die beta-blockierende Wirkung.

Synthese

Die Synthese von Metoprolol (3) kann in einer zweischrittigen Reaktion erfolgen:

Synthese von Metoprolol (3).

Dabei reagiert das Phenol-Derivat 1 unter Zugabe von Natriumhydroxid in einer nucleophilen Substitution mit 2-(Chlormethyl)oxiran zum Epoxid 2. Dieses bildet dann mit Isopropylamin den racemischen Wirkstoff Metoprolol (3) aus.[5]

Stereoisomerie

Metoprolol ist chiral, das aktive Stereoisomer (Eutomer) ist die (S)-Form von Metoprolol.[6] Arzneilich verwendet wird das Racemat, wobei die Enantiomeren von Wirkstoffen in der Regel unterschiedliche pharmakologische Eigenschaften und Wirkungen haben.[7] Die Tabelle zeigt beide Stereoisomere. Hierbei unterscheiden sie sich in der Position des Wasserstoffatoms, das in dieser Darstellung entweder aus der Zeichenebene herausragt (S)-Form oder in die Zeichenebene hineingeht (R)-Form:[8]

Enantiomere von Metoprolol
(R)-Metoprolol Structural Formula V1.svg
CAS-Nummer: 81024-43-3
(S)-Metoprolol Structural Formula V1.svg
CAS-Nummer: 81024-42-2

Darreichungsformen

Der Wirkstoff Metoprolol wird als Metoprololsuccinat (Salz der Bernsteinsäure), als Metoprololtartrat (Salz der Weinsäure) oder als Metoprololfumarat (Salz der Fumarsäure) in Form von Tabletten oder Retardtabletten in verschiedenen Stärken angeboten; entweder als Monopräparat oder in Kombination mit dem harntreibenden Hydrochlorothiazid. Auch ein Präparat zur intravenösen Anwendung mit 5 mg Metoprololtartrat pro 5 ml Injektionslösung ist verfügbar.

Die Retardformulierungen zeichnen sich teilweise durch eine besondere Freisetzungskinetik aus: der Wirkstoff wird mit einer konstanten Rate abgegeben, was zu besonders gleichmäßigen Plasmaspiegeln führen soll. Diese Darreichungsformen sind meist durch Namenszusätze wie ZOK, NOK oder Zero (für Kinetik nullter Ordnung, engl. zero order kinetics) gekennzeichnet.

Marktbedeutung

Mit rund 900 Millionen mittleren Tagesdosen war Metoprolol im Jahr 2012 der am meisten eingesetzte Betablocker in Deutschland. Damit ist Metoprolol der führende Vertreter der selektiven β1-Adrenorezeptorenblocker. Die Verordnung dieser nahm in den letzten 10 Jahren um fast 50 % zu. Die nichtselektiven Substanzen sind hingegen rückläufig.[9]

Umweltrelevanz

Bis zu 10 Prozent des eingenommenen Metoprolols werden vom Körper unverändert wieder ausgeschieden.[10] Auf diesem Weg gelangt die Substanz über Kläranlagen, wo sie kaum bis gar nicht abgebaut wird,[11] in Oberflächengewässer wie Flüsse. Dort werden Konzentrationen vom zwei- bis vierstelligen Nanogramm-pro-Liter-Bereich nachgewiesen, womit Metoprolol unter den untersuchten Betablockern häufig in den höchsten Umweltkonzentrationen vorliegt.[10][12][13]

Handelsnamen

Monopräparate

  • Beloc (D, CH), Beloc-ZOK (CH), Beloc-ZOK Herz (D), Lopresor (D, CH), Metopress (CH), Seloken (A), MetoHEXAL (D), zahlreiche Generika

Kombinationspräparate

Literatur

  • Claus-Jürgen Estler: Pharmakologie und Toxikologie. Schattauer Verlag, 1999, ISBN 3-7945-1895-0.
  • E. Oberdisse, E. Hackenthal, K. Kuschinsky (Hrsg.): Pharmakologie und Toxikologie. Springer Verlag, 1997, ISBN 3-540-61953-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Datenblatt METOPROLOL TARTRATE CRS (PDF) beim EDQM, abgerufen am 14. Juli 2008.
  2. Datenblatt (±)-Metoprolol (+)-tartrate salt bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 22. Oktober 2016 (PDF).
  3. Eintrag zu Metoprolol in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM)
  4. Eintrag zu Metoprolol. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
  5. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernhard Kutscher, Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances – Syntheses, Patents and Applications of the most relevant APIs. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag, 2009, ISBN 978-3-13-558405-8, S. 883–884.
  6. Joni Agustiana, Azlina Harun Kamaruddina, Subhash Bhatiaa: Single enantiomeric -blockers—The existing technologies. In: Process Biochemistry. 45, 2010, S. 1587–1604.
  7. E. J. Ariëns: Stereochemistry, a basis for sophisticated nonsense in pharmacokinetics and clinical pharmacology. In: Eur J Clin Pharmacol. 26(2), 1984, S. 663–668. PMID 6092093.
  8. Rote Liste Service GmbH (Hrsg.): Rote Liste 2017 – Arzneimittelverzeichnis für Deutschland (einschließlich EU-Zulassungen und bestimmter Medizinprodukte). Rote Liste Service GmbH, Frankfurt/Main, 2017, Aufl. 57, ISBN 978-3-946057-10-9, S. 200.
  9. Dieter Paffrath, Ulrich Schwabe: Arzneiverordnungs-Report 2013. Springer, 2013, ISBN 978-3-642-37123-3, S. 478.
  10. a b Thomas A. Ternes: Occurrence of drugs in German sewage treatment plants and rivers. In: Water Research. 1998, doi:10.1016/S0043-1354(98)00099-2.
  11. Meritxell Gros, Mira Petrović, Antoni Ginebreda, Damià Barceló: Removal of pharmaceuticals during wastewater treatment and environmental risk assessment using hazard indexes. In: Environment International. 2010, doi:10.1016/j.envint.2009.09.002.
  12. Wibke Meyer, Margrit Reich, Silvio Beier, Joachim Behrendt, Holger Gulyas, Ralf Otterpohl: Measured and predicted environmental concentrations of carbamazepine, diclofenac, and metoprolol in small and medium rivers in northern Germany. In: Environmental Monitoring and Assessment. 2016, doi:10.1007/s10661-016-5481-2.
  13. Andreas Fath: Rheines Wasser – 1231 Kilometer mit dem Strom. Carl Hanser Verlag, München 2016, ISBN 978-3-446-44871-1, S. 135.