Moche-Kultur

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Das Verbreitungsgebiet der Mochica-Kultur in Peru

Die Moche-Kultur (nach dem Fluss Río Moche, auch Mochica) entwickelte sich vom 1. Jahrhundert bis zum 8. Jahrhundert an der Nordküste Perus (Südamerika). Sie hatte wie ihr Nachfolger, die Chimú-Kultur, ihr Zentrum in der Gegend der modernen Stadt Trujillo.

Geschichte und Kultur

Entlang bewässerter Täler bildeten sich unabhängige Städte mit eigenen Königen und Priesterschaften, die die hochentwickelte Moche-Kultur hervorbrachten.

Im 7. Jahrhundert setzen die Funde plötzlich aus. Vermutlich kam es über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren zu mehreren besonders starken El-Niño-Katastrophen mit starken Regenfällen und einer Zerstörung der Bewässerungsinfrastruktur. Danach hat eine ebenfalls rund dreißigjährige Dürre die Moche wohl veranlasst, ihre großen Städte aufzugeben und kleinere Siedlungen im Hinterland anzulegen. In dieser Zeit muss es zu einem Bürgerkrieg um die verbliebenen Nahrungs- und Wasserressourcen gekommen sein, in dessen Folge soziale Unruhen und eine andauernde Hungersnot die Moche-Kultur untergehen ließen.

Mochica-Keramik

Hinsichtlich der verfügbaren Technologien kann die Moche-Kultur mit der Kupferzeit und der Bronzezeit in Europa und dem Orient verglichen werden.

Die Moche errichteten mit den beiden Adobepyramiden Huaca del Sol und Huaca de la Luna die größten Bauten des alten Südamerika. Sie besaßen noch keine eigene Schrift, haben aber durch ihre piktographischen Darstellungen ein lebendiges Bild ihrer Welt hinterlassen.

Forscher haben Hinweise auf den Totenkult der Moche gefunden. Demnach ließen sie die Verstorbenen zuerst unter freiem Himmel verwesen, damit durch die daran beteiligten Fliegen die Seele befreit werde und wieder in die Welt hinausgehen könne, um sie erst danach mit Grabbeigaben zu bestatten. Malereien deuten den Forschern zufolge darauf hin, dass die Fliege auch verehrt wurde.[1]

Ausgrabungen unterrichten über zahlreiche blutige Rituale, u. a. Menschenopfer, durch die man in der wüstenhaften Gegend die Götter um fruchtbringenden Regen bat. Durch Funde belegt ist die Funktion einer Frau als Hohe Priesterin, die etwa auf einer Darstellung dem Herrscher in einem Kelch das Blut der Opfer darbietet. Wer die Opfer waren, wird kontrovers diskutiert. Christopher Donnan und Izumi Shinada nehmen an, dass es sich um Verlierer ritueller Kämpfe unter Mitgliedern der lokalen Eliten handelte. John Verano und Richard Sutter andererseits gehen davon aus, dass die Opfer Krieger waren, die in Auseinandersetzungen mit anderen Moche-Siedlungen oder anstoßenden Völkern gefangen wurden.

Eine Theorie zum Untergang der Moche besagt, dass eine starre Ideologie zu ihrem Ende beigetragen hat. Die Moche steckten in ihre Rituale offensichtlich viel Kraft. Man opferte meist die jungen und produktiven Mitglieder der Gemeinschaft und beraubte sich dadurch vermutlich selbst der Grundlage für eine mögliche Zukunft.

Wirtschaft

Eine besonders ausgeklügelte Ackerbautechnik und ein Terrassierungs- und Bewässerungssystem, welches das Wasser aus dem Hochland der Anden in der wüstenhaften Region des Rio Moche verteilte, ermöglichten zwei bis drei Ernten im Jahr. Neben Mais, der die Grundlage der Ernährung bildete, konnte eine Vielfalt an Kulturpflanzen nachgewiesen werden (Bohnen, Erdnüsse, Chilis, Avocados, Kartoffeln, Kürbisse, Baumwolle). Ein Teil des Maises wurde zur Herstellung von Chicha, eines alkoholhaltigen Biers, verwendet. Die Moche züchteten Enten, Meerschweinchen und eine Art von Lamas, die speziell an das Küstenklima angepasst war. So sicherten überschüssige Waren eine stabile Wirtschaft. Auch der Handel war für die Moche von existenzieller Bedeutung: sie pflegten ein komplexes Netzwerk kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen in unterschiedlichste Himmelsrichtungen.

Handwerk

Metallverarbeitung

Das Handwerk war hoch entwickelt. Die Moche verfügten über eine ausgeprägte Technologie der Metallverarbeitung. Neben Gold und Silber wurde auch Kupfer verarbeitet. Die Moche beherrschten auch die Technik der Legierung von Kupfer und stellten so Tumbago her. Sie waren bereits in der Lage, Kupferoberflächen zu vergolden.[2]

Keramik

Die Werkstücke der Keramik machen einen starken Anteil unter den Fundgegenständen aus und sind so lebensnah, dass sie als „keramisches Bilderbuch“ bezeichnet wurden. Berühmt sind die Steigbügelgefäße, die in ihren lebendigen und realistischen Darstellungen insbesondere bestimmte Menschen, daneben Tiere, Pflanzen, Dämonen, allerlei Tätigkeiten, Krieg, Liebesleben, Rituale und Mythologie bildlich darstellen. Unklar ist, ob es sich bei den vielfältigen Darstellungen erotischer Gegenstände und überlebensgroßer Geschlechtsteile um spontane, lebensbejahende Äußerungen handelt, oder ob auch dieser Zweig, wie viele andere, in den Bereich von Ritus und Religion gehört, wobei namentlich häufige Darstellungen hetero- und homosexueller Analerotik Fragen aufwerfen.[3][4]

Speziell in der Massenproduktion von Keramikgefäßen fanden immer wieder Modeln Verwendung, die die Herstellung von großen Mengen gleichartiger Gefäße ermöglichten. Als Modeln wurden zweiteilige Formen aus Keramik verwendet, in die der frische Ton eingedrückt wurde. War dieser ein wenig angetrocknet, ließen sich die jeweiligen Gefäßhälften problemlos aus den Formen herausnehmen und zusammensetzen. Obwohl die Nähte anschließend meist sorgfältig verputzt wurden, lassen sie sich bei manchen Gefäßen noch erkennen.

Señor de Sipán

Bei Huaca Rajada wurde im Februar 1987 die ungestörte Anlage der Königsgräber von Sipán gefunden und ausgegraben. Den Ausgrabungen unter Walter Alva, dem damaligen Direktor des Museo Arqueológico Nacional Brüning von Lambayeque, kamen Grabplünderern zuvor.[5] Es handelt sich um das Grab eines heute als Señor de Sipán bezeichneten Fürsten. In Nebengräbern wurden unter anderem sein Priester und ein Militärbefehlshaber bestattet, damit sie ihm auch nach dem Tod noch dienen können.[6]

Der Herrscher befand sich im Grab in Begleitung seiner Konkubinen und weiterer Angehöriger seines Volkes, von denen zum Zeitpunkt seines Todes einige geopfert worden waren. In der rechten Hand hielt er ein goldenes Zepter, die Grabdarstellung zeigt zu seinen Füßen besiegte und unterworfene Gegner. Kopf- und Ohrschmuck dienten als sichtbare Zeichen der Regentschaft.

2002 ist das Museo Tumbas Reales de Sipán (Museum der Königsgräber von Sipán) eröffnet worden. Es ist einer Moche-Pyramide nachgebildet und zeigt und erklärt die Moche-Kultur anhand von über 400 goldenen, silbernen und juwelenbesetzten Schmuckstücken und dem neuen Mausoleum des „Herrn von Sipán“ (Direktor: Walter Alva Alva).

2009 wurde neben dem Huaca Rajada in Sipán das „Museo del Sitio“ eröffnet, das neueste Grabfunde der Königsgräber ausstellt.

Señora de Cao

Die Señora de Cao war eine Herrscherin der Moche-Kultur, deren gut erhaltene Mumie 2005 in der Cao-Pyramide (einer eigens für sie errichteten Grabstätte) gefunden wurde. Die Mumie wurde mit der Unterstützung eines Schamanen von den Archäologen um Regulo Franco Jordan und Juan Vilela Puelles geborgen und ist für die Geschichtsschreibung Altamerikas bisher einmalig. Es handelt sich um eine etwa 28-jährige Frau, deren lange schwarze Haare, Finger- und Fußnägel und innere Organe in einem bemerkenswert guten Zustand sind. Sie war schwanger und mit Spinnen und Schlangen tätowiert. Die Todesursache ist bisher unbekannt. Eindeutig als Herrscherin ausgewiesen ist sie durch ihre Grabbeigaben, mit denen bei den Moche ein Herrscher auf die Reise ins Jenseits geschickt wurde (eine Maske aus Gold, die ihr Gesicht bedeckte, kostbarer Schmuck, Keramiken, zwei zeremonielle Keulen und 28 Speerschleudern). Dazu passen die Skelette mehrerer Wachen ebenso, wie die Überreste eines strangulierten Mädchens, die Franco neben dem Grab entdeckte. Der Fund gilt als sensationell, weil er zum ersten Mal eine Frau mit bedeutender religiöser und/oder politischer Macht in der Prä-Inkakultur bezeugt.

Der Ausgrabungskomplex Huaca El Brujo, eine 2 km² große Ruinenanlage etwa 60 km nördlich von Trujillo, hat sich als zentraler Kultplatz der Moche im Chicama-Tal herausgestellt. Seit Mitte 2007 ist die Señora de Cao in einem Museum direkt an der Ausgrabungsstätte zu sehen.

Literatur

  • Christian F. Feest, Peter Kann, Johannes Neurath: Das Altertum der Neuen Welt. Voreuropäische Kulturen Amerikas. Reimer, Berlin 1992, ISBN 3-496-01096-7.
  • Manuela Fischer (Red.): El Dorado: Das Gold der Fürstengräber (= Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde Berlin. NF Bd. 60 = Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde Berlin. Abteilung Amerikanische Archäologie. Bd. 9). Buchhandelsausgabe. Berlin, Reimer 1994, ISBN 3-496-01114-9.
  • Das Fürstengrab von Sipán. Entdeckung und Restaurierung. = La tumba del Señor de Sipán. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz 1989, ISBN 3-88467-022-0.
  • Victor Wolfgang von Hagen: Die Wüstenkönigreiche Perus. Paul Zsolnay, Wien 1964.
  • Monika Hagenberg (Hrsg.): Gold aus dem alten Peru. Die Königsgräber von Sipán. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2001, ISBN 3-7757-0959-2.
  • Jeffrey Quilter: The Moche of Ancient Peru: Media and Messages. Harvard University Press, Cambridge (MA) 2010, ISBN 978-0-87365-406-7
  • Martin Schmid: Die Mochica an der Nordküste Perus. Religion und Kunst einer vorinkaischen andinen Hochkultur. Diplomica-Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8366-1370-5.
  • Mona Suhrbier, Gerda Kroeber-Wolf (Hrsg.): Augenblicke. Keramik der Moche und Shipibo, Peru (= Galerie 37. Bd. 14). Museum der Weltkulturen, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-88270-413-6.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Moche culture – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Angelika Franz: Insekten-Archäologie: Leichenschmaus mit Madengraus. In: Spiegel Online, 7. Oktober 2010.
  2. Victor Wolfgang von Hagen: Die Wüstenkönigreiche Perus. Paul Zsolnay, Wien 1964, S. 113.
  3. Peter Kann, Gerard van Bussel: Erotische Kunst des alten Peru. Sinnlich-über-sinnlich. Museum für Völkerkunde, Wien 1996, ISBN 3-901005-04-8, insbesondere S. 86.
  4. Mary Weismantel: Moche Sex Pots: Reproduction and Temporality in Ancient South America. In: American Anthropologist. Bd. 106, Nr. 3, ISSN 0002-7294, S. 495–505, online (PDF; 1,4 MB).
  5. Gisa Funck: Ein pazifischer Tutanchamun. In: Die Tageszeitung, 16. Januar 2001.
  6. Informationen zur Ausstellung: Gold aus dem alten Peru. Die Königsgräber von Sipán. www.bundeskunsthalle.de