Monarchomachen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Monarchomach)

Als Monarchomachen (altgr.

μόναρχος

monarchos ‚Alleinherrscher‘ und

μάχομαι

machomai ‚kämpfen‘, im Sinne von „Monarchenbekämpfer“, „Königsbekämpfer“ oder „Tyrannenbekämpfer“) bezeichnete der in Frankreich lebende schottische Schriftsteller und politische Pamphletist William Barclay (1546–1608), ein Anhänger der absoluten Monarchie, um 1600 die Gegner der uneingeschränkten Herrschergewalt der Monarchen unter den calvinistischen Publizisten. Diese traten in ihren politischen Schriften gegen die Alleinherrschaft der Monarchen und Fürsten ein, forderten eine Einschränkung der souveränen Herrschaftsansprüche und verteidigten im Zusammenhang mit den konfessionellen Auseinandersetzungen in Frankreich ihre religiösen Interessen.

Zu den bedeutendsten calvinistischen Monarchomachen werden der Jurist François Hotman (1524–1590), der Theologe Théodore de Bèze (Theodor Beza), Mitstreiter und Nachfolger Jean Calvins (Johannes Calvin) in Genf, und „Stephanus Junius Brutus“ gezählt, unter dessen Pseudonym das Traktat Vindiciae contra tyrannos (1579) erschien, das noch entschiedener als andere monarchomachische Schriften für ein Widerstandsrecht gegen tyrannische Herrschaft eintrat. Wer der Verfasser dieser Schrift ist, blieb ungeklärt: der Schriftsteller und Politiker Philippe Duplessis-Mornay (1549–1623) oder der politische Publizist und Diplomat Hubert Languet (1518–1581) oder beide zusammen. Zum Kreis der vornehmlich, aber nicht ausschließlich calvinistischen Monarchomachen werden noch weitere Autoren wie der französische Theologe Jean Boucher oder der Jurist und Calvin-Schüler Lambertus Danaeus, weiterhin der schottische Humanist George Buchanan, der spanische Jesuit Juan de Mariana oder der unter dem Pseudonym schreibende Guilelmus Rossaeus, ein kämpferischer Katholik, gezählt.

Auch der deutsche calvinistische Staatstheoretiker Johannes Althusius wird im Zusammenhang mit den Monarchomachen genannt und in der Literatur mehrfach als systematischster Monarchomache bezeichnet. Seine direkte Zuordnung zu den Monarchomachen ist indessen umstritten und wird in der jüngeren Althusius-Forschung als irreführend dargestellt. Althusius hat aus den Schriften der Monarchomachen einiges übernommen, darunter Gedanken zum Widerstandsrecht, geht aber in seiner systematischen Staatstheorie, wie sie in der Politica Methodice Digesta formuliert ist, „vom Anspruch wie vom Konzept her wesentlich über diese hinaus“ (D. Wyduckel, 2002). Als problematisch wird angesehen, sehr unterschiedliche Autoren, soweit sie nicht an der Herrschersouveränität der Zeit orientiert waren, mit in den Kreis der Monarchomachen einzubeziehen.

Die Monarchomachen wandten sich gegen eine uneingeschränkte Souveränität des Herrschers, wie sie insbesondere in der Theorie absoluter monarchischer Souveränität von Jean Bodin formuliert ist, und vertraten die Auffassung, dass die Herrschaftsgewalt des Monarchen durch die Rechte der Stände, die sie als Vertretung des Volkes verstanden, zu beschränken sei. Als staatstheoretische Argumentationsgrundlage diente ihnen eine vertragliche Regelung, die die Wahl und Absetzung des Monarchen durch die Vertreter der Stände vorsah. Eine der zentralen Thesen der Monarchomachen war, dass ein seine Macht missbrauchender, tyrannischer Herrscher abgesetzt werden müsse und der Tyrannenmord als letztes Mittel des Widerstands, der auch als Antwort auf die Bartholomäusnacht (1572) gegen die Hugenotten zu verstehen war, gerechtfertigt ist (Widerstandsrecht).

Literatur

  • Udo Bermbach: Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat – Frankreich und Spanien im 16. Jahrhundert. In: Iring Fetscher, Herfried Münkler (Hrsg.): Pipers Handbuch der politischen Ideen. Bd. 3: Neuzeit. Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung, München 1985, S. 101–162.
  • Stefan Bildheim: Calvinistische Staatstheorien. Historische Fallstudien zur Präsenz monarchomachischer Denkstrukturen im Mitteleuropa der Frühen Neuzeit. Lang, Bern / Frankfurt 2001, ISBN 978-3-631-37533-4, zugleich Dissertation, Universität München (Rezension).
  • Jürgen Dennert: Ursprung und Begriff der Souveränität. Stuttgart 1964.
  • Jürgen Dennert: Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen. Übersetzt von Hans Klingelhöfer, hrsg. und eingeleitet von Jürgen Dennert, Köln/Opladen 1968.
  • Horst Dreitzel: Die Monarchomachen. In: Helmut Holzhey, Wilhelm Schmidt-Biggemann (Hrsg.): Grundriß der Geschichte der Philosophie. Bd. 4.1: Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Basel 2001, S. 613–638.
  • Robert von Friedeburg: Widerstand und Konfessionskonflikt. Berlin 1999.
  • Robert von Friedeburg (Hrsg.): Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im deutsch-britischen Vergleich. (= Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 26). Berlin 2001, ISBN 3-428-10629-6. Darin u. a. ders.: Widerstandsrecht im Europa der Neuzeit. Forschungsgegenstand und Forschungsperspektiven, S. 11–59.
  • Robert von Friedeburg: Bausteine widerstandsrechtlicher Argumente in der frühen Neuzeit (1523–1668). In: Christoph Strohm, Heinrich de Wall: Konfessionalität und Jurisprudenz in der frühen Neuzeit. Berlin 2009, S. 115–166.
  • Jürgen Hartmann, Bernd Meyer, Birgit Oldopp: Reformatoren und Monarchomachen. In: dies. (Hrsg.): Geschichte der politischen Ideen. Wiesbaden 2002, S. 47 ff. (Überblicksdarstellung).
  • Arthur Kaufmann (Hrsg.): Widerstandsrecht. Darmstadt 1972.
  • Paul-Alexis Mellet: „Le roy des mouches à miel …“. Tyrannie présente et royeauté parfaite dans les traités protestants (1560–1580). In: Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), ISSN 0003-9381, S. 72–96.
  • Paul-Alexis Mellet: Les Traités monarchomaques. Dissertation. Genève, 2007, 568 S., ISBN 978-2-600-01139-6. Rezension http://www.sehepunkte.de/2009/11/14421.html
  • Henning Ottmann: Monarchomachen. In: Geschichte des politischen Denkens, Die Neuzeit. Von Machiavelli bis zu den großen Revolutionen. Stuttgart 2006, S. 90 ff.
  • Richard Saage: Herrschaft, Toleranz, Widerstand. Studien zur Politischen Theorie der Niederländischen und der Englischen Revolution. Frankfurt 1981. Darin ders. u. a. zur Widerstandsproblematik: Von der ,Joyeuse Entrée‘ zum Widerstandsrecht der calvinistischen Monarchomachen, S. 23 ff.
  • Richard Saage: Demokratietheorien. Historischer Prozess – Theoretische Entwicklung – Soziotechnische Bedingungen. Eine Einführung. Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-14722-6, S. 77 ff. (Darstellung aus demokratietheoretischer Sicht).
  • Richard Saage: Widerstandsrecht und Toleranzprinzip im Aufstand der Niederlande. In: Axel Rüdiger (Hrsg.): Elemente einer politischen Ideengeschichte der Demokratie. Berlin 2007, S. 39–68.
  • Luise Schorn-Schütte: Obrigkeitskritik und Widerstandsrecht. Die ,politica christiana‘ als Legitimitätsgrundlage. In: dies. (Hrsg.): Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. (= Historische Zeitschrift. Beiheft 39). Oldenbourg, München 2004, S. 195–232.
  • Günter Stricker: Das politische Denken der Monarchomachen. Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Ideen im 16. Jahrhundert. Dissertation, Universität Heidelberg, 1967.
  • Christoph Strohm: Das Verhältnis von theologischen, politisch-philosophischen und juristischen Argumentationen in calvinistischen Abhandlungen zum Widerstandsrecht. In: Angela De Benedictis, Karl-Heinz Lingens (Hrsg.): Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jh.). Klostermann, Frankfurt, 2003, S. 141–174
  • Kurt Wolzendorff: Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt. Breslau 1916, 2. Nachdruck, Aalen 1968. Darin: Staatsrecht und Naturrecht in der Lehre der Monarchomachen.
  • Dieter Wyduckel: Althusius und die Monarchomachen. In: E. Bonfatti, G. Duso, M. Scattola (Hrsg.): Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica methodice digesta des Johannes Althusius. Wiesbaden 2002, S. 133–164.