Präsident des Nationalrates

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Präsident des Nationalrates
Wolfgang Sobotka 23-05-2013 01.JPG
Amtierender Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka
seit dem 20. Dezember 2017
Amtssitz Temporär: Redoutensaaltrakt, Hofburg, Wien
Normal: Parlamentsgebäude, Wien, Osterreich Österreich
Vorsitzender von Nationalrat
(und abwechselnd mit dem Bundesratspräsidenten: Bundesversammlung)
Gewählt von Nationalrat
Stellvertreter Zweiter und Dritter Nationalratspräsident
Webseite www.parlament.gv.at
Doris Bures, Zweite Präsidentin des Nationalrates
Norbert Hofer, Dritter Präsident des Nationalrates

Der Präsident des Nationalrates (kurz meist Nationalratspräsident) ist der Vorsitzende des Nationalrats, der ersten Kammer des österreichischen Parlaments.

Seit 20. Dezember 2017 ist Wolfgang Sobotka (ÖVP) Präsident des Nationalrats. Die Stellvertreter sind die Zweite Präsidentin, derzeit Doris Bures (SPÖ), und der Dritte Präsident, seit 23. Oktober 2019 Norbert Hofer (FPÖ).[1] Gemeinsam bilden sie das Präsidium des Nationalrates.[2]

Das Amt wird in Österreich seit Jahrzehnten, ähnlich wie das des Bundespräsidenten, als Institution der Identitätstiftung verstanden. In der Ersten Republik war das Amt hingegen Teil des Machtkampfes der großen politischen Lager.

Wahl

Der Präsident, der Zweite und der Dritte Präsident werden vom Nationalrat zu Beginn der Legislaturperiode aus seiner Mitte gewählt; wird das Amt während einer Legislaturperiode vakant, erfolgt eine Neuwahl, wie dies September 2014 für Doris Bures der Fall war. Rechtliche Grundlage ist Art. 30 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG).

Das Präsidium bleibt auch nach einer Auflösung des Nationalrats im Amt, bis der neugewählte Nationalrat seinen Vorsitz bestimmt. Dies gilt auch dann, wenn der Präsident der alten Legislaturperiode in der neuen Periode kein Mandat mehr innehat. Dies war zuletzt bei Präsident Andreas Khol der Fall, der bei den Nationalratswahlen 2006 nicht kandidierte und bis zur Wahl seiner Nachfolgerin Barbara Prammer weiterhin den Vorsitz innehatte.

Bereits in der Ersten Republik hat sich das ungeschriebene Gesetz eingebürgert, dass die stimmenstärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellt. In der Zweiten Republik ist es zur politischen Praxis geworden, dass die mandatsstärkste Partei den Präsidenten stellt, die zweitstärkste den zweiten Präsidenten und die drittstärkste Partei den dritten Präsidenten des Nationalrats.

Aufgaben

Die Aufgaben des Präsidenten bzw. seiner Stellvertreter sind in der Nationalratsgeschäftsordnung (GOGNR) im Detail geregelt. Der Präsident leitet die Geschäfte des Nationalrats und erstellt im Einvernehmen mit dem Zweiten und dem Dritten Präsidenten den Budgetvoranschlag für den Nationalrat. Er vertritt den Nationalrat nach außen und hat dafür zu sorgen, dass Würde und Rechte des Nationalrats gewahrt werden. Er beruft ihn zu seinen Sitzungen ein und führt – in der Praxis abwechselnd mit dem Zweiten und Dritten Präsidenten – in den Sitzungen den Vorsitz. Er handhabt die Geschäftsordnung und achtet auf deren Einhaltung (insbes. die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal), übt das Hausrecht im Parlamentsgebäude aus und hat alle Dienstgeberbefugnisse für die Bediensteten der Parlamentsdirektion (Ernennung der Bediensteten, Personalangelegenheiten). In der Bundesversammlung hat der Nationalratspräsident abwechselnd mit dem Bundesratspräsidenten den Vorsitz inne.

Die drei Nationalratspräsidenten und die Klubobleute bilden die Präsidialkonferenz, ein beratendes Organ betreffend die parlamentarische Arbeit im Nationalrat (zum Beispiel zu Tagesordnung, Sitzungsterminen).

Das Nationalratspräsidium als Kollegium ist zur Vertretung des Bundespräsidenten sowohl im Falle einer längeren Verhinderung als auch bei dauernder Erledigung der Stelle des Bundespräsidenten, beispielsweise durch Rücktritt, Tod oder Absetzung, berufen. Das stellt sicher, dass dessen Kontrollfunktion gegenüber der Regierung und ähnliche Mechanismen nicht verloren gehen.

Beendigung der Funktion

Die Funktion endet auf Grund der Geschäftsordnung automatisch mit der Wahl des Nachfolgers in der folgenden Legislaturperiode. Vorzeitige Beendigungen können nur durch Rücktritt des jeweiligen Präsidenten selbst, durch Verlust des Nationalratsmandats und durch Ableben erfolgen. Abgewählt oder abgesetzt werden kann er hingegen nicht.

Im März 1933 sind in einer turbulenten Sitzung alle drei Präsidenten des Nationalrats zurückgetreten. Die Bundesregierung Dollfuß nützte dies dazu, von der „Selbstausschaltung des Parlaments“ zu sprechen und den Wiederzusammentritt des Nationalrats zu verhindern. 1975 wurde in § 6 Abs. 2–4 GOGNR die Regel eingeführt, dass in einem solchen Fall der älteste in Wien anwesende Abgeordnete dazu verpflichtet ist, ohne Aufforderung von sich aus tätig zu werden, den Nationalrat einzuberufen und Präsidentenwahlen vorzunehmen.

Bestrebungen, Änderungen der Geschäftsordnung durchzuführen, die auch eine Beendigung durch Abwahl mit Zweidrittelmehrheit ermöglichen, gab es seitens der Nationalratspräsidentin Prammer als Folge von Aussagen des dritten Präsidenten Martin Graf im Mai 2009[3] und erneut beginnend im Mai 2012.[4][5]

Nachdem die bisherige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer aufgrund von Komplikationen im Zusammenhang mit ihrer Krebserkrankung Anfang Juli 2014 für längere Zeit ins Krankenhaus musste, übergab sie die Amtsgeschäfte am 1. Juli an ihren Stellvertreter Karlheinz Kopf. Nach dem Ableben Prammers am 2. August 2014 war das Amt des Präsidenten des Nationalrats bis 2. September 2014 vakant.[6]

Erste Republik (1918–1933)

Nationalversammlungspräsidenten der Ersten Republik
Name Amtszeit Partei
Karl Seitz, Präsident der Provisorischen Nationalversammlung (1) 21. Oktober 1918–4. März 1919 SDAP
Jodok Fink bzw. Johann Nepomuk Hauser, Präsident (1, 2) 21. Oktober 1918–4. März 1919 CS
Franz Dinghofer, Präsident (1) 21. Oktober 1918–4. März 1919 Deutschnationale Bewegung
Karl Seitz, Präsident der Konstituierenden Nationalversammlung (3) 4. März 1919–10. November 1920 SDAP

(1) Die drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung waren gleichberechtigt und wechselten sich in den drei Funktionen Präsident im Hause (= Vorsitzender der Nationalversammlung), Präsident im Rate (= Vorsitzender des Staatsrates) und Präsident im Kabinett (= Vorsitzender der Staatsregierung) wöchentlich ab.

(2) Jodok Fink trat nach der ersten Sitzung am 21. Oktober 1918 zurück; von der zweiten Sitzung am 30. Oktober 1918 an amtierte Johann Hauser.

(3) Die mit der Präsidentschaft verbundenen Funktionen des Staatsoberhauptes übte Karl Seitz bis 9. Dezember 1920 aus, dem Tag der Wahl des ersten Bundespräsidenten.

Nationalratspräsidenten der Ersten Republik
Name Amtszeit Partei
Richard Weiskirchner 19201923 CS
Wilhelm Miklas 19231928 CS
Alfred Gürtler 19281930 CS
Matthias Eldersch 19301931 SDAP
Karl Renner 19311933 SDAP
Zweite Nationalratspräsidenten der Ersten Republik
Name Amtszeit Partei
Matthias Eldersch 10. November 1920 – 14. Dezember 1920 SDAP
Karl Seitz 19201923 SDAP
Matthias Eldersch 19231930 SDAP
Rudolf Ramek 19301933 CS
Dritte Nationalratspräsidenten der Ersten Republik
Name Amtszeit Partei
Franz Dinghofer 19201926 GdP
Leopold Waber 19261930 GdP
Sepp Straffner 19301931 GdP
Stephan Tauschitz 19311932 LBd
Sepp Straffner 19321933 GdP

Zweite Republik (seit 1945)

Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik
Name Amtszeit Partei
Leopold Kunschak 19451953 ÖVP
Felix Hurdes 19531959 ÖVP
Leopold Figl 19591962 ÖVP
Alfred Maleta 19621970 ÖVP
Karl Waldbrunner 19701971 SPÖ
Anton Benya 19711986 SPÖ
Leopold Gratz 19861989 SPÖ
Rudolf Pöder 19891990 SPÖ
Heinz Fischer 19902002 SPÖ
Andreas Khol 20022006 ÖVP
Barbara Prammer 20062014 SPÖ
Doris Bures 20142017 SPÖ
Elisabeth Köstinger 9. November 2017–17. Dezember 2017 ÖVP
Wolfgang Sobotka 2017 ÖVP
Zweite Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik
Name Amtszeit Partei
Johann Böhm 19451959 SPÖ
Franz Olah 19591961 SPÖ
Friedrich Hillegeist 19611962 SPÖ
Karl Waldbrunner 19621970 SPÖ
Alfred Maleta 19701975 ÖVP
Roland Minkowitsch 19751986 ÖVP
Marga Hubinek 19861990 ÖVP
Robert Lichal 19901994 ÖVP
Heinrich Neisser 19941999 ÖVP
Thomas Prinzhorn 19992002 FPÖ
Heinz Fischer 20022004 SPÖ
Barbara Prammer 20042006 SPÖ
Michael Spindelegger 20062008 ÖVP
Fritz Neugebauer 20082013 ÖVP
Karlheinz Kopf 20132017 ÖVP
Doris Bures 2017 SPÖ
Dritte Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik
Name Amtszeit Partei
Alfons Gorbach 19451953 ÖVP
Karl Hartleb 19531956 WdU
Alfons Gorbach 19561961 ÖVP
Alfred Maleta 19611962 ÖVP
Josef Wallner 19621970 ÖVP
Otto Probst 19701978 SPÖ
Herbert Pansi 19781979 SPÖ
Rudolf Thalhammer 19791983 SPÖ
Gerulf Stix 19831990 FPÖ
Siegfried Dillersberger 15. März 1990 – 4. November 1990 FPÖ
Heide Schmidt 19901994 FPÖ, Liberales Forum
Herbert Haupt 19941996 FPÖ
Willi Brauneder 19961999 FPÖ
Andreas Khol 19992000 ÖVP
Werner Fasslabend 20002002 ÖVP
Thomas Prinzhorn 20022006 FPÖ
Eva Glawischnig-Piesczek 20062008 Grüne
Martin Graf 20082013 FPÖ
Norbert Hofer 20132017 FPÖ
Anneliese Kitzmüller 20172019 FPÖ
Norbert Hofer 2019 FPÖ

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Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Nationalratspräsident – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Konstituierende Sitzung: Sobotka als Nationalratspräsident gewählt. In: ORF.at. 23. Oktober 2019, abgerufen am 23. Oktober 2019.
  2. Präsidium In: Allgemeines Glossar auf der Website des österreichischen Parlaments, abgerufen am 13. Mai 2019: „Präsidium des Nationalrates – Der/die PräsidentIn, der/die Zweite und der/die Dritte PräsidentIn bilden das Präsidium des Nationalrates.“
  3. ÖVP will Grafs Abwahl nicht ermöglichen. ÖVP gegen Anlassgesetzgebung – Verfassungsrechtler uneins – Sonderpräsidiale einberufen. In: derStandard.at/APA, 28. Mai 2009, abgerufen am 13. Mai 2019.
  4. Causa Graf: Prammer will Abwahlmöglichkeit schaffen. Prammer will, dass Nationalratspräsidenten mit Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können. Die ÖVP pocht auf eine Zuständigkeit des VfGH. In: Die Presse/APA, 29. Mai 2012, abgerufen 13. Mai 2019.
  5. Graf weiter in Bedrängnis. In: ORF.at, 9. Juni 2012, abgerufen am 13. Mai 2019.
  6. Eilt-Aviso: Nationalratspräsidentin Barbara Prammer verstorben. In: Parlamentskorrespondenz Nr. 743 vom 2. August 2014.