Othello (Lovis Corinth)
Un Othello |
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Lovis Corinth, 1884 |
Öl auf Leinwand |
78 × 58,5 cm |
Lentos Kunstmuseum Linz |
Das Gemälde Othello des deutschen Malers Lovis Corinth zeigt einen schwarzen Hafenarbeiter oder Matrosen aus dem Hafen der Stadt Antwerpen als Brustporträt und wurde im Jahr 1884 gemalt. Der Künstler selbst betitelte das Gemälde rechts oben mit den Worten: „Un Othello“. Seit 1953 befindet es sich im Lentos Kunstmuseum Linz.
Bildbeschreibung
Vor einem tiefgrauen Hintergrund ist ein dunkelhäutiger Mann dargestellt, der den Oberkörper leicht zur linken Seite dreht; das Gesicht ist dem Betrachtenden zugewendet. Er trägt ein löchriges Wollhemd mit roten und weißen Querstreifen und weitem Kragen, das sehr grob gemalt ist. Von den Armen sind nur die Oberarme und rechts ein Stück des Unterarms sichtbar, das Hemd endet kurz vor dem Ellbogengelenk.[1]
Durch die dunkle Hautfarbe und das schwarze Haar sowie den schwarzgrauen Hintergrund sind die Gesichtszüge nur undeutlich zu erkennen, das Haar geht in den Hintergrund über. Das Gesicht selbst wird durch starke Lichter in Unruhe versetzt.[2]
Das Bild ist im linken oberen Bildfeld im Hintergrund signiert mit den Worten
- Lovis Corinth Anvers 84
und auf der rechten Seite mit
- Un Othello
überschrieben.[1]
Hintergrund und Deutung
Das Bild ist ein Frühwerk Corinths und wurde auf einer Reise in Antwerpen gemalt.[1] Corinth ging 1884 für drei Monate nach Antwerpen und studierte dort bei Paul Eugène Gorge, in dessen Atelier er auch dieses Bild sowie ein Porträt des Malers Paul Eugène Gorge (BC 22)[3] fertigte. Im selben Jahr konnte er mit seinem Gemälde Das Komplott (gemalt in München) seinen ersten internationalen Erfolg verbuchen: Das Bild wurde auf einer Ausstellung in London mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet (diese Auszeichnung wird von Ulrike Lorenz angezweifelt)[4] und 1885 im Pariser Salon gezeigt. Bei dem porträtierten Mann handelt es sich um einen Hafenarbeiter oder Matrosen aus dem Hafen von Antwerpen. Lothar Brauner stellt dabei das Bild in die Tradition und unter den Einfluss von Frans Hals, betont jedoch, dass Corinth dessen Bilder wahrscheinlich nicht gekannt hat.[5]
Gross verglich das Bild »Othello« mit dem dem Orientalismus zuzuordnenden Werk Ein Baschi-Bosuk von Jean-Léon Gérôme, um die Unterschiede der Bildnisse schwarzer Männer vor allem im Bezug auf die Sinnlichkeit der Bilder herauszustellen. Im Vergleich zu Corinths Othello zeigt der von Gérôme porträtierte schwarze Soldat „Ruhe, Sicherheit, Stolz, bekräftigt durch die Respekt einflößende Montur“ während Othello erregt wirkt.[2] Die formale Sinnlichkeit des Gérôme-Bildes ist geprägt durch eine zurückhaltende Darstellung und feine Abstimmung der Hell-Dunkel-Verteilung während bei Corinth eine „bewußte Auflösung in Farbflecken und Fleckzonen“ sowie die Nutzung heftiger Pinselzüge das Bild beherrscht.[2] Die durch das grobe Hemd und die Lichter im Gesicht vorhandenen starken Hell-Dunkel-Gegensätze versetzen das Bild in Unruhe. Nach Gross' Analyse gehört Corinths Porträt „in der humanistischen Tradition der psychologisch vertieften Negerdarstellung von Rembrandt und Frans Hals bis zu Géricault“ „dem ‚modernen‘, nach unmittelbarer Lebenswahrheit strebenden Realismus an.“[2]
Nach Andrea Bärnreuther scheint das Bild „in der ungewöhnlichen Direktheit Trübners Mohrenbildnissen (1873) das distanzierende Moment zu entreißen.“[6]
Provenienz
Das Gemälde Othello befand sich zuerst im Privatbesitz von R. Brackl in München, anschließend bei F. Dägling in Königsberg (heute Kaliningrad), H. Thannhäuser in München und J. Baer in Berlin. 1953 wurde das Bild von der Neuen Galerie der Stadt Linz (heute Lentos Kunstmuseum Linz) erworben.[1][5]
Belege
- ↑ a b c d Charlotte Berend-Corinth: Lovis Corinth. Werkverzeichnis. Neu bearbeitet von Béatrice Hernad. Bruckmann Verlag, München 1958, 1992; BC 19, S. 57. ISBN 3-7654-2566-4. Nach dem Werkverzeichnis von Charlotte Berend-Corinth zeigt das Bild einen „Neger in rot-weiß gestreiftem Wollhemd.“
- ↑ a b c d Friedrich Gross: Die Sinnlichkeit der Malerei Corinths. In: Zdenek Felix (Hrsg.): Lovis Corinth. 1858–1925. DuMont Buchverlag Köln 1985; S. 40–41. ISBN 3-7701-1803-0.
- ↑ Charlotte Berend-Corinth: Lovis Corinth. Werkverzeichnis. Neu bearbeitet von Béatrice Hernad. Bruckmann Verlag, München 1958, 1992; BC 22, S. 58. ISBN 3-7654-2566-4.
- ↑ Ulrike Lorenz: Lovis Corinth (185-1925). In: Ulrike Lorenz, Marie-Amélie zu Salm-Salm, Hans-Werner Schmiedt (Hrsg.): Lovis Corinth und die Geburt der Moderne. Kerber Verlag Bielefeld 2008; S. 210–211. ISBN 978-3-86678-177-1.
- ↑ a b Peter Brauner: Neger »Othello« In: Peter-Klaus Schuster, Christoph Vitali, Barbara Butts (Hrsg.): Lovis Corinth. Prestel München 1996; S. 100–101. ISBN 3-7913-1645-1.
- ↑ Andrea Bärnreuther: Biographie In: Peter-Klaus Schuster, Christoph Vitali, Barbara Butts (Hrsg.): Lovis Corinth. Prestel München 1996; S. 100–101. ISBN 3-7913-1645-1.
Literatur
- Peter-Klaus Schuster, Christoph Vitali, Barbara Butts (Hrsg.): Lovis Corinth. Prestel München 1996. ISBN 3-7913-1645-1
- Charlotte Berend-Corinth: Lovis Corinth: Die Gemälde. Neu bearbeitet von Béatrice Hernad. Bruckmann Verlag, München 1992; BC 586, S. 143. ISBN 3-7654-2566-4.