Negermusik

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Broschüre zur Ausstellung Entartete Musik (1938)

Negermusik ist ein abwertender Ausdruck für die von Afroamerikanern geprägten Musikstile wie Blues und Jazz. In Anlehnung daran wurde in den 1950er Jahren auch Rock ’n’ Roll noch so bezeichnet. Seltener wurde der Ausdruck auch für die einheimischen Musikstile der Schwarzafrikaner verwendet.

Nationalsozialismus

In Deutschland wurde zur Zeit der Weimarer Republik bereits 1927 Ernst Kreneks Oper Jonny spielt auf, die musikalische Anleihen aus dem Jazz enthielt, durch entsprechende Protestaktionen aus dem völkisch-nationalistischen Umfeld zum Skandalstück gemacht. Der amerikanische Musiker Henry Cowell interpretierte 1930 in der Zeitschrift Melos den Jazz als Mischung aus afroamerikanischen und jüdischen Elementen: „Die Grundlagen des Jazz sind die Synkopen und rhythmischen Akzente der Neger. Ihre Modernisierung ist das Werk von New Yorker Juden […] Jazz ist also Negermusik gesehen durch die Augen dieser Juden.[1] Solche Sichtweisen wurden von den Nationalsozialisten bereitwillig aufgegriffen. Ihre Kritikpunkte waren unter anderem „sinnlose Anwendung von Synkopen“, die „Schlagzeugorgien“[2], „künstlerische Zuchtlosigkeit“, „Verlotterung und Verschlampung im musikalischen Ausdruck“ und die „unanständigen Tanzformen“[3] bis hin zur Verunglimpfung der modernen Musik als „politischem Kampfmittel der Juden“[4]. Bereits 1930 veröffentlichte der thüringische Volksbildungs- und Innenminister, der Nationalsozialist Wilhelm Frick, einen Erlass wider die Negerkultur für deutsches Volkstum.[5]

1932 wurde von der Reichsregierung unter Franz von Papen ein Auftrittsverbot für schwarze Musiker veranlasst und 1935 vom Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky das „endgültige Verbot des Niggerjazz für den ganzen deutschen Rundfunk“ erlassen.[6]

Die 1938 von den Nationalsozialisten veranstaltete Ausstellung Entartete Musik setzte mit dem Titelblatt der zugehörigen Broschüre, das eine gehässige Karikatur eines saxophon­spielenden Schwarzen zeigte, die pauschale rassistische Diffamierung der zeitgenössischen US-amerikanischen Musik als „Negermusik“ ins Bild.[7]

Nachkriegszeit

Seitdem die rassistisch abwertende und verletzende Dimension des Begriffs „Neger“ in den 1950er und 1960er Jahren herausgearbeitet wurde, stehen Bezeichnungen, die den Begriff enthalten, den Konventionen eines antidiskriminierenden Sprachgebrauchs entgegen.[8] Noch in den 1950er Jahren wurde vor allem von Kirchen, Schulbehörden und Politikern vor der „obszönen Negermusik“ gewarnt, als der Rock ’n’ Roll vor allem in der Jugend Popularität erlangte.[9] Bei dieser auch noch bis in die 1960er Jahre fortdauernden Verwendung des abwertenden Begriffs, der nun auf die zeitgenössische Rockmusik bezogen wurde, kamen nicht nur beibehaltene rassistische Ressentiments, sondern in der „aggressiven Abwehr der neuen Jugendkultur“ auch der zeitgenössische Generationenkonflikt zum Vorschein.[10]

Literatur

  • Nanny Drechsler: Die Funktion der Musik im deutschen Rundfunk 1933–1945. Centaurus, Pfaffenweiler 1988, ISBN 3-89085-169-X (Dissertation an der Universität Freiburg).
  • Bernd Polster: „Swing Heil“, Jazz im Nationalsozialismus. Transit, Berlin 1989, ISBN 3-88747-050-8.
  • Heribert Schröder: Zur Kontinuität nationalsozialistischer Maßnahmen gegen Jazz und Swing in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. In: Ders. (Hrsg.): Colloquium: Festschrift Martin Vogel zum 65. Geburtstag. Schröder, Bad Honnef 1988, ISBN 3-926196-08-4.
  • Robert Stevenson: The Afro-American Musical Legacy to 1800. In: The Musical Quarterly. Jg. 54, Nr. 4 (Oktober 1968), S. 475–502.
  • Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich: Eine Dokumentation. Mohn, Gütersloh 1963, ISBN 3-550-07059-4.

Weblinks

Wiktionary: Negermusik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Bernd Polster: „Swing Heil“, Jazz im Nationalsozialismus. Berlin 1989, S. 9.
  2. Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich – Eine Dokumentation. Gütersloh 1963, S. 350.
  3. Nanny Drechsler: Die Funktion der Musik im deutschen Rundfunk 1933–1945. Pfaffenweiler 1988, S. 126.
  4. Joseph Wulf: Musik im Dritten Reich – Eine Dokumentation. Gütersloh 1963, S. 353.
  5. Heribert Schröder: Zur Kontinuität nationalsozialistischer Maßnahmen gegen Jazz und Swing in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Bad Honnef 1988, S. 176.
  6. Heribert Schröder: Zur Kontinuität nationalsozialistischer Maßnahmen gegen Jazz und Swing in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Bad Honnef 1988, S. 179.
  7. Marko Ikonic, Michael Boldhaus: Im Dritten Reich verboten – Entartete Musik, Folge 1. Auf cinemusic.de vom 18. April 2003.
  8. Grada Kilomba: Das N-Wort | bpb. Abgerufen am 19. September 2019.
  9. Martin Schäfer: Millionen von Elvis-Fans können sich nicht irren (Memento vom 24. Dezember 2012 im Internet Archive) (PDF; 26 kB). In: Gazette, Medienmagazin des SSM, ZDB-ID 2075992-7.
  10. Hubert Kleinert: Mythos 1968. Auf bbp vom 19. März 2008.