Nitropenta

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Strukturformel
Strukturformel von Nitropenta
Allgemeines
Name Nitropenta
Andere Namen
  • Pentaerythrityltetranitrat (INN)
  • 1,3-Bis(nitryloxy)-2,2-bis(nitryloxy-methyl)propan (IUPAC)
  • Pentaerythrittetranitrat
  • Pentaerythritoltetranitrat
  • Bis[(nitrooxy)methyl]propandioldinitrat
  • PETN
  • Pentastit
Summenformel C5H8N4O12
Kurzbeschreibung

explosiver Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 78-11-5
EG-Nummer 201-084-3
ECHA-InfoCard 100.000.987
PubChem 6518
ChemSpider 6271
DrugBank DB06154
Arzneistoffangaben
ATC-Code

C01DA05

Wirkstoffklasse

Vasodilatator

Eigenschaften
Molare Masse 316,15 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,778 g·cm−3 (22 °C, PETN-I)[2]

Schmelzpunkt

141–142,9 °C[2]

Siedepunkt

Zersetzung 163–170 °C[2]

Dampfdruck

1,36·10−7 mmHg (25 °C)[3]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[5] ggf. erweitert[1]
01 – Explosionsgefährlich

Gefahr

H- und P-Sätze H: 200
P: 201​‐​202​‐​372​‐​373​‐​380 [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Nitropenta (PETN, Pentrit, Pentaerythrityltetranitrat) ist ein Sprengstoff und Arzneistoff. Analog zu Nitroglycerin ist die Substanz im chemischen Sinn keine Nitroverbindung, sondern ein Nitrat, also ein Ester der Salpetersäure.

Geschichte

Bernhard Tollens und P. Wigand gelang 1891 die Synthese von Pentaerythrit durch alkalische Kondensation von Acetaldehyd und Formaldehyd.[6] Nitropenta wurde durch anschließende Veresterung mit Salpetersäure (Nitrierung) 1894 durch die Rheinisch-Westfälische Sprengstoff AG (Köln) hergestellt[7] und erstmals von Thieme als Zusatz zu rauchschwachen Pulvern empfohlen.[8] Die Verwendung von Nitropenta in Zündverstärkern wurde bereits 1912 von Claessen zum Patent angemeldet,[9] aber erst nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend im zivilen und militärischen Bereich eingesetzt.[2][10][11]

Darstellung

Die technische Darstellung erfolgt durch Eintragen von Pentaerythrit in konzentrierte Salpetersäure.[4]

Synthese von Nitropenta

Eigenschaften

Physikalisch-chemische Eigenschaften

Nitropenta tritt in zwei polymorphen Formen als farblose Kristalle auf, dem gebräuchlichen tetragonalen PETN-I (α-PETN) und dem orthorhombischen PETN-II (β-PETN), in das PETN-I bei 130 °C übergeht.[2] Die Dichte liegt bei 1,778 (22 °C, PETN-I) bzw. 1,716 (136 °C, PETN-II).[2] Nitropenta ist unlöslich in Wasser, wenig löslich in Ethanol, Diethylether und Benzol, aber gut löslich in Aceton und Methylacetat.[4]

Explosionskenngrößen

Nitropenta zählt zu den leistungsstarken, hochbrisanten und zudem relativ unempfindlichen sowie chemisch sehr stabilen Sprengstoffen.[4] Wichtige Explosionskennzahlen sind:

Verwendung

Datei:Sprengschnur2.jpg
Sprengschnur mit 12 Gramm/Meter kristallinem PETN[12]

Explosivstoff

Etwa ab 1926 war eine technische Anwendung durch großtechnische Produktion des Ausgangsstoffes Pentaerythrit möglich. Es begann die Verwendung als Bestandteil von Sprengkapseln, -schnüren und als hochbrisante Geschossfüllungen in Kombination mit TNT als Pentolit in kleineren Kalibern. Heute werden Nitropenta-Sprengschnüre im gewerblichen Bereich eingesetzt. Militärische Anwendungen nutzen den Stoff heute vor allem als Verstärkungs- und Übertragungladungen zwischen Initialsprengstoff und Hauptladung. In Verbindung mit Plastifizierungsmitteln, oft Silikonölen, wird Nitropenta als Plastiksprengstoff, beispielsweise unter dem Namen Semtex, eingesetzt oder mit Phlegmatisierungsmitteln wie Wachs zu Ladungen für Handgranaten verarbeitet. So taucht er unter anderem in der Handgranate der Deutschen Bundeswehr, der DM51, auf.

In den Jahren 2009/2010 setzten Terroristen Nitropenta beim Bau von Sprengsätzen ein.[13]

Medizinischer Wirkstoff

In der Medizin wird Nitropenta unter dem Namen „Pentalong“ als gefäßerweiterndes Medikament bei Angina pectoris eingesetzt, analog zu Glycerintrinitrat. Produktionsbedingt erhält man bei der Herstellung ein Gemisch aus Pentaerythrimono-, -di-, -tri- und -tetranitrat. Studien an Ratten hatten Hinweise ergeben, dass durch PETN keine Toleranzen im Körper entwickelt werden.[14] Allerdings existieren keine randomisierten, kontrollierten Studien, die für Pentaerythrityltetranitrat einen Vorteil bezüglich der Toleranzentwicklung beim Menschen zeigen. Auch das bei pektanginösen Beschwerden und Unruhezuständen verordnete Medikament Reoxyl-S enthielt neben Reoxyl (Hexobendin) und Phenobarbital den Nitrokörper PETN.[15]

Stand 2016: „Daraufhin hat das BfArM dem Langzeitnitrat jetzt die Nachzulassung erteilt – mit Wirkung zum 29. Juli 2016. Somit ist Pentalong® 50 mg nicht mehr länger fiktiv, sondern regulär zugelassen. Damit unterliegen die Tabletten auch ab sofort wieder der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.“ (Zitat Deutsche Apothekerzeitung online).[16]

Die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Uniklinikums Jena testet ab 2016 nach Angaben des Deutschen Ärzteblattes in einer klinischen, randomisierten und Placebo-kontrollierten Studie in 14 Studienzentren den Wirkstoff PETN, ob dieser sich zur Vorbeugung einer Mangelversorgung von Babys bei Risikoschwangeren eignet; in Laborexperimenten konnten die Wissenschaftler bereits nachweisen, dass die Einnahme des Wirkstoffs in der Schwangerschaft sicher ist: das Medikament könne nicht von der Plazenta zum Kind übergehen.[17]

Rechtliche Hinweise

Umgang, Verkehr und Einfuhr von PETN unterliegen in Deutschland dem Sprengstoffgesetz. Der Stoff wird in der Anlage II in die Stoffgruppe A eingeteilt.[18]

Verwandte Sprengstoffe

Chemisch ähnlich aufgebaute Sprengstoffe, die aus einem mit Salpetersäure veresterten mehrwertigen Alkohol bestehen, sind beispielsweise:

Handelsnamen

Monopräparate: Pentalong (D)[19]

Literatur

  • T. Urbanski: Chemistry and technology of explosives. 1961
  • R. Haas, J. Thieme: Synonymverzeichnis der Explosivstoffe
  • J. Gartz: Kulturgeschichte der Explosivstoffe, E. S. Mittler & Sohn. Hamburg 2006.
  • G. Hommel: Handbuch der gefährlichen Güter

Weblinks

Wiktionary: Nitropenta – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d Eintrag zu Pentaerythrittetranitrat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d e f Eintrag zu Pentaerythritoltetranitrat. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Mai 2014.
  3. Eintrag zu Pentaerythritol tetranitrate in der Hazardous Substances Data Bank, abgerufen am 15. Juni 2017 (online auf PubChem).
  4. a b c d e f g h i j k l m n o J. Köhler, R. Meyer, A. Homburg: Explosivstoffe, zehnte, vollständig überarbeitete Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7
  5. Eintrag zu Pentaerithrityl tetranitrate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  6. B. Tollens, P. Wigand (1891): Ueber den Penta-Erythrit, einen aus Formaldehyd und Acetaldehyd synthetisch hergestellten vierwerthigen Alkohol. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie, 265 (3), S. 316–340; doi:10.1002/jlac.18912650303.
  7. Jonas A. Zukas, William P. Walters: Explosive effects and applications. Springer New York, 1998 (Eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche), S. 41.
  8. G. Bugge: Schiess- und Sprengstoffe und die Männer die sie schufen, Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1942, S. 57.
  9. C. Claessen: Verfahren zur Herstellung von Zündsätzen für Sprengkapseln, Zündhütchen und Geschosszündungen, DE265025A, 8. Dezember 1912; online.
  10. A. Stettbacher: Spreng- und Schiesstoffe, Rascher Verlag, Zürich, 1948, S. 67.
  11. Lexikon der deutschen Explosivstoffmischungen. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 17. März 2015; abgerufen am 30. Dezember 2009.
  12. David Domjahn: Wer vermisst auch ein Päckchen PETN? In: sprengtechnik.de. David Domjahn, 15. März 2022, abgerufen am 15. März 2022 (deutsch).
  13. Spiegel Online: Ermittler finden 24 verdächtige Luftfrachtpakete, 30. Oktober 2010.
  14. Ärzte Zeitung Online: Warum das Nitrat PETN keine Toleranz macht. April 2007, abgerufen am 24. April 2011.
  15. Hans H. Lauer: Geschichtliches zur Koronarsklerose. BYK Gulden, Konstanz 1971 (Aus dem Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg), S. I–III.
  16. Kirsten Sucker-Sket (ks): Pentalong ist jetzt regulär zugelassen. 9. August 2016, abgerufen am 23. August 2016.
  17. Jenaer Uniklinik testet PETN zur Vorbeugung einer Mangelversorgung der Babys von Risikoschwangeren – DFG fördert klinische Studie (Studienleiterin: Tanja Groten). 8. September 2016, abgerufen am 12. September 2016.
  18. Sprengstoffgesetz - SprengG, abgerufen am 6. November 2018.
  19. Rote Liste online, Stand: April 2012.