Plötzlicher Herztod beim Sport

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Klassifikation nach ICD-10
I46.1 Plötzlicher Herztod, so beschrieben
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Plötzliche Herztod beim Sport (Syn.: Plötzlicher Sporttod, Plötzlicher Herztod bei Sportlern) ist ein durch Sport ausgelöster plötzlicher Herztod (PHT). Er stellt kein eigenes Krankheitsbild dar. Den Sport als auslösenden Faktor nimmt man bei einem PHT bis eine Stunde nach der körperlichen Belastung an.[1]

Verbreitung

Die Inzidenz für einen PHT beim Sport wird mit 0,5 bis 2 pro 100.000 Sportler angegeben, Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. In Frankreich beispielsweise erliegen jährlich zwischen ein- und zweitausend Sportler dieser Todesursache.[2] In Deutschland sterben etwa 900 Sportler jährlich an einem Herztod;[3] ein deutschlandweites Register für die genauere Erfassung des plötzlichen Herztodes beim Sport wurde 2012 initiiert.[4] Sportarten mit den häufigsten Herztodesfällen sind Triathlon (1,5/100.000), Basketball, American Football (USA), Fußball und Laufen (0,8/100.000).[1][5] Das Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, liegt bei jungen Sportlern 2,5-mal höher als bei Nichtsportlern.[6]

Mögliche Ursachen

Wie auch allgemein beim plötzlichen Herztod müssen drei Komponenten aus struktureller Herzerkrankung, Arrhythmie-Mechanismus und vorübergehendem Auslöser zusammenkommen. Der Auslöser beim plötzlichen Sporttod ist die körperliche Belastung. Die Herzerkrankungen unterscheiden sich nur in ihrer Verteilung. Am häufigsten bei Wettkampfsportlern ist die Hypertrophe Kardiomyopathie (46 % inkl. Verdachtsfälle), gefolgt von den eigentlich seltenen angeborenen Koronaranomalien (17 %) sowie der Myokarditis (7 %) und der Arrhythmogenen Rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVCM) mit (4 %). Je älter die Patienten werden, desto häufiger ist die Koronare Herzkrankheit die zugrundeliegende Erkrankung.[1] In manchen Regionen Italiens ist die ARVCM, wahrscheinlich aufgrund einer genetischen Häufung, die häufigste Ursache bei jungen Sportlern.[7]

Doping

Seit Jahrzehnten wird ein Zusammenhang zwischen plötzlichen Herztoden und Doping vermutet. Praktisch alle bekannten Dopingmittel können das Herz schädigen. Insbesondere Anabolika[8] und künstlich zugefügte Wachstumshormone können zu krankhaften Veränderungen des Herzens führen. Der Nachweis dafür, dass Doping für einen Fall plötzlichen Herztodes verantwortlich ist, ist in der Regel schwierig.[1] Zum einen sind möglicherweise verwendete Mittel im Blut des Sportlers zum Todeszeitpunkt oft nicht (mehr) nachweisbar, beispielsweise, wenn die Mittel in einer Trainingsphase ohne Dopingkontrollen eingenommen wurden. Zum anderen werden teilweise gar keine Autopsien vorgenommen, oder es wird kein Spezialist hinzugezogen, der doping-typische Herzmuskel- und -zellveränderungen feststellen könnte. Zuverlässige Statistiken oder Langzeitstudien zu dem Thema gibt es bisher nicht.[9][10]

Prävention

In einer Stellungnahme[11] empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Sportmedizin allen wettkampfaktiven Sportlerinnen und Sportlern eine Basisuntersuchung mit Ruhe-EKG sowie jährlich sportmedizinische Untersuchungen. Hierzu zählen:

Kardiovaskuläre Anamnese

Klinische Untersuchung

  • Gründlicher kardiovaskulärer Status (Auskultation/Palpation/Blutdruck-Messung)
  • Suche nach Hinweisen auf Bindegewebsstörung (Marfansyndrom)

Sonstiges

  • Ruhe-Elektrokardiogramm (bei Aufnahme einer Wettkampftätigkeit)
  • Serumcholesterin (über 35-Jährige)

Bei positiver Anamnese, pathologischen Herz- oder Gefäßgeräuschen, Hinweisen auf Rhythmusstörungen oder pathologischem Ruhe-EKG wird die Zuweisung zur weiteren fachärztlichen Abklärung empfohlen. Eine routinemäßige Durchführung von Belastungs-EKGs oder dopplerechokardiographischen Untersuchungen ist nicht gerechtfertigt.

Die Schweizerische Gesellschaft für Sportmedizin[12] empfiehlt im Weiteren eine langsame Steigerung der Belastung, da plötzliche ungewohnte Belastungen das Risiko für einen PHT steigern. Außerdem wird empfohlen, sportliche Betätigung bei bestehendem fieberhaftem Infekt zu unterlassen. Unter Belastung auftretende, ungewohnte Symptome (z. B. unklare Brustschmerzen, Schwindel, Bewusstseinsstörungen) oder Unwohlsein sollten als Warnsignal(e) angesehen werden.

Im November 2010 hat die französische Stiftung Cœur et Artères („Herz und Arterien“) einen Fonds zur Finanzierung von Forschungen auf diesem Gebiet eingerichtet und ihn nach Marc-Vivien Foé benannt.[13]

Verwandte Phänomene

Ein erhöhtes Risiko für (meist nicht tödliche) Herzinfarkte und Herzrhythmusstörungen besteht nach einer Meinung auch für Zuschauer, die eine spannende Fußballübertragung (z. B. Elfmeterschießen) im Stadion oder vor dem Fernsehgerät verfolgen.[14] Andere Arbeiten konnten jedoch keinen Zusammenhang von kardialen Ereignissen bei Zuschauern von Fußballspielen in Deutschland[15] und Italien[16] zeigen.

Literatur

  • Wilfried Kindermann, Axel Urhausen: Plötzlicher Herztod beim Sport. Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Köln 2000, ISBN 3-89001-131-4, S. 1–55 (online [PDF] Broschüre für Aktive und Betreuer).
  • B. Marti: Plötzlicher Herztod beim Sport: sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen. In: Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin. Band 46, Nr. 2, 1998, S. 83–85 (sgsm.ch [PDF] mit Anhang: Checklisten für nicht medizinisch geschulte Sportleiter und Adaptierte Fragebogen nach Ades als Leitfaden für die Anamnese).
  • Sportmedizin: Register zum plötzlichen Herztod. In: Deutsches Ärzteblatt. Jg. 109, Heft 18, 4. Mai 2012.

Einzelnachweise

  1. a b c d Wilfried Kindermann: Plötzlicher Herztod beim Sport. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. Band 56, Nr. 4, 2005, S. 106–107 (zeitschrift-sportmedizin.de (Memento vom 23. Februar 2014 im Internet Archive) [PDF]).
  2. Artikel bei France Football (Memento vom 22. November 2010 im Internet Archive) vom 21. November 2010.
  3. Wenn Joggen Lebensgefährlich wird. In: Hamburger Abendblatt. 2002.
  4. Online Register der Universität des Saarlandes für Fälle eines plötzlichen Hertodes
  5. Wie groß ist das Risiko für den Herztod beim Triathlon? In: Ärzte Zeitung. 30. März 2009.
  6. D. Corradoal u. a.: Does sports activity enhance the risk of sudden death in adolescents and young adults? In: Journal of the American College of Cardiology. Band 42, Nr. 11, 3. Dezember 2003, S. 1959–1963, PMID 14662259.
  7. Mewis, Riessen, Spyridopoulos (Hrsg.): Kardiologie compact – Alles für Station und Facharztprüfung. 2. Auflage. Thieme, Stuttgart/ New York 2006, ISBN 3-13-130742-0, S. 408 (books.google.de).
  8. Spiegel Online: Plötzlicher Herztod im Sport - „Leistungssport ist gefährlich fürs Herz“, abgerufen am 8. Mai 2012.
  9. ARD Radio Feature: Doping im Fußball (Memento vom 16. August 2010 im Internet Archive) (PDF).
  10. Spomedial: Plötzlicher Herztod und Doping (Memento vom 22. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  11. B. Marti, B. Villiger, M. Hintermann, R. Lerch: Plötzlicher Herztod beim Sport: sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen. In: Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin. Band 46, Nr. 2, 1998, S. 83–85 (sgsm.ch [PDF]).
  12. Schweizerische Gesellschaft für Sportmedizin, abgerufen am 15. April 2012.
  13. Artikel (Memento vom 22. November 2010 im Internet Archive) bei France Football. 21. November 2010.
  14. Herzinfarkt beim Elfmeterschießen. In: Stern. 31. Januar 2008 und Anpfiff zur Herzattacke. In: Süddeutsche Zeitung. 31. Januar 2008. (Die Originalarbeiten sind: Douglas Carroll u. a.: Admissions for myocardial infarction and World Cup football: database survey. In: British Medical Journal. Jg. 325.2002, S. 1439–1442 und: Ute Wilbert-Lampen u. a.: Cardiovascular Events during World Cup Soccer. In: New England Journal of Medicine. Jg. 358.2008, S. 475–483)
  15. D. Niederseer, C. W. Thaler, A. Egger, M. C. Niederseer, M. Plöderl, J. Niebauer: Watching soccer is not associated with an increase in cardiac events. In: Int J Cardiol. 2013 Dec 10;170(2), S. 189–194. doi:10.1016/j.ijcard.2013.10.066. Epub 2013 Oct 25.
  16. F. Barone-Adesi, L. Vizzini, F. Merletti, L. Richiardi: It is just a game: lack of association between watching football matches and the risk of acute cardiovascular events. In: Int J Epidemiol. 2010 Aug;39(4), S. 1006–1013. doi:10.1093/ije/dyq007. Epub 2010 Mar 7.