Plattwürmer

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Plattwürmer

Pseudobiceros bedfordi

Systematik
ohne Rang: Vielzellige Tiere (Metazoa)
ohne Rang: Bilateria
ohne Rang: Urmünder (Protostomia)
Stamm: Plattwürmer
Wissenschaftlicher Name
Plathelminthes
Gegenbaur, 1859
Klassen

Plattwürmer oder Plathelminthen (Plathelminthes, auch Platyhelminthes von griech.: platys = platt; helminthes = Würmer) sind einfache, zweiseitig symmetrische, abgeplattete, wurmförmige, wirbellose Tiere. Die meisten Arten sind Parasiten, wobei es allerdings auch freilebende, sich räuberisch ernährende Arten gibt. Zahlreiche Eigenschaften machen die Spezialisierung als Parasit oder Räuber möglich.

Von den vier Klassen der Plathelminthes werden die Bandwürmer (Cestoden), die Saugwürmer und die Hakensaugwürmer, also die parasitischen Formen, auch zu dem Unterstamm der Neodermata zusammengefasst. Die Klasse der Strudelwürmer umfasst alle freilebenden Arten.

Aufbau

Im Vergleich zu den Nesseltieren haben die Plattwürmer eine Reihe von evolutionären Entwicklungen durchgemacht:

  • Sie sind bilateralsymmetrisch, mit einer Hauptachse und einer Hauptbewegungsrichtung.
  • Dies macht eine Kopfbildung möglich, im Kopf konzentrieren sich Nervenzellen und bilden ein Nervenzentrum, ein einfaches Gehirn. Sie bilden in der Embryonalentwicklung ein drittes Keimblatt, das Mesoderm, aus. Dies ermöglicht die Entwicklung komplexer Organe und echten Muskelgewebes.

Integument

Die einschichtige, selten mehrreihige Epidermis (Oberhaut) der Plattwürmer ist sehr drüsenreich und ursprünglich mit Zilien besetzt. Die Drüsenzellen liegen innerhalb der basalen Matrix unterhalb der Epidermis. Die Sekretionskanäle der Drüsenzellen durchdringen die Epidermiszellen oder treten zwischen diesen hervor. Eine echte Cuticula kommt sehr selten vor, es gibt jedoch Verhärtungen in den Epidermiszellen (falsche Cuticula) oder Versteifungen der basalen Matrix.

Hautmuskelschlauch

Plattwürmer besitzen einen Hautmuskelschlauch, der die Stützfunktion des Körpers erfüllt. Er besteht aus der Epidermis, einer äußeren Ringmuskulatur und einer inneren Längsmuskulatur. Zwischen diesen beiden Muskulaturen liegen meistens zwei Schichten sich kreuzender Diagonalmuskelfasern. Die Muskelfasern sind ursprünglich einkernig und vom glatten Evertebraten-Typ. Im Hautmuskelschlauch selbst befinden sich keine Hohlräume.

Mesodermales Parenchym

Plattwürmer werden auch parenchymatöse Würmer genannt, weil sie fast alle ein Parenchym genanntes Füllgewebe zwischen Darm und Körperwand besitzen (mesodermales Bindegewebe), in das sämtliche Organe eingelagert sind (= acoelomat), womit die Plathelminthen als einfachster Stamm das Organisationsniveau von Organtieren erreichen. Bei Plathelminthen ist im Gegensatz zu den Coelenteraten Triblastie vorhanden, d. h., dass zwischen der ektodermalen Epidermis und dem entodermalen Verdauungsepithel das mesodermale Parenchym liegt. Dieses Parenchym besteht aus extrazellulärer Matrix und verschiedenen Zelltypen (Neoblasten, Muskelzellen, Parenchymzellen). Das Zytoplasma des Parenchyms dient gleichzeitig als intrazelluläres hydrostatisches Skelett. Nur bei einigen Mikroturbellarien tritt ein geräumiges Pseudocoel auf. Die Saugnäpfe der parasitischen Formen werden aus parenchymaler Muskulatur und dem Integument gebildet. Vor allem im Parenchym befinden sich Neoblasten, also undifferenzierte Stammzellen. Diese sind wichtig bei der Zellvermehrung in der Epidermis. Sie wandern in die Epidermis ein und bilden somit bei der Entwicklung der parasitischen Formen eine neue Körperdecke nach dem Verlust der ursprünglichen Epidermis. Daher stammt der Name Neodermata.

Nervensystem

Plattwürmer besitzen ein strickleiterförmiges Nervensystem. Eine wechselnde Anzahl an der Bauchseite liegender Nervenstränge verbinden sich vorn an der Kopfseite zu Nervenknoten (Zerebralganglion). Die Längsstränge sind häufig regelmäßig rechtwinklig (orthogonal) durch Kommissuren verbunden. Kommissuren, Zerebralganglion und Nervenstränge stellen das zentrale Nervensystem (ZNS) dar. Das periphere Nervensystem wird von netz- oder filzförmig angeordneten Nervenfasern gebildet, die mit dem zentralen Nervensystem verbunden sind. Die meisten Plathelminthen besitzen eine Vielzahl von Sinnesorganen. Dies ist auch bei parasitischen Formen der Fall. Vor allem Zilienrezeptoren mit unterschiedlichster Feinstruktur, verschiedene Typen von Pigmentbecherozellen und Statozysten sind häufig.

Verdauungssystem und Atmung

Plattwürmer verfügen weder über ein Blut- oder Kreislaufsystem noch über Organe für den Gasaustausch mit ihrer Umgebung. Nur einige wenige Saugwürmer besitzen ein mit Endothel ausgekleidetes Kanalsystem zwischen Darm und den Kanälchen der Protonephridien. Ein muskulärer, drüsenreicher Pharynx führt direkt in ein verästeltes Verdauungssystem, aus dem Nährstoffe direkt in alle Zellen diffundieren können. Der Darm endet meistens blind, bei manchen Parasiten (z. B. den Bandwürmern) ist er jedoch völlig rückgebildet. Bei diesen Formen werden die Nährstoffe über eine spezialisierte Körperoberfläche aufgenommen. Die Verdauung findet sowohl intra- als auch extrazellulär statt. Phagozytosezellen und exokrine Drüsen wechseln sich ab. Exkretionsorgane sind – außer bei Acoelomorpha – vor allem Protonephridien, aber seltener auch Paranephrozyten.

Sauerstoff diffundiert von außen in die Zellen (Mitochondrien). Um eine optimale Diffusion zu erreichen, sind vor allem die großen parasitischen Plathelminthes stark abgeplattet (Namensgebung), so dass die Diffusionsstrecke auf ein Minimum reduziert ist. Kleine freilebende Plathelminthen sind dagegen häufig rund.

Vorkommen

Ausgewachsener Saugwurm (Fascioloides magna), aus einer Rotwildleber isoliert

Nur etwa ein Viertel der Plattwürmer ist freilebend. Die freilebenden Arten trifft man häufig im Süßwasser und im Meer an Felsküsten und Riffen an (Sande, Schlamm, Algenaufwuchs). Sie leben benthisch, das heißt, sie sind bodenorientiert. Besonders in den Tropen und Subtropen gibt es einige wenige Arten, die terrestrisch leben. Freilebende Plattwürmer werden als die ursprünglichsten Bilateria angesehen und haben eine Größe zwischen 1 mm und 50 cm (Landtriclade Bipalium kewense in China oder auch Süßwasserplanarien des Baikalsees).

Plattwürmer sind aber vor allem für ihre parasitische Lebensweise bekannt. Besonders Saugwürmer und Bandwürmer haben auch den Menschen bzw. dessen Haustiere als End- oder Zwischenwirt.[1] Als Endwirte werden im überwiegenden Maße Wirbeltiere genutzt, während die Zwischenwirte häufig Wirbellose sind, besonders Schnecken und Gliederfüßer. Auch bei den Turbellarien gibt es endoparasitische und kommensalische Arten. Parasitische Arten werden häufig mehrere Zentimeter lang. Der größte wird bis 25 Meter lang – es ist der Fischbandwurm Diphyllobothrium latum.

Fortpflanzung

Zwei Plattwürmer vor der Begattung. Der doppelte Penis ist bei beiden Individuen gut sichtbar.

Die Plattwürmer sind vornehmlich proterandrische Zwitter und pflanzen sich normalerweise geschlechtlich fort. Die Komplexität der Reproduktionsorgane kann sehr hoch sein. Die Befruchtung findet immer innerlich statt und es ist immer ein Penis für die Übertragung der Spermien vorhanden. Die Geschlechtsöffnungen können getrennt sein, sie können aber auch in eine gemeinsame Kammer münden. Geschlechtszellen liegen ursprünglich frei im Parenchym bzw. an der Darmbasis oder sie befinden sich davon abgeleitet in Sackgonaden, die von Hüllzellen gebildet werden. Der Dotter wird ursprünglich von den Eizellen selbst angereichert, davon abgeleitet wird er bei den meisten Plathelminthen von spezialisierten Dotterzellen (Vitellocyten) im Dotterstock (Vitellarium) gebildet. Bei parasitischen Formen laufen Dottergänge, Eileiter, Receptaculum seminis und Schalendrüsen im Ootyp zusammen. Dort werden Spermien, Ei und Dotter in die Eischale gehüllt und in den Uterus befördert.

Im Geschlechtssystem weiblicher Band- und Saugwürmer findet sich auch die nach Eduard Mehlis benannte Mehlissche Drüse, die den Ootyp umgibt, ihre Funktion ist noch umstritten.[2]

Bei parasitischen Plattwürmern sind Larvenstadien in der Entwicklung die Regel; bei freilebenden Plathelminthes hingegen kommen Larven seltener vor. Müllersche, Goettesche und Luthersche Larven freilebender Formen werden als sekundäre Entwicklungen aufgefasst. Die direkte Entwicklung ohne Larvenstadium wird als die ursprünglichere Entwicklung angesehen. Larvenstadien sind z. B. Miracidium, Zerkarie, Oncosphaera oder Oncomiracidium.

Allerdings berichtete schon Thomas Hunt Morgan (1927–1933) von einer asexuellen Vermehrungsmöglichkeit durch Querteilung mit vorausgegangener Differenzierung der neuen Organsysteme (Paratomie) oder ohne vorausgegangene Differenzierung (Architomie). Vereinzelt kommt es bei einigen freilebenden Formen auch zur Knospung am Hinterende. Heute ist auch bei den Trematoda ein Klonen durch Parthenogenese (Jungfernzeugung) bekannt.

Bedeutung für die Forschung

Die Plattwürmer wurden lange Zeit als besonders urtümliche Bilateria (zweiseitig symmetrische Tiere) angesehen. In evolutionsbiologischen Rekonstruktionen wurden frühe Plattwürmer daher oft als direkte Nachkommen bestimmter radiärsymmetrischer Tiere dargestellt (beispielsweise der Rippenquallen) und entsprechende Homologiebeziehungen angenommen (z. B. Entstehung des typischen Plattwürmer-Parenchyms aus der bindegewebigen Mesogloea der Rippenquallen). Zurzeit sind diese Modelle nur noch eingeschränkt gültig, da Plattwürmer in molekularbiologischen Stammbäumen keinen frühen Bilaterier-Zweig repräsentieren – es könnte sich sogar um sekundär vereinfachte Formen handeln. Nur eine bestimmte ehemalige Plattwurmgruppe, die Acoelomorpha (siehe auch Abschnitt „Systematik“), zweigt sehr früh ab und könnte somit urtümliche Bilaterier repräsentieren. Von der Erforschung der Acoelomorpha erhofft man sich daher Hinweise auf die evolutive Entstehung der Bilateria.

Abgesehen von evolutionsbiologischen Fragen spielten in der Forschung traditionell eher bestimmte Turbellarienvertreter eine wichtige Rolle, siehe hierzu den Artikel Strudelwürmer.

Systematik

Bildtafel Nr. 75 „Platodes“ (Plattentiere) aus Ernst Haeckels Kunstformen der Natur, 1904

Innerhalb der Plattwürmer unterscheidet man vier Klassen mit etwa 35 Ordnungen, die ungefähr 20.000 Arten umfassen:

Die drei ersten Taxa, die parasitisch lebenden Plattwürmer, werden unter dem Namen Neodermata zusammengefasst. Die Strudelwürmer umfassen alle freilebenden Arten der Plattwürmer, sind jedoch eine paraphyletische Gruppe, das heißt, sie haben eine gemeinsame Stammform, enthalten aber nicht alle Taxa, die von dieser Stammform abstammen. Stattdessen werden die Plattwürmer heute in zwei monophyletische Gruppen aufgeteilt, die Catenulida und die Rhabditophora, zu denen auch die Neodermata gehören:

Die wahrscheinlichen verwandtschaftlichen Verhältnisse zeigt folgendes Kladogramm:[3]

  Plattwürmer  

 Catenulida


  Rhabditophora  

 Macrostomorpha


   

 Polycladida


   

 Lecithoepitheliata


  Neoophora  

 Neoophora i. e. S. 


  Neodermata  

 Hakensaugwürmer (Monogenea)


   

 Bandwürmer (Cestoda)


   

 Saugwürmer (Trematoda)


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Vorlage:Klade/Wartung/3Vorlage:Klade/Wartung/4


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Die ursprünglich zu den Strudelwürmern gezählten Acoelomorpha gelten heute als Unterstamm der Xenacoelomorpha.[4]

Siehe auch

Literatur

  • Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Band 1. Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-1482-2.

Weblinks

Commons: Plattwürmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vgl. etwa Hans Adolf Kühn: Darmparasiten. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 834–841, hier: S. 834–837: Plathelminthen (Plattwürmer).
  2. Cleveland P. Hickman: Zoologie, 2008, ISBN 3-8273-7265-8, S. 1280
  3. Hynek Burda, Gero Hilken, Jan Zrzavý: Systematische Zoologie. 1. Auflage. UTB, Stuttgart 2008, ISBN 3-8252-3119-4, S. 105.
  4. Hervé Philippe, Henner Brinkmann, Richard R. Copley, Leonid L. Moroz, Hiroaki Nakano, Albert J. Poustka, Andreas Wallberg, Kevin J. Peterson, Maximilian J. Telford: Acoelomorph flatworms are deuterostomes related to Xenoturbella. In: Nature, Band 470, 10. Februar 2011, doi:10.1038/nature09676, S. 255–258.