Massaker von Granada
Das Massaker von Granada war ein Pogrom an Juden, das 1066 in Granada zur Zeit der Herrschaft der Ziriden im islamischen Herrschaftsgebiet von al-Andalus stattfand. Es gilt als erstes Pogrom auf europäischem Boden. Am 30. Dezember stürmte eine muslimische Menschenmenge den Königspalast, kreuzigte den jüdischen Wesir Joseph ibn Naghrela, Sohn von Schmuel ha-Nagid, und massakrierte den Großteil der jüdischen Bevölkerung der Stadt. Mehr als 1.500 jüdische Familien, rund 4.000 Personen, wurden ermordet.[1]
Bewertungen
Der Rabbi Abraham ibn Daud (1110–1180) schrieb in seinem Geschichtswerk Sefer ha-Kabbalah[2] über Joseph, dass er hochmütig wurde bis zu seiner Vernichtung; die Adligen der Berber wurden zunehmend eifersüchtig, bis er schließlich ermordet wurde.
Dem britischen Orientalisten Bernard Lewis zufolge wird das Massaker „im Allgemeinen als Reaktion der muslimischen Bevölkerung gegen einen mächtigen und prahlerischen jüdischen Wesir gesehen“.[3] Lewis schreibt:
„Besonders kennzeichnend ist in dieser Hinsicht ein altes antisemitisches Gedicht von Abu Ishaq, das 1066 in Granada geschrieben wurde. Dieses Gedicht, von dem angenommen wird, dass es beitrug, den antijüdischen Ausbruch in diesem Jahr zu provozieren, enthielt die Zeilen:
- Betrachtet es nicht als einen Glaubensbruch, sie zu töten, der Glaubensbruch wäre, sie weitermachen zu lassen.
- Sie haben unser Abkommen mit ihnen gebrochen, wie könnt ihr gegen die Übertreter schuldig sein?
- Wie können sie sich auf einen Vertrag berufen, wenn wir im Schatten stehen und sie hervorragen?
- Jetzt sind wir erniedrigt, stehen unter ihnen, als ob wir die Falschen wären und sie die Wahren!“[4]
Lewis stellt die These auf, dass solche Reden und Gewaltausbrüche wie in Granada von 1066 in der islamischen Geschichte selten seien.
Der amerikanische Historiker Walter Laqueur charakterisiert das Ereignis als Pogrom: „Die Juden konnten in der Regel keine öffentlichen Ämter einnehmen (wie gewöhnlich gab es Ausnahmen), und es gab gelegentlich Pogrome, wie das von Granada 1066.“[5]
Der spanische Harvardprofessor Darío Fernández-Morera weist darauf hin, dass dem Pogrom noch mehr Juden zum Opfer fielen als in den bekannten christlichen Pogromen im Rheinland zum Auftakt des 1. Kreuzzuges dreißig Jahre später.[6]
Auswirkungen
Die jüdische Gemeinde von Granada erholte sich in den folgenden Jahren, wurde aber 1090 unter den Almoraviden unter Yusuf ibn Taschfin erneut angegriffen. Dieses Ereignis wird von manchen als das Ende des goldenen Zeitalters des Judentums in Spanien angesehen.
Literatur
- André Clot: Das maurische Spanien: 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Albatros, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-96116-5, S. 198 f.
- Thomas Freller: Granada. Königreich zwischen Orient und Okzident. Thorbecke, Ostfildern 2009, ISBN 978-3-7995-0825-4, S. 33 f.
- Wilhelm Hoenerbach (Hrsg.): Islamische Geschichte Spaniens: Übersetzung der Aʻmāl al-a'lām und ergänzender Texte. Artemis, Zürich/Stuttgart 1970, S. 419–422.
- Arnold Hottinger: Die Mauren: arabische Kultur in Spanien. Reprint der 3. Auflage, Wilhelm Fink Verlag, München 2005, ISBN 3-7705-3075-6, S. 146–148.
Weblinks
- Richard Gottheil, Meyer Kayserling: Nagdela (Nagrela), Abu Husain Joseph Ibn. In: Jewish Encyclopedia. 1906 (englisch).
- Virtual Jewish World: Granada, Spain. In: Jewish Virtual Library. (englisch).
- 1066 December 30, Granada (Spain). Jewish Agency for Israel (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ Richard Gottheil, Meyer Kayserling: Granada. In: Jewish Encyclopedia. 1906, abgerufen am 18. August 2018 (englisch).
- ↑ Abraham Ibn Daud: ספר הקבלה לרב אברהם בןריר. (PDF; 2,4 MB) Abgerufen am 18. August 2018 (hebräisch).
Abraham Ibn Daud: On Samuel Ha-Nagid, Vizier of Granada, 993-d after 1056. Medieval Sourcebook, abgerufen am 18. August 2018 (englisch, Übersetzung von Jacob Marcus: The Jew in the Medieval World: A Sourcebook. JPS, New York, 1938, S. 297–300). - ↑ Bernard Lewis: The Jews of Islam. Princeton University Press, 1984, S. 54.
- ↑ Bernard Lewis: The Jews of Islam. Princeton University Press, 1984, S. 44–45.
- ↑ Walter Laqueur: The Changing Face of Antisemitism: From Ancient Times to the Present Day. Oxford University Press, 2006, ISBN 0-19-530429-2, S. 68.
- ↑ Darío Fernández-Morera: The Myth of the Andalusian Paradise. (PDF; 193 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Intercollegiate Review. 2006, S. 23–31, hier S. 25, archiviert vom Original am 5. Dezember 2017; abgerufen am 18. August 2018 (englisch).