Polnische Vereinigte Arbeiterpartei
Polska Zjednoczona Partia Robotnicza Polnische Vereinigte Arbeiterpartei | |
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Gründung | 15. Dezember 1948 |
Auflösung | 27.–30. Januar 1990 (Selbstauflösung) |
Hauptsitz | ul. Nowy Świat 6/12 00-497 Warszawa |
Jugendorganisation | Związek Młodzieży Polskiej (1948 – 1957) Związek Młodzieży Socjalistycznej (1957 – 1976) Związek Socjalistycznej Młodzieży Polskiej (1976 – 1989) |
Zeitung | Trybuna Ludu (Volkstribüne) |
Ausrichtung | Kommunismus Marxismus-Leninismus |
Mitgliederzahl | 3.000.000 (1980) |
Internationale Verbindungen | Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien (Kominform) |
Die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (polnisch: Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, kurz: PZPR) war eine von 1948 bis 1990 bestehende Partei in der Volksrepublik Polen, die eine marxistisch-leninistische Ausrichtung vertrat. Als sämtliche Staats- und Regierungschefs stellende Partei der VR Polen war sie zeit ihres Bestehens die führende politische Kraft im Land.
Geschichte
Die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei wurde auf einem Vereinigungsparteitag der Polnischen Arbeiterpartei (Polska Partia Robotnicza, PPR) und der Polnischen Sozialistischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS) vom 15. bis 21. Dezember 1948 im Hauptgebäude der Technischen Universität Warschau gegründet.
Zunächst wurde die Partei durch Bolesław Bierut geführt, bevor dieser 1956 in Moskau während des XX. Parteitags der KPdSU verstarb. Unter Bierut wurde die neu geschaffene Partei als auch die von ihr regierte Volksrepublik Polen in enger Anlehnung an die Sowjetunion aufgebaut. Große wirtschaftliche Probleme beim Wiederaufbau des kriegs- und besatzungszerstörten Landes sowie auch die geringe Stärke bereits vor 1948 aktiver kommunistischer Kader führten dazu, dass sich im ZK als auch andernorts in der Partei Strömungen bildeten, die eine weniger enge Anbindung an die Sowjetunion wünschten. Diese wurden von Bierut jedoch erfolgreich bekämpft und konnten erst nach dem Abtritt seines kurzlebigen Nachfolgers, Edward Ochab, in Folge des Posener Aufstands von 1956 ihren Einfluss innerhalb der Partei steigern.
Mit dem Machtantritt Władysław Gomułkas im Herbst 1956 wurde die enge Bindung an das sowjetische Vorbild gelockert und ein "polnischer Weg" zum Sozialismus proklamiert. Im Rahmen dieser Politik wurde u. a. die angefangene Kollektivierung der Landwirtschaft abgebrochen, Lockerungen im kulturellen Bereich ermöglicht und die Tätigkeit des unter Bierut um sich greifenden Staatssicherheitsapparates etwas beschränkt.
Vor allem aufgrund der ökonomischen Stagnation und dem daraus resultierenden Aufstand vom Dezember 1970 in Polen wurde Gomułka 1970 durch Edward Gierek ersetzt. Seine Zeit als Erster Sekretär des ZK der PVAP war vollem durch den Versuch einer beschleunigten Modernisierung der polnischen Wirtschaft und die Verbesserung der Kontakte zu den westlichen Ländern geprägt. Nach der misslungenen Rückzahlung der zahlreichen Auslandskredite und der Überschuldung des Landes bei gleichzeitig weiter sinkendem Lebensstandard kam es jedoch bereits seit Mitte der 1970er Jahre zu erneuten Protesten, die 1976 und 1980 kulminierten.
1980 wurde Gierek kurzzeitig durch Stanisław Kania ersetzt, der jedoch die aufgebrachte Stimmung im Lande und das Anwachsen des Einflusses der Solidarność nicht eindämmen konnte. Auf ihn folgte 1981 Wojciech Jaruzelski, der im selben Jahr das Kriegsrecht ausrief und damit die Solidarność-Bewegung eindämmen konnte, jedoch bis Ende der 1980er Jahre trotz verschiedenster Ansätze keine Besserung der wirtschaftlichen Lage erreichen konnte.
Unter Mieczysław Rakowski (1989 bis 1990) schlug die Partei schließlich den Weg der Kooperation mit der politischen Opposition ein und besiegelte somit das allmähliche Ende ihrer Herrschaft. Ab Januar 1990 wurden in ganz Polen Gebäude der Partei besetzt um so den Diebstahl des Vermögens und die Vernichtung der Archivbestände zu verhindern. Am 29. Januar 1990 fand der XI. Parteitag der PZPR statt, auf dem die Umwandlung der Partei vorangebracht werden sollte. Letztlich kam es zu ihrer Selbstauflösung.
Aus der Mitgliedschaft der PVAP gab es Initiativen zur Gründung von zwei neuen, sozialdemokratisch orientierten Parteien. Einerseits entstand die Sozialdemokratie der Polnischen Republik (Socjaldemokracja Rzeczypospolitej Polskiej, SdRP), deren Hauptinitiatoren Leszek Miller und Mieczysław Rakowski waren und die später in der SLD aufgehen sollte sowie von 1993 bis 1997 als auch von 2001 bis 2005 an der Regierung beteiligt war. Andererseits entstand die Sozialdemokratische Union der Republik Polen (Unia Socjaldemokratyczna Rzeczypospolitej Polskiej, USdRP) die 1992 in der Partei Arbeitsunion (Unia Pracy) aufgehen sollte, die von 2001 bis 2005 ebenfalls an der Regierung beteiligt war.
Die SdRP sollte unter anderem alle Rechte und Pflichten der PZPR übernehmen und in der Abwicklung des Eigentums der ehemaligen PZPR behilflich sein. Diese verfügte Ende der 1980er Jahre über beträchtliche Einnahmen, vor allem durch ihren Immobilienbesitz, sowie aus dem Unternehmen „Prasa-Książka-Ruch“ (Presse-Buch-Bewegung), welchem wiederum besondere Steuervergünstigungen zuteilwurden. Zu dieser Zeit machten die Mitgliedsbeiträge lediglich 30 % der Gesamteinnahmen der PZPR aus.
Gegen Ende des Jahres 1990 fand im Sejm eine intensive Debatte über die Art und Weise der Übernahme des Vermögens der ehemaligen PZPR statt. Dieses bestand u. a. aus 3000 Immobilien, von denen ca. die Hälfte ohne jegliche Rechtsgrundlage genutzt wurde. Die Befürworter der Übernahme des Vermögens der PZPR argumentierten, dass dieses durch Raub und Zahlungen aus dem Staatshaushalt entstanden war, und daher von der Gesellschaft als Ganzes erarbeitet worden sei. Die Gegner aus der SdRP waren der Meinung, das Vermögen sei durch Mitgliedsbeiträge entstanden und verlangten, die SdRP, die zu dieser Zeit das Vermögen verwaltete, solle vermögensrechtlich die Rechtsnachfolge der PZPR antreten. Dabei unterlagen das bewegliche Eigentum und die Konten der ehemaligen PZPR nicht der Kontrolle durch den Sejm.
Am 9. November 1990 verabschiedete der Sejm das „Gesetz über die Übernahme des Vermögens der ehemaligen PZPR“. Dieses sollte letztlich zur Übernahme des Immobilienvermögens der PZPR durch den Staat führen. Ein Teil der Immobilien wurde bis zum Jahr 1992 übernommen, größtenteils zugunsten von Kommunalen Gebietskörperschaften. Um den Rest hielten gerichtliche Auseinandersetzungen noch bis ins Jahr 2000 an. Das bewegliche Eigentum und Geldvermögen der PZPR sind praktisch verschwunden. Laut der Angaben von Abgeordneten der SdRP wurden ca. 90–95 % der Parteivermögens für die Auszahlung von Abfindungen an hauptamtliche Mitarbeiter sowie für soziale Zwecke verwendet.
Ziele und Aufbau
Laut der 1976 geänderten Verfassung der VR Polen von 1952 war die PVAP die „[...] leitende politische Kraft der Gesellschaft beim Aufbau des Sozialismus [...]“[1]. Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1990 war sie tatsächlich die alle gesellschaftlichen Bereiche – außer der katholischen Kirche – bestimmende politische Kraft der Volksrepublik Polen, die das Ziel einer sozialistischen Entwicklung mit dem Fernziel des Kommunismus hatte.
Bis zum Jahr 1989 war die PZPR eine, mit quasi absoluter Macht ausgestattete, Staatspartei, welche im Bund mit „befreundeten Parteien und Organisationen“ die Gesellschaft kontrollierte und vor allem die Sicherheits-, die Außen- und die Wirtschaftspolitik des Landes steuerte. Die Partei war nach dem Prinzip des „Demokratischen Zentralismus“ organisiert, wonach die Entscheidungsfindung, die Leitung der Partei als auch die Besetzung der führenden Posten innerhalb der Partei demokratisch erfolgen sollte. In der Praxis spielten das ZK (Komitet Centralny, KC), dessen Politbüro (Biuro Polityczne) und Sekretariat, die entscheidende Rolle. Die Partei selbst als auch ihre Organe unterstanden zudem einer genauen Beobachtung durch die Sowjetunion. Diese schalteten sich bei wichtigen politischen und personellen Entscheidungen auch ein (mal direkt, mal indirekt), obwohl diese eigentlich ausschließlich Sache der Parteitage (Zjazd) gewesen wären, welche in etwa alle fünf bis sechs Jahre stattfanden. In den Zeiten zwischen den Parteitagen, fanden die Versammlungen der Parteiorganisationen auf Ebene der Woiwodschaften, Powiats (Kreise), Gemeinden und Betriebe statt.
Die kleinste Organisationszelle stellte die sogenannte Basisparteiorganisation (Podstawowa Organizacja Partyjna, POP) dar, welche in Betrieben, Hochschulen, Kultureinrichtungen usw. tätig war. Die wichtigste Rolle übernahmen in der PZPR die Berufspolitiker, das sog. „Parteiaktiv“ (aktyw partyjny). Dieser Bestand aus Personen, die für die Leitung von staatlichen Institutionen, gesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften etc. geschult wurden. Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung (Ende der 1970er Jahre) betrug die Mitgliederzahl über 3,5 Millionen. Das Politbüro des ZK, das Sekretariat sowie die Woiwodschaftskomitees entschieden über die Vergabe von Schlüsselpositionen innerhalb der Partei, aber auch in jeglichen Einrichtungen, welche die Bezeichnung „staatlich“ im Namen führten – angefangen bei Zentralbehörden, bis hin selbst zu kleinen staatlichen Unternehmen und Genossenschaften. In einigen Bereichen wurden Posten jedoch auch an mit der PVAP verbündete Parteien, also der Vereinigten Bauernpartei (Zjednoczone Stronnictwo Ludowe, ZSL) (vor allem im Bereich der Landwirtschaft) sowie der Demokratischen Partei (Stronnictwo Demokratyczne, SD) (vor allem im Bereich des Handwerks, des Kleinunternehmertums und bei einigen Genossenschaften) vergeben.
Parteisekretäre
Bis zum Jahr 1954 stand der Vorsitzende des ZK an der Spitze der Partei.
- I. Sekretär Bolesław Bierut (22. Dezember 1948–12. März 1956; bis 17. März 1954 als Generalsekretär)
- I. Sekretär Edward Ochab (20. März 1956–21. Oktober 1956)
- I. Sekretär Władysław Gomułka (21. Oktober 1956–20. Dezember 1970)
- I. Sekretär Edward Gierek (20. Dezember 1970–6. September 1980)
- I. Sekretär Stanisław Kania (6. September 1980–18. Oktober 1981)
- I. Sekretär Wojciech Jaruzelski (18. Oktober 1981–29. Juli 1989)
- I. Sekretär Mieczysław Rakowski (29. Juli 1989–29. Januar 1990)
Parteitage
- I. (Gründungs-)Parteitag der PZPR, 15.–22. Dezember 1948
- II. Parteitag, 10.–17. März 1954
- III. Parteitag, 10.–19. März 1959
- IV. Parteitag, 15.–20. Juni 1964
- V. Parteitag, 11.–16. November 1968
- VI. Parteitag, 6.–11. Dezember 1971
- VII. Parteitag, 8.–12. Dezember 1975
- VIII. Parteitag, 11.–15. Februar 1980
- IX. (Außerordentlicher) Parteitag, 14.–20. Juli 1981
- X. Parteitag, 29. Juni–3. Juli 1986
- XI. Parteitag, 27.–30. Januar 1990 (Selbstauflösung der Partei)
Bekannte Mitglieder
Sitz des Zentralkomitees
Bis zum Jahr 1990 befand sich das Entscheidungszentrum der PZPR in einem in den Jahren 1948–1952 aus obligatorischen Beiträgen des ganzen Volkes errichteten Gebäude. Dieses hieß offiziell Haus der Partei (Dom Partii), umgangssprachlich hingegen Weißes Haus (poln. Biały Dom). Seit 1991 befindet sich im Gebäude das Zentrum für Finanz- und Bankwesen (poln. Centrum Bankowo-Finansowe). Im Zeitraum 1991–2000 hatte hier ebenfalls die Warschauer Wertpapierbörse ihren Sitz. In den Jahren 1918–1931 befand sich an dieser Stelle das Gebäude des Verkehrsministeriums und davor, 1831–1918, der Rechnungshof.
Siehe auch
- Politische Parteien in Polen
- Partisanen (Fraktion der PVA)
- Volksrepublik Polen
- Geschichte Polens 1945 bis 1989
- Posener Aufstand (1956)
- Polnischer Oktober
- März-Unruhen 1968 in Polen
- Aufstand vom Dezember 1970 in Polen
- Polnischer Volksaufstand im Juni 1976
- August-Streiks 1980 in Polen
- Kriegsrecht in Polen 1981–1983
- Runder Tisch (Polen)
Literatur
- Gerd Kaiser, Aleksander Kochański: „Mit dieser Masche kommt ihr nicht durch …“. Die Widerspiegelung der gesellschaftlichen Krise 1956 im Politbüro der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. 5. Jahrgang, Heft 3, 2006, S. 125–146.
- Tytus Jaskułowski: Das politische System der Volksrepublik Polen in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens. In: Uwe Backes, Günther Heydemann, Clemens Vollnhals (Hrsg.): Staatssozialismen im Vergleich. Staatspartei – Sozialpolitik – Opposition (= Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschungg. 64). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-37077-3, S. 87–98.