Pro-Kopf-Einkommen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
2018

Das Pro-Kopf-Einkommen (Abkürzung PKE) ist eine volkswirtschaftliche Kennzahl, die das auf ein Jahr berechnete Durchschnittseinkommen der Einwohner eines Landes zeigt. Zur Berechnung wird eine Sozialproduktgröße wie Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen oder Verfügbares Volkseinkommen durch die Bevölkerungszahl des Landes geteilt.[1] Um das reale Pro-Kopf-Einkommen zu bestimmen, wird mit der jeweiligen Inflationsrate bereinigt.

Die Maßgröße wird vor allem dazu verwendet, um die wirtschaftliche Lage verschiedener Länder miteinander vergleichen zu können. Bezogen auf die Bevölkerung ist zusätzlich die Einkommensverteilung maßgebend.

Das Pro-Kopf-Einkommen als arithmetisches Mittel der Summe aller Einkommen bezogen auf die Bevölkerungsgröße (Köpfe) ist abzugrenzen vom Mittleren Einkommen (bestimmt als der Median aller Einkommen, das die betrachtete Bevölkerung in zwei Hälften teilt – die eine Hälfte verdient mehr als das Medianeinkommen, die andere Hälfte weniger), sowie vom Durchschnittseinkommen oder durchschnittlichen Haushaltseinkommen als arithmetisches Mittel aller Einkommen bezogen auf die Anzahl der Einkommen oder Anzahl der Haushalte.

Das Pro-Kopf-Einkommen als Gradmesser für den Wohlstand

Das Pro-Kopf-Einkommen galt lange als einer der wichtigsten Indikatoren zur Wohlstandsmessung eines Landes. Es zeigt den durchschnittlichen materiellen Wohlstand und macht ihn – gegebenenfalls nach Währungsumrechnung – zwischen den Ländern vergleichbar. Nach Bereinigung des Pro-Kopf-Einkommens verschiedener Jahre um die Inflationsrate kann auch die wirtschaftliche Situation eines Landes in verschiedenen Zeitperioden verglichen werden.[2] Dieser Durchschnittswert enthält jedoch keine Aussage darüber, wie das Einkommen innerhalb eines Landes verteilt ist. So kann schon eine kleine Gruppe wohlhabender Bürger das Pro-Kopf-Einkommen eines Landes wesentlich erhöhen. Vor allem in den Entwicklungsländern sind die Einkommen sehr ungleich verteilt. Zwar weisen alle Länder einen gewissen Grad an Ungleichheit der Einkommensverteilung auf, doch ist dieser in den Entwicklungsländern gravierend höher als in den Industriestaaten. So herrschen insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und in Südasien extrem ungleiche Einkommensverteilungen. Das zeichnet ein verzerrtes Bild der Lebensqualität der Bevölkerung dieser Länder; meist geht es der Bevölkerungsmehrheit wesentlich schlechter als das Pro-Kopf-Einkommen vermuten lässt.

Pro-Kopf-Einkommen 2008 in Internationalen $ KKP.

Ein Indiz für die Stärke der Ungleichverteilung können die Abweichungen zwischen Pro-Kopf-Einkommen, Medianeinkommen und Durchschnittseinkommen sein. Das PKE ist dabei niedriger als das Durchschnittseinkommen, da einerseits ein Einkommen im Schnitt mehr als einen Kopf versorgen muss und andererseits wenige sehr hohe Einkommen den arithmetischen Mittelwert der Einkommen nach oben verzerren. Außerdem wird das Durchschnittseinkommen meist nur als das der abhängig Beschäftigten berechnet – die Einkommen Selbstständiger, Freiberufler und Unternehmensgewinne (welche im Volkseinkommen jedoch eingeschlossen sind) bleiben dabei außen vor. Dazwischen liegt das Medianeinkommen, auch Mittleres Einkommen genannt, welches die Einkommensbezieher in ihrer Anzahl in zwei Hälften teilt – die eine Hälfte verdient mehr als das Medianeinkommen, die andere Hälfte weniger.

Es gibt noch weitere Argumente, die gegen das Pro-Kopf-Einkommen als Wohlstandsindikator sprechen. So wird mit dieser Maßeinheit zum Beispiel nur das erfasst, was mit dem Geld bewertet werden kann; viele andere Faktoren, die auch von Wert sind, bleiben unberücksichtigt. Zu nennen wären hier beispielsweise unentgeltliche Hausarbeit oder Schwarzarbeit.[3] Des Weiteren reduziert beispielsweise unfreiwillige Arbeitslosigkeit den Wohlstand. Hingegen senkt eine höhere Präferenz für Freizeit zwar das Netto-Nationaleinkommen, wirkt sich jedoch positiv auf den Wohlstand aus.[3] Weiterhin ist der Aspekt der Umweltbelastung von Bedeutung. Durch verschiedene wirtschaftliche Aktivitäten wird die Umwelt belastet. Die Ausgaben für die Beseitigung dieser Schäden senken den Wohlstand. Doch die Umweltschäden selbst, welche wohlstandsmindernd sind, werden durch den Indikator nicht erfasst.[3]

All diese Gegenaspekte haben dazu geführt, dass das Pro-Kopf-Einkommen immer häufiger durch andere Wohlstandsindikatoren wie beispielsweise den Index der menschlichen Entwicklung abgelöst wird.[1]

Einflussfaktoren

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Pro-Kopf-Einkommen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können. Bei einer Einwanderung steigen z. B. beide für das PKE relevanten Größen, sowohl die eingesetzte Sozialproduktgröße als auch die Bevölkerungsanzahl. Steigt die Einwohnerzahl stärker als z. B. das Bruttonationalprodukt, so sinkt das Pro-Kopf-Einkommen.[4]

Wenn zwei Länder eine gleiche durchschnittliche Arbeitsproduktivität haben, aber eine unterschiedliche Zahl an Arbeitskräften, wird das Pro-Kopf-Einkommen ungleich sein. Unter der Annahme gleicher Bevölkerungsanzahl wird das Land mit dem höheren Anteil an Arbeitskräften das höhere Pro-Kopf-Einkommen haben.[5] Das bedeutet, dass Unterschiede bei der Geburtenrate und der Sterblichkeit der Bevölkerung sich unmittelbar auf das Pro-Kopf-Einkommen eines Landes auswirken.[5]

So führt die Zunahme der Geburtenrate kurzfristig zu einer Senkung des Pro-Kopf-Einkommens, da in diesem Fall die Zahl der Arbeitnehmer vorübergehend sinkt. Langfristig gesehen, steigern die Neugeborenen wiederum die Anzahl der Arbeitnehmer und somit die Sozialproduktgröße.[4] Ist die Sterbensrate eines Landes höher als die Geburtenrate, so sinkt die Bevölkerungszahl, wodurch das Pro-Kopf-Einkommen höher ausfällt.

Ein weiterer Aspekt, der sich positiv auf das Pro-Kopf-Einkommen auswirkt, ist die erhöhte Arbeitszeit. Bei gleichbleibender Beschäftigtenzahl kommt es zu einer Erhöhung des Arbeitsangebots. Das ist jedoch problematisch, da mit einer höheren Anzahl an Arbeitsstunden die Produktivität der Arbeitnehmer sinkt. Somit steigt die Arbeitsstundenzahl schneller als das Pro-Kopf-Einkommen.[4] Die alternative Lösung wäre hier, Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen.

Ein dauerhaftes Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens kann nur durch ständigen technischen Fortschritt erreicht werden. Dieser weitet die Produktionsmöglichkeiten aus, ohne dass man mehr Arbeitnehmer einsetzen muss. Der technische Fortschritt ist also für das Wachstum einer Volkswirtschaft unabdingbar.[6]

Länder mit geringer technologischer Entwicklung, wie Mexiko oder Rumänien, haben ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen als Länder, die stark industriell entwickelt sind, wie z. B. die Vereinigten Staaten, England und Deutschland.[7] Staaten, welche mehr landwirtschaftlich als industriell entwickelt sind, haben also im Allgemeinen ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen und umgekehrt.[7]

Probleme des internationalen Einkommensvergleichs

Daten über das Pro-Kopf-Einkommen stehen für fast alle Länder zur Verfügung. Problematisch ist jedoch, dass es wegen unzureichender oder unzuverlässiger Daten in manchen Fällen geschätzt werden muss. Dieses Maß ist daher nicht so exakt, wie es scheinen mag.[8] Doch nicht nur aus diesem Grund gestaltet sich der internationale Vergleich als schwierig.[8] Die Umrechnung der jeweiligen Währung eines Landes in eine Vergleichswährung kann zu Verzerrungen der Daten führen.[8] Trotz der ständigen Bemühungen, die Berechnungsgrundlagen der VGR weltweit zu standardisieren, bestehen nach wie vor Unterschiede zwischen einzelnen Ländern.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Cezanne: Allgemeine Volkswirtschaftslehre. 6. Auflage. Oldenbourg, München 2005, ISBN 3-486-57770-0.
  • Jürgen B. Donges: Allgemeine Wirtschaftspolitik. 2. Auflage, Lucius & Lucius, Stuttgart 2004, ISBN 3-8282-0271-3.
  • Werner Ehrlicher: Kompendium der Volkswirtschaftslehre. Band 1, 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975, ISBN 3-525-13148-8.
  • Werner Lachmann: Entwicklungspolitik. Band 1: Grundlagen. 2. Auflage. Oldenbourg, 2003, ISBN 3-486-25139-2.
  • Paul J. J. Welfens: Grundlagen der Wirtschaftspolitik. 2. Auflage. Springer, Berlin 2005, ISBN 3-540-21212-4.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Stetiges Wirtschaftswachstum Bruttoinland- und Bruttosozialprodukte. Abgerufen am 16. November 2009.
  2. Das Volkseinkommen. Abgerufen am 15. November 2009.
  3. a b c Jürgen B. Donges: Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Auflage. Lucius & Lucius Stuttgart, 2004 Verlagsgesellschaft, ISBN 3-8282-0271-3, S. 81–83.
  4. a b c Die theoretischen Grundlagen der Wachstumspolitik. Abgerufen am 20. November 2009.
  5. a b Barbara Janowitz: The Effects of Demographic Factors on Age Composition and the Implications for Per Capita Income. Demography, Vol. 10, No. 4 (Nov., 1973), S. 507–515.
  6. Ehrlicher Werner: Kompendium der Volkswirtschaftslehre. Band 1, 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 1975, ISBN 3-525-13148-8, S. 284.
  7. a b William F. Ogburn, Francis R. Allenin: Technological Development and Per Capita Income. In: The American Journal of Sociology. Band 65, Nummer 2 (September 1959), S. 127–131.
  8. a b c d Lachmann Werner: Entwicklungspolitik . Band 1: Grundlagen. 2. Auflage. Oldenbourg, 2003, ISBN 3-486-25139-2, S. 26–27.