Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
Die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) stellen ergänzende Verwaltungsvorschriften für Straf- und Bußgeldverfahren in Deutschland dar. Daneben gibt es eigene Vorschriften für die Finanzverwaltung (vgl. Steuerstrafrecht).
RiStBV
Die RiStBV gehen zurück auf die Richtlinien für das Strafverfahren von 1935.[1] Spätere Fassungen erfolgten gemeinsam durch das Bundesministerium der Justiz und die Länderjustizministerien. 1970 kam es zur Titeländerung unter Erstreckung auf das Bußgeldverfahren.[2] Die geltende Fassung geht auf das Jahr 1977 zurück und wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. Dezember 2021 geändert.[3]
Die Richtlinien bezwecken, eine weitgehend bundeseinheitliche Sachbehandlung sicherzustellen. Die RiStBV haben als Verwaltungsvorschriften bzw. innerdienstliche Weisungen (§ 146 GVG)[4] keine Gesetzeskraft und binden lediglich die weisungsgebundenen Bediensteten der Justizverwaltung. Sie richten sich vor allem an die Staatsanwaltschaft, geben aber auch Hinweise für die nicht weisungsgebundenen Richter, die jedoch unverbindlich sind, und das Verwaltungshandeln der Polizei. Kommt auch den RiStBV wegen fehlender Außenwirkung keine Rechtsquellenqualität zu, so fließen sie doch in das innerdienstliche Verfahren der Polizei und Justiz ein. Somit sind Verstöße prinzipiell dienstrechtlich beanstandbar.
Die RiStBV zählen zum Strafprozessrecht im weiteren Sinne. Die Richtlinien für das Strafverfahren stellen den ersten Teil der RiStBV dar und gliedern sich wie das Strafgesetzbuch in einen allgemeinen und einen besonderen Teil. Im allgemeinen Teil finden sich unter anderem Regelungen zu den einzelnen Verfahrensabschnitten und zu besonderen Verfahrenssituationen. Der besondere Teil der Richtlinien für das Strafverfahren geht auf einzelne Strafvorschriften des Haupt- und Nebenstrafrechts ein. Es folgen die Richtlinien für das Bußgeldverfahren. Am Schluss der RiStBV finden sich die Anlagen zu den Richtlinien für das Strafverfahren.
Inhaltsverzeichnis (gekürzt)
Einführung Richtlinien für das Strafverfahren Allgemeiner Teil Nrn. I. Abschnitt: Vorverfahren 1–109 II. Abschnitt: Anklage 110–114 III. Abschnitt: Hauptverfahren 115–146 IV. Abschnitt: Rechtsmittel 147–169 V. Abschnitt: Wiederaufnahme des Verfahrens 170–171 VI. Abschnitt: Beteiligung des Verletzten am Verfahren 172–174c VII. Abschnitt: Besondere Verfahrensarten 175–180a VIII. Abschnitt: Verfahren gegen sprachunkundige Ausländer 181 IX. Abschnitt: Erteilung von Auskünfte, Überlassung von Abschriften und Gewährung von Akteneinsicht 182–189 X. Abschnitt: Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 190 XI. Abschnitt: Strafsachen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden
Körperschaften der Länder sowie des Europäischen Parlaments191–192b XII. Abschnitt: Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen 193–199 XIII. Abschnitt: [Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland und andere das Ausland berührende Maßnahmen] gestrichen XIV. Abschnitt: Verfahren nach Feststellung der Entschädigungspflicht nach dem Gesetz über die
Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen201 Besonderer Teil I. Abschnitt: Strafvorschriften des StGB 202–254 II. Abschnitt: Strafvorschriften des Nebenstrafrechts 255–268 Richtlinien für das Bußgeldverfahren I. Abschnitt: Zuständigkeit 269–271 II. Abschnitt: Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit den Verwaltungsbehörden 272 III. Abschnitt: Einbeziehung von Ordnungswidrigkeiten in das vorbereitende Verfahren wegen einer Straftat 273–279 IV. Abschnitt: Erstreckung der öffentlichen Klage auf die Ordnungswidrigkeit 280 V. Abschnitt: Verfahren nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid 281–290 VI. Abschnitt: Rechtsbeschwerdeverfahren 291–293 VII. Abschnitt: Bußgelderkenntnis im Strafverfahren 294 VIII. Abschnitt: Entschädigung für Verfolgungsmaßnahmen 295 IX. Abschnitt: Akteneinsicht 296 X. Abschnitt: Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 297 XI. Abschnitt: Bußgeldsachen gegen Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften 298 XII. Abschnitt: Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen 299 XIII. Abschnitt: Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland 300 Anlagen A–F
Vorschriften für die Finanzbehörden
Für die Finanzbehörden gibt es die
- Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer), kurz: AStBV (St) für die reibungslose Zusammenarbeit der zur Verfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten berufenen Stellen (gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder),[5]
- Dienstvorschrift für das Straf- und Bußgeldverfahren (Aufgabenwahrnehmung und Organisation), kurz: StraBuDV des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) mit Regelungen zu verfahrensrechtlichen Fragen und dem Geschäftsablauf bei der Bearbeitung steuerrechtlicher Straf- und Bußgeldverfahren durch die Bediensteten der Strafsachen- und Bußgeldstellen der Hauptzollämter, der Zollfahndungsämter und der Finanzbehörden.
AStBV (St)
Die AStBV (St) erschienen erstmals 1984.[6]
Inhaltsverzeichnis (Fassung 2020,[7] gekürzt):
Einführung Nrn. Teil 1 Anwendungsbereich, gemeinsame Verfahrensgrundsätze 1–7 Teil 2 Behandlung der Eingänge 8–13 Teil 3 Strafverfahren 14–99 Teil 4 Bußgeldverfahren 100–121 Teil 5 Steuerfahndung 122–127 Teil 6 Ergänzende Regelungen 128–154
StraBuDV
Bis 2011 wurde die StraBuDV in der E-VSF (S 18 85) veröffentlicht.[8] Seitdem unterliegt sie seitens des BMF der Geheimhaltung (VS-NfD). Das VG Berlin sah diese Geheimhaltung als nicht gerechtfertigt an und gewährte dem Kläger Zugang zu der StraBuDV in der am 5. August 2019 gültigen Fassung aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG).[9]
Inhaltsverzeichnis (Fassung 2010,[10] gekürzt):
Abschnitt I – Anwendungsbereich Nr. 1 Abschnitt II – Begriffsbestimmungen 2–2.9 Abschnitt III – Strafverfahren 3–173 Abschnitt IV – Bußgeldverfahren 174–208.12 Abschnitt V – Zollfahndungsdienst 209–213 Abschnitt VI – Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Stellen 214–220 Abschnitt VII – Organisation der StraBu; Aktenführung 221–227 Anlage KFR, Anlagen 1–10
Bemerkenswert an der StraBuDV ist insbesondere die darin enthaltene Strafmaßtabelle, welche sich in den AStBV – trotz der im Übrigen gegebenen inhaltlichen Übereinstimmungen – nicht finden lässt.[11]
Siehe auch
- Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra)
- Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt)
- Strafverfolgungsbehörde
Literatur
- Jürgen Peter Graf: RiStBV und MiStra: Kommentar. C. H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67622-2.
- Holm Putzke und Jörg Scheinfeld: Strafprozessrecht. Nomos, Baden-Baden 2005, ISBN 3-8329-0947-8.
- Claus Roxin und Bernd Schünemann: Strafverfahrensrecht. C. H. Beck, 26. Auflage, München 2009, ISBN 978-3-406-55222-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Richtlinien für das Strafverfahren: allgemeine Verfügung des Reichsministers der Justiz vom 13. April 1935 (Volltext-Scan der DNB)
- ↑ z. B. in Hamburg: HmbJVBl. 1971 S. 53
- ↑ BAnz AT 24.11.2021 B1
- ↑ BGH, Beschluss vom 20. Februar 2019, StB 51/18
- ↑ Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) - AStBV (St) 2020. BMF, amtliches AO-Handbuch, BStBl. I S. 1142.
- ↑ z. B. in Hessen: StAnz. 48/1984 S. 2314
- ↑ BStBl 2019 I S. 1142
- ↑ vgl. E-VSF-Nachrichten. 13. April 2010 (Inhaltsverzeichnis).
- ↑ VG Berlin, Urteil vom 29. April 2021, 2 K 262/19 Rz. 28 ff.
- ↑ E-VSF-N 21 2010 Nr. 70 (Inhaltsverzeichnis via DNB)
- ↑ https://www.zollstrafrecht-rechtsanwalt.de/strabudv.html