Schuppose
Die Schuppose bezeichnet im Mittelalter einen Kleinbauernhof und dessen landwirtschaftliche Nutzfläche.
Bedeutungen
Kleinbauernhof
Im Mittelalter ist Schuppose eine Bezeichnung für einen Kleinbauernhof (landwirtschaftliche Kleinstelle), der eine Familie ernähren kann. Dazu gehören Acker- und Wiesland in der Gewannflur und Nutzungsrechte (Holzrechte, Allmendrechte), in Weinanbaugebieten auch Rebland. Der meist hörige Schupposer (Kleinbauer) entrichtet seinem Grundherrn feste Abgaben (Gefälle, Feudalrente) in Naturalien oder Geld und ist auch zum Frondienst verpflichtet (siehe Villikation). Die Schuppose ist in den Quellen sowohl als Erblehen als auch als Zeitlehen belegt.
Flächenmaß
Die Schuppose als landwirtschaftliche Nutzfläche („Flächenmaß“) misst meist eine Viertel, mitunter auch eine halbe Hube; die absolute Fläche einer Schuppose beträgt meist rund 12 Jucharten (oft 9 Jucharten Acker und 3 Jucharten Wiese).
Sprachliches
Sprachliche Herkunft
Das Wort Schuppose erscheint in den mittelalterlichen Quellen in einer Vielzahl unterschiedlicher Schreibweisen, die bereits Jacob Grimm gesammelt und chronologisch geordnet hat.[1] Die sprachliche Ableitung des (wohl aus zwei Teilen zusammengesetzten) Wortes ist umstritten und wird wohl nicht endgültig geklärt werden können; vorgeschlagen wurden u. a. folgende Ableitungen[2]
- vom mittellateinischen schoppa (Schopf, Schuppen)
- vom mittelhochdeutschen schuoch (Schuh), die Schuppose dann als Schuhfleck oder Schuhlappen gedeutet
- scoub (Getreidegarbe) + pôzan, possen (schlagen); also etwa unaufgebundene Getreidegarben dreschen
- Deutung als Schuppes-Gut = Schupflehen
- Der zweite Wortteil (-pose) zum romanischen Wort pose od. pusa, das in der Westschweiz ebenfalls für ein bestimmtes Landmass belegt ist; anderswo abgeleitet von bose, französisch botte (Stroh- oder Flachsbund)
Das Wort ist wohl sicher alemannischer Herkunft, und die lateinische Form (scoposa und ähnlich) dürfte, obwohl zeitlich in den Urkunden noch vor der volkssprachlichen Form belegt, aus dem Mittelhochdeutschen entlehnt sein.
Synonyme
Ungefähr gleichbedeutend mit Schuppose sind die lateinischen Ausdrücke diurnale (in den Acta Murensia), lunadium und tresiusiurnale.
Örtliche Verbreitung
Die Bezeichnung Schuppose ist ab dem 12. Jahrhundert belegt in lateinischen und mittelhochdeutschen Urkunden aus dem alemannischen Raum belegt, so im Schweizer Mittelland,[3] in Südwestdeutschland[4][5] und im Elsass[6]. Häufig erscheint das Wort z. B. im Habsburger Urbar (um 1306).
Fortleben des Wortes
Heute lebt die Schuppose weiter in Familiennamen (z. B. Schuppisser[7], der ursprünglich den Bewohner einer Schuppose bezeichnete)[8] und in zahlreichen Ortsnamen[9].
Literatur
- Paul Münger: Über die Schuppose. Studie zu Inhalt und Wandel eines Rechtswortes aus der Zeit des Verfalls der mittelalterlichen Agrarverfassung. Juris, Zürich 1967 (Diss.).
- Markus Stromer: Wirtschaftliche und soziale Verhältnisse auf dem Land 1100–1350. In: Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 1: Frühzeit bis Spätmittelalter. Werd, Zürich 1995, ISBN 3-85932-158-7, S. 269–297.
- Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 8 (Huber, Frauenfeld 1920), Sp. 1031–1042, s. v. Schu(e)poss (Digitalisat).
- Schuppose. In: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 12, Heft 9/10 (bearbeitet von Andreas Deutsch u. a.). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2013, ISBN 978-3-7400-1263-2, Sp. 1449–1450 (adw.uni-heidelberg.de).
- Schuppose. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 15: Schiefeln–Seele – (IX). S. Hirzel, Leipzig 1899, Sp. 2027–2030 (woerterbuchnetz.de).
- Lexikon des Mittelalters. Bd. 7 (Lexma, München 1995), Sp. 1592–1593, s. v. Schuppose.
- Schwäbisches Wörterbuch, bearbeitet von Hermann Fischer. Bd. 5 (Laupp, Tübingen 1920), Sp. 1195–1197, s. v. Schup(p)ose.
- Badisches Wörterbuch, bearbeitet von Rudolf Post. Bd. 4 (Oldenburg, München 2009), ISBN 978-3-486-59196-5, S. 750–751, s. v. Schupose.
- Wörterbuch der elsässischen Mundarten, s. v. Schuppose.
- Gregor Egloff: Schuppose. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise
- ↑ Schuppose. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 15: Schiefeln–Seele – (IX). S. Hirzel, Leipzig 1899, Sp. 2028 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Paul Münger: Über die Schuppose. Studie zu Inhalt und Wandel eines Rechtswortes aus der Zeit des Verfalls der mittelalterlichen Agrarverfassung. Juris Vlg., Zürich 1967, hier: S. 10–21 (Deutung der Schuppose im Lichte sprachlicher Ableitungen)
- ↑ Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 8 (Huber, Frauenfeld 1920), Sp. 1031–1042, s. v. Schu(e)poss (mit sehr vielen Belegen [Digitalisat])
- ↑ Schwäbisches Wörterbuch, bearbeitet von Hermann Fischer. Bd. 5 (Laupp, Tübingen 1920), Sp. 1195–1197, s. v. Schup(p)ose
- ↑ Badisches Wörterbuch, bearbeitet von Rudolf Post. Bd. 4 (Oldenbourg, München 2009), S. 750–751, s. v. Schupose
- ↑ Wörterbuch der elsässischen Mundarten, bearbeitet von Ernst Martin und Hans Lienhart. Bd. 2 (Trübner, Straßburg 1907), S. 424, s. v. Schupposen (online)
- ↑ Vgl. die aktuelle Verteilung des Nachnamens Schuppisser in der Schweiz.
- ↑ Josef Kaizl: Der Kampf um Gewerbereform und Gewerbefreiheit in Bayern von 1799–1868: Nebst einem einleitenden Ueberblick über die Entwickelung des Zunftwesens und der Gewerbefreiheit in Deutschland. Duncker & Humblot, 1880, S. 87 books.google.de
- ↑ Die heute noch fortlebenden sowie die in älteren Quellen bezeugten schweizerischen Ortsnamen, die auf die Schuppose zurückgehen, sind ausführlicher behandelt im Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache. Bd. 8 (Huber, Frauenfeld 1920), Sp. 1040–1041, s. v. Schu(e)poss (Digitalisat), mit Angabe der nach Kantonen aufgeschlüsselten Ortschaften. Unter beispielsweise Schuppose, Schuppos, Schuppis, Schueppis, Tschuepis, Tschuoppis kann sodann gesucht werden in der Online-Datenbank im Portal der schweizerischen Ortsnamensforschung und im Schweizer Bundesgeoportal.