Shōbōgenzō
Shōbōgenzō (jap.
; deutsch lit.: „Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges“) ist das Hauptwerk des japanischen Zen-Meisters Dōgen, das er im Zeitraum vom August 1231 bis zum Januar 1253 (seinem Todesjahr) verfasste. Das Shōbōgenzō ist die zentrale Schrift für die Anhänger des Sōtō-Zen. Eine über die Schule des Sōtō-Zen in Japan hinausgehende Bedeutung erlangte die Schrift im 20. Jahrhundert, nachdem der Philosoph Watsuji Tetsurō (1889–1960) sie in seiner 1924 erschienenen Abhandlung Shamon Dōgen (
; deutsch „der Mönch Dōgen“) als Produkt des „originär japanischen Denkens“ bezeichnet hatte und sie „aus den Fängen der Sekte (des Sōtō-Zen)“ entreißen wollte. In der Folge wurde das in diesem Werk vorgetragene Denken von zahlreichen japanischen Denkern neu beleuchtet.
Typische literarische Stilmittel, die chinesische Intellektuelle der Song-Zeit auszeichnen, wie die Schriften hochgebildeter Adliger in Japan zur gleichen Zeit vermischen sich mit einem eigenen und unverwechselbaren Stil. Die Zitate zeigen die große Bandbreite der Werke, die Dōgen gelesen hat. Es handelt sich dabei um klassische chinesische Literatur von Konfuzius bis zu damals zeitgenössischen Werken, wobei buddhistische Literatur dominiert.
Uji – Zeit-Sein
Uji ist das zentrale Kapitel des Shōbōgenzō. Dabei ist es vielleicht von Interesse, dass Dōgen in Uji, einer Vorstadt von Kyōto, geboren wurde und aufwuchs, die vom gleichnamigen Fluss durchflossen wird. Das Essay ist 1240 entstanden und in der Kollektion von Texten, die dann unter dem Namen Shōbōgenzō veröffentlicht wurde, untergekommen. Bis hin zu Vergleichen mit Martin Heideggers 1927 erschienener Schrift Sein und Zeit wurde das Kapitel vielfach interpretiert. Im Grunde entspricht u der Bedeutung von Sein und ji der Bedeutung von Zeit. Manche Interpretationen verhandeln den Terminus uji synonym zum Hier und Jetzt in Oppositionen zu Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft, bzw. Vergangenem und Zukünftigem. Die veränderliche Gegenwart oder Unbeständigkeit ist Thema des Essays. Uji wird oft mit dem japanischen Begriff arutoki in Zusammenhang gebracht, der übersetzt soviel wie aru = manchmal oder zu einer bestimmten Zeit und toki = Zeit heißt. Im umgangssprachlichen Deutschen entspricht das dem poetischen mal mit Zeitbezug und oft zugehöriger Geste. Zeit sei Sein und Sein sei Zeit, so der Ansatz. Manche Dinge existierten nicht etwa in der Zeit, sondern seien selbst Zeit. Derart werden Vorstellungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft außer Kraft gesetzt und stattdessen eine Erfahrung der Gegenwärtigkeit, die den Raum mit einbegreift, anstelle einer Gegenwart als messbarem Moment der objektiven Zeit betont. Bei dem Essay handelt es sich um eine deutliche Stellungnahme zugunsten des Zazen, durch dessen Praxis entsprechende Erfahrungen gemacht werden können. Ziel der Meditation ist somit die Erfahrung eines ultimativ kurzen Momentes, der nicht weiter geteilt bzw. ohne Weiteres kommuniziert oder quantifiziert werden kann – eines existentiellen Momentes, existentiellen Daseins.
Übersetzungen
- deutsch
- Dōgen: Shōbōgenzō: ausgewählte Schriften: anders Philosophieren aus dem Zen. Übersetzt, erläutert und hrsg. von Ryōsuke Ōhashi und Rolf Elberfeld. Frommann-Holzboog, Stuttgart 2006 (sorgfältige Auswahlübersetzung mit Erläuterungen; Rezension online; PDF; 66 kB)
- Meister Dōgen: Shobogenzo. Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges. 4 Bände, Kristkeitz, Heidelberg-Leimen 2001–2008 (kommentierte Übersetzung aus dem japanischen Urtext)
- Dogen Zenji: Shōbōgenzō, Der Schatz des wahren Dharma. Gesamtausgabe, übersetzt von Joseph Renner, A. M. Eckstein, Guido Keller. Angkor Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-936018-58-5 (Gesamtausgabe in einem Band, enthält auch die beiden Bände aus dem Theseus Verlag)
- englisch
- Gudo Wafa Nishijima, Chodo Cross (Hrsg.): Master Dogen's Shobogenzo. 4 Bände, Windbell, London 1994–1999
- Nishijima, Gudo, Cross, Chodo; (tr.), Shōbōgenzō, Vol. 1-4, Numata Center for Buddhist Translation and Research, Berkeley 2007–2008, ISBN 978-1-886439-35-1, ISBN 978-1-886439-36-8, ISBN 978-1-886-439-37-5, ISBN 978-1-886439-38-2
- Dogen, Thomas Cleary (trans.); Shobogenzo: Zen Essays By Dogen; U. of Hawaii Press, Honolulu 1986; ISBN 0-8248-1014-7.
- Hubert Nearman (tr.): Shôbôgenzô. PDF
Literatur
- Steven Heine: Did Dōgen Go to China? What He Wrote and When He Wrote It. Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-530570-8 (grundlegende Studie zur Entstehungsgeschichte der Werke Dōgens)
- Dagmar Doko Waskoenig: Das Shobogenzo des Dogen Zenji. Die zentralen Passagen – erschlossen und kommentiert von Dagmar Doko Waskönig. O. W. Barth 2010, ISBN 978-3426291740
Weblinks
- Genjo-Koan (Eihei Dogen) (Memento vom 5. Dezember 2013 im Internet Archive)
- Deutsche Seite zum Shōbōgenzō des Kristkeitz Verlags
- Zehn Kapitel aus dem Shōbōgenzō: Genjokoan, Zazengi, Zazenshi, Zenki, Gabyo, Shoji, Bodaisattashishoho, Osakusendaba, Hotsubodaishin und Hachidaininkaku
- Dogen Sangha Berlin Blog Erläuterungen zum Shobogenzo