Sozialökonomie (Universität Hamburg)

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Sozialökonomie ist ein interdisziplinäres Studium der Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Rechtswissenschaft und Soziologie am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg, mit Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Er wird nach sechs Semestern mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen. Mit 2500 Studierenden ist der Studiengang der größte Bachelorstudiengang an der Universität Hamburg, am gesamten Fachbereich studieren 3200 Personen (Stand 2016).[1] Der Studiengang nimmt jedes Semester fast 300 neue Studierende auf[2] und beschäftigt etwa 40 Professoren (Stand 2016). Der Bachelor Sozialökonomie steht traditionell sowohl Abiturienten als auch Menschen ohne Abitur über eine Hochschulzugangsprüfung offen.

Überblick

Sozialökonomische Forschung und Wissenschaft behandelt und beantwortet soziologische und ökonomische Fragestellungen interdisziplinär aus verschiedenen Blickwinkeln. Der Fachbereich Sozialökonomie ist an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) entstanden.

Begründung der Sozialökonomie

Die Notwendigkeit der Sozialökonomie wird nach dem Soziologen Alfred Oppolzer aus den verschiedenen Einzeldisziplinen heraus gefordert, beispielsweise aus der Betriebswirtschaftslehre (Reinhard Schultz, 1988), ebenso aus der Volkswirtschaftslehre (Günter Schmölders, 1973) und der Politischen Ökonomie (Werner Hofmann, 1969), aus der Soziologie (Max Weber, 1904) ebenso wie aus der Arbeitswissenschaft (Manfred Schweres, 1980; Alfred Oppolzer, 1989). Oppolzer hält fest, Sozialökonomie ist:

  1. die „Untersuchung der Wechselwirkungen von Wirtschaft und Gesellschaft“,
  2. die „Praxisrelevanz der Fragestellung“ und
  3. die „interdisziplinäre Vorgehensweise“.[3]

Wie auch Oppolzer, beruft sich der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Ernst Langthaler[4] auf: Karl Marx (Ökonomie, Soziologie), Émile Durkheim (Soziologie), Joseph Schumpeter (Ökonomie), Karl Polanyi (Kulturanthropologie, Soziologie) und Pierre Bourdieu (Soziologie). Im Bereich der Rechtswissenschaften innerhalb der Hamburger Sozialökonomie sind der Arbeitsrechtler Ulrich Zachert[5] sowie der Wirtschaftsrechtler Udo Reifner (Gründer des Institut für Finanzdienstleistungen)[6] zu nennen. Zur sozialökonomischen Betrachtung von Bildungs- und Sozialisationstheorie leistete Harry Friebel mit dem Hamburger Biografie- und Lebenslaufpanel „Die Kinder der Bildungsexpansion“ einen wichtigen Beitrag.[7]

Studium ohne Abitur

Den Bachelor Sozialökonomie der Universität Hamburg können auch Personen mit Mittlerem Schulabschluss (z. B. Fachoberschulreife), abgeschlossener praktischer Berufsausbildung oder einer mindestens vierjährige Berufstätigke oder Berufserfahrung nach bestandener Hochschulzugangsprüfung studieren.[8] Der quotierte offene Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur ist nach dem Vorbild der HWP erhalten geblieben. Bis zu 40 % der Studienplätze werden über die Aufnahmeprüfung vergeben. Deshalb beinhaltet das Grundstudium auch Einführungskurse und Brückenseminare, die für Menschen aus dem Zweiten und Dritten Bildungsweg zugeschnitten sind. Die Studierenden können ihr Abiturwissen oder die vorhandenen Berufserfahrungen in das Studium integrieren. Nach dem Grundstudium findet eine Vertiefung in einem der vier Fachgebiete BWL, VWL, Recht oder Soziologie statt. Die anderen drei Fächer werden interdisziplinär mitstudiert. Das Bildungsziel sind selbstdenkende, reflexionsfähige und mündige Menschen mit einem anerkannten Hochschulabschluss.

Geschichte des Fachbereichs

Der Ursprung des Studienganges geht auf die 1948 auf Initiative von Genossenschaftlern, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten gegründete Akademie für Gemeinwirtschaft zurück. Diese wurde 1961 in Akademie für Wirtschaft und Politik umbenannt. Hochschulstatus erlangte sie 1970 und wurde zur Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP). Von 1991 bis zum 31. März 2005 agierte die HWP als selbständige Universität unter dem Namen Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Mit der neuen Prüfungsordnung im Juni 2003[9] wurde der Studiengang vom Abschluss als Diplom-Sozialwirt auf das Bachelor/MasterSystem umgestellt und Abschlüsse als Bachelor of Arts in Sozialökonomie vergeben.

Am 1. April 2005 wurde die ehemalige HWP als Department Wirtschaft und Politik (DWP) in die Universität Hamburg eingegliedert. Das Department wurde 2009 aufgelöst und als Fachbereich Sozialökonomie in die Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg integriert. Die seit 2003 geplante und bis 2009 andauernde Eingliederung der HWP in die Universität Hamburg verursachte jahrelangen Protest von Studierenden, Professoren und aus der Verwaltung. Diese fanden ein bundesweites Medienecho, z. B. in dem Artikel HWP Hamburg. Ende der Einmaligkeit[10] und in dem Artikel Hochschule. Uni demontiert Reformstudium.[11] Trotz der von Fusion blieb der Studiengang Sozialökonomie weitgehend unverändert erhalten.

Im Rahmen von Sparmaßnahmen musste der Fachbereich Sozialökonomie – wie andere Fachbereich an der Universität Hamburg auch – zwischen 2009 und 2012 etliche Professuren abbauen.[12]

Zum 1. Februar 2014 gründeten sich an der Universität Hamburg zwei neue Fakultäten, die Fakultät für Betriebswirtschaft und die Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Letztere beinhaltet die Fachbereiche Sozialwissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Sozialökonomie, wobei die Sozialökonomie den größten Fachbereich darstellt.

Masterstudiengänge am Fachbereich Sozialökonomie

Neben dem Bachelorstudiengang beinhaltet der Fachbereich Sozialökonomie an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Uni Hamburg eine Reihe weiterer Masterstudiengänge mit verschiedenen Ausrichtungen und verschiedenen Abschlüssen. Die folgenden Studiengänge werden am Fachbereich momentan aktiv angeboten (Stand 2016)[13]:

  • Arbeit, Wirtschaft, Gesellschaft-Ökonomische und Soziologische Studien (M.A.)
  • Health Economics & Health Care Management (M.Sc.)
  • Interdisziplinäre Public und Nonprofit Studien (M.Sc.)
  • International Business and Sustainability (M.A.)

Verwandte Organisationen

GdFF

Die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Fachbereichs Sozialökonomie (vormals HWP) e. V.[14] versteht sich heute als Anwalt der beiden zentralen Elemente des HWP-Studienmodells: Erstens ein interdisziplinäres Studium mit den Fächern BWL, VWL, Soziologie und Rechtswissenschaft, das auf den praktischen Erfahrungen der Studierenden aufbaut und sie für eine qualifizierte Tätigkeit in Unternehmen, Organisationen ohne Erwerbscharakter und Verwaltungen vorbereitet, und zweitens der offene Hochschulzugang, der Bewerbern ohne Abitur, aber mit qualifizierter Berufspraxis nach einer Aufnahmeprüfung das Tor zu einem wissenschaftlichen Studium öffnet. Die GdFF versteht sich daneben als eine Alumni-Organisation, die den Anschluss an ein Netzwerk von Studierenden, Absolventen und Mitgliedern des Lehrkörpers bietet.

Rudolph Lohff Stiftung

Seit den 1970er Jahren vergibt die gemeinnützige Rudolph-Lohff Stiftung kleine Stipendien an mittellose Studierende und Schüler ohne Abitur, aber mit Berufserfahrung. Sie richtet sich dem Wunsch des Stifters entsprechend ausschließlich an Studierende des Fachbereichs Sozialökonomie, sowie an entsprechende Studierende der HAW und an Schüler der staatlichen Hamburger Abendgymnasien.[15]

Bekannte Lehrende

Siehe auch

Literatur

  • Alfred Oppolzer: Sozialökonomie: Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte. In: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. 1. Jg. Hamburg. 1/1990.
  • Bärbel von Borries-Pusback: Keine Hochschule für den Sozialismus. Die Gründung der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg 1945–1955. Opladen (Leske und Budrich) 2002.
  • Wulf D. Hund (Hrsg.): Von der Gemeinwirtschaft zur Sozialökonomie. 50 Jahre Hochschule für Wirtschaft und Politik Hamburg. Hamburg (VSA) 1998.
  • Dirk Hauer, Bela Rogalla: HWP in Bewegung. Studierendenproteste gegen neoliberale Hochschulreformen. Hamburg (VSA) 2006.
  • Reinhard Schultz: Betriebswirtschaftslehre. Eine sozialökonomische Einführung. München/Wien 1988.
  • Günter Schmölders: Volkswirtschaftslehre als Sozialwissenschaft. In: Gerhard Bringmann (Hrsg.): Sozialökonomische Verhaltensforschung. Berlin 1973.
  • Werner Hoffmann: Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft. Reinbek 1969.
  • Max Weber: Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik. 19. Band (Neue Folge, 1. Band). Tübingen 1904.
  • Manfred Schweres: Strukturelemente einer integrativen Arbeitswissenschaft. In: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, Heft 1/1980.
  • Alfred Oppolzer: Handbuch Arbeitsgestaltung. Leitfaden menschengerechter Arbeitsorganisation. Hamburg 1989.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Webseite des Fachbereichs Sozialökonomie (abgerufen am 7. März 2016)
  2. Profil des Studiengangs Sozialökonomie (Memento des Originals vom 8. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wiso.uni-hamburg.de auf der Webseite des Studienbüros (abgerufen am 7. März 2016)
  3. Alfred Oppolzer: Sozialökonomie: Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte. In: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. 1. Jg. Hamburg. 1/1990, S. 6–29.
  4. Ernst Langthaler: Was heißt Sozialökonomie? (Memento des Originals vom 29. November 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/homepage.univie.ac.at (PDF) Skriptum-1/374, Universität Wien 2009.
  5. Ulrich Zachert: Professor für Arbeitsrecht am Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg. wiso.uni-hamburg.de@1@2Vorlage:Toter Link/www.wiso.uni-hamburg.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Udo Reifner: Gründer des iff. news.iff-hh.de
  7. Pressemitteilung zu Die Kinder der Bildungsexpansion. (Memento des Originals vom 7. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uni-hamburg.de Universität Hamburg vom 3. September 2008
  8. Aufnahmeprüfungsordnung Bachelor Sozialökonomie vom 5. Juni 2006
  9. Ordnung für die Bachelor- und Masterprüfung an der HWP – Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik vom 12. Juni 2003. Abgerufen am 7. März 2016.
  10. Maja Abu Saman (dpa): HWP Hamburg. Ende der Einmaligkeit.@1@2Vorlage:Toter Link/www.sueddeutsche.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Süddeutsche Zeitung, 4. November 2004.
  11. Kaija Kutter: Hochschule. Uni demontiert Reformstudium. In: taz, 20. Dezember 2009.
  12. Philip Volkmann-Schluck: Stellenabbau: Was wird aus Fachbereich Sozialökonomie? In: Hamburger Abendblatt. 17. Dezember 2009.
  13. Von der Fakultät WISO angebotene Masterstudiengänge auf den Webseiten des Studienbüros (abgerufen am 7. März 2016)
  14. www.gdff.de
  15. Homepage der Rudolph-Lohhf Stiftung (Memento des Originals vom 7. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wiso.uni-hamburg.de (abgerufen am 7. März 2016)
  16. Ulla Ralfs. Lehrbeaufrtragte FG Soziologie. Abgerufen am 16. Februar 2017.