Spurklasseoperator

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Spurnorm)

Die Spurklasse-Operatoren werden in der mathematischen Disziplin der Funktionalanalysis untersucht. Sie bilden eine wichtige Klasse von linearen Operatoren auf unendlichdimensionalen Räumen. Bei ihnen bleiben im Gegensatz zu allgemeinen Operatoren einige Eigenschaften aus dem endlichdimensionalen Fall erhalten, das betrifft insbesondere ihre Darstellung als Summe eindimensionaler Operatoren. In wichtigen Fällen überträgt sich der aus der linearen Algebra bekannte Begriff der Spur auf diese Operatoren, was zu ihrem Namen geführt hat. In der Quantenmechanik treten die Spurklasseoperatoren als Dichtematrix auf.

Alexander Grothendieck stieß bei seiner Untersuchung des Satzes vom Kern aus der Distributionentheorie ebenfalls auf Operatoren der hier behandelten Art und nannte sie nukleare Operatoren (lat. nucleus = Kern). Dies führte dann zum Begriff des nuklearen Raums.

Die Terminologie ist nicht einheitlich, manche Autoren definieren Spurklasse-Operatoren nur auf Hilberträumen und nukleare Operatoren auf Banach-Räumen. Dieser Artikel behandelt die nuklearen Operatoren zunächst auf Hilberträumen, dann allgemeiner auf Banachräumen und schließlich auf lokalkonvexen Räumen.

Motivation

Sei ein Vektorraum über dem Körper der reellen oder komplexen Zahlen. Ein eindimensionaler Operator ist ein Operator der Form mit und , wobei den Dualraum von bezeichnet. In der linearen Algebra, d. h. im Fall , kann jede lineare Abbildung als Matrix bzgl. einer Basis dargestellt werden. Für gilt dann

.

ist also eine Summe eindimensionaler Operatoren. Um das auf unendlichdimensionale Räume übertragen zu können, muss man unendliche Summen eindimensionaler Operatoren bilden und daher Vorkehrungen für deren Konvergenz treffen. Das führt zu folgender Definition:

Definition

Seien und zwei normierte Vektorräume. Ein Operator heißt nuklear, falls es Folgen in und in gibt mit

und

für alle . Eine solche Formel für heißt eine nukleare Darstellung von . Diese ist jedoch nicht eindeutig.

Die nukleare Norm oder Spurnorm eines nuklearen Operators ist definiert als

wobei das Infimum über die Folgen in und in gebildet wird, welche eine nukleare Darstellung von ergeben.

Beispiele

  • Sei und sei definiert durch . Dann ist nuklear mit . Im Hilbertraumfall gilt Gleichheit.
  • Sei stetig, sei definiert durch . Dann ist nuklear mit .
  • Sei definiert durch . Dann ist ein kompakter Operator, der nicht nuklear ist.

Einfache Eigenschaften

Sei die Menge aller nuklearen Operatoren . Ist vollständig, so ist mit der nuklearen Norm ein Banachraum. Die Operatoren mit endlichdimensionalem Bild liegen dicht in und jeder nukleare Operator ist kompakt.

Die nuklearen Operatoren haben die sogenannte Ideal-Eigenschaft: Seien und normierte Räume, sei nuklear und sowie seien stetige lineare Operatoren. Dann ist auch nuklear und es ist , wobei die Operatornorm sei. Es gilt stets

Speziell ist ein Ideal in der Algebra der stetigen linearen Operatoren auf , und mit der nuklearen Norm ist eine Banachalgebra.

Nukleare Operatoren auf Hilberträumen

Im Hilbertraum sind die Verhältnisse einfacher. In diesen Räumen sind die nuklearen Operatoren 1946 erstmals durch Robert Schatten und John von Neumann untersucht worden.

Jedes ist nach dem Satz von Fréchet-Riesz von der Form mit einem . Eine nukleare Darstellung eines Operators hat daher die Gestalt

mit und

Ist eine beliebige Orthonormalbasis von , so konvergiert für jedes

,

wobei die linke Summe als Limes des Netzes aller endlichen Teilsummen in zu lesen ist (d. h. als unbedingte Konvergenz). Diese Zahl ist daher unabhängig von der Wahl der Orthonormalbasis und auch unabhängig von der Wahl der nuklearen Darstellung, sie wird die Spur von genannt und mit bezeichnet. Wegen des englischen Wortes trace für Spur findet man auch häufig die Bezeichnung .

Ist selbstadjungiert und ist die Folge der mit Vielfachheiten gezählten Eigenwerte von , so gilt und . Für allgemeines ist die Eigenwertfolge absolut summierbar und es ist .

Als weitere Charakterisierung kann man zeigen, dass ein Operator genau dann nuklear ist, wenn er das Produkt zweier Hilbert-Schmidt-Operatoren ist.

spielt eine zentrale Rolle in der Dualitätstheorie von Operatoralgebren. Es bezeichne die Algebra der kompakten linearen Operatoren auf . Jedes definiert durch ein stetiges, lineares Funktional auf . Man kann zeigen, dass , ein isometrischer Isomorphismus ist, wobei mit der nuklearen Norm und mit der Operatornorm versehen sei. In diesem Sinne gilt also . Genauso definiert jedes durch die Formel ein stetiges lineares Funktional auf und man kann wieder zeigen, dass , ein isometrischer Isomorphismus ist, wenn man mit der nuklearen Norm und mit der Operatornorm versieht. In diesem Sinne gilt also . Insbesondere ist also , das heißt die Räume und sind bei unendlichdimensionalem Hilbertraum nicht reflexiv.

Eine Analogie zu Folgenräumen

Die folgende Aufstellung enthält eine Analogie zwischen Folgenräumen komplexer Zahlen und Operatoralgebren auf einem Hilbertraum. Im Sinne dieser Analogie kann man die nuklearen Operatoren als eine nicht-kommutative Version der -Folgen betrachten, sie ist zumindest eine Merkhilfe.

Folgenraum Operatoralgebra
= Raum der endlichen Folgen = Algebra der Operatoren endlichen Ranges
= Raum der Nullfolgen = Algebra der kompakten Operatoren
= Raum der absolut summierbaren Folgen = Algebra der nuklearen Operatoren
= Raum der quadratisch summierbaren Folgen = Algebra der Hilbert-Schmidt-Operatoren
= Raum der -fach summierbaren Folgen, = -Schatten-Klasse
= Raum der beschränkten Folgen = Algebra aller beschränkten Operatoren
liegt dicht in bzgl. der Supremumsnorm . liegt dicht in bzgl. der Operatornorm.
liegt dicht in bzgl. der Norm . liegt dicht in bzgl. der nuklearen Norm.
liegt dicht in bzgl. der Supremumsnorm. liegt dicht in bzgl. der Operatornorm.
ist ein Ideal in , und in . ist ein Ideal in , und in .
ist ein Ideal in und in . ist ein Ideal in und in .
ist ein Ideal in . ist ein Ideal in .
ist ein stetiges linearen Funktional auf . Die Spur ist ein stetiges lineares Funktional auf .
. .
. .
Eine Folge aus ist genau dann aus , wenn sie das Produkt zweier -Folgen ist. Ein stetiger linearer Operator ist genau dann nuklear, wenn er das Produkt zweier Hilbert-Schmidt-Operatoren ist.

Nukleare Operatoren auf Banachräumen

Die Untersuchung nuklearer Operatoren auf Banachräumen begann 1951 mit einer Arbeit von A. F. Ruston. Wegen der hier fehlenden Orthonormalbasen sind die Verhältnisse nicht so einfach wie im Hilbertraum-Fall, zudem sind deutlich andere Methoden erforderlich.

Während im Hilbertraum-Fall die Eigenwertfolge eines nuklearen Operators nach obigen Ausführungen absolut summierbar ist, kann man im Banachraum-Fall nur folgende schwächere Aussage beweisen:

Ist ein Banachraum und ist die Eigenwertfolge eines nuklearen Operators , so gilt und .

Dieses Ergebnis kann man nicht verbessern; R. J. Kaiser und James Ronald Retherford haben zu vorgegebener -Folge einen nuklearen Operator aus mit dieser Eigenwertfolge angegeben. Nach einem Satz von Johnson, König, Maurray und Retherford ist ein Banachraum genau dann isomorph zu einem Hilbertraum, wenn die Eigenwertfolge eines jeden nuklearen Operators aus ist.

Die Spur eines nuklearen Operators lässt sich nicht für alle Banachräume definieren. Ist eine nukleare Darstellung eines Operator aus gegeben, so legt der Hilbertraum-Fall die Definition nahe. Diese Zahl erweist sich genau dann als wohldefiniert, das heißt, als unabhängig von der gewählten nuklearen Darstellung, wenn der Banachraum die Approximationseigenschaft hat.

Die im Hilbertraum-Fall vorliegende Dualität verallgemeinert sich wie folgt auf Banachräume mit Approximationseigenschaft. Jedes definiert ein stetiges, lineares Funktional auf , wobei wenn eine nukleare Darstellung von ist. Die Approximationseigenschaft sichert die Wohldefiniertheit, d. h. die Unabhängigkeit von der Wahl der nuklearen Darstellung. Man kann zeigen, dass ein isometrischer Isomorphismus ist, wenn man mit der nuklearen Norm und mit der Operatornorm versieht. In diesem Sinne ist . Ist daher zusätzlich reflexiv, so hat man wie im Hilbertraum-Fall.

Nukleare Operatoren auf lokalkonvexen Räumen

Alexander Grothendieck hat 1951 mit der Untersuchung nuklearer Operatoren zwischen lokalkonvexen Räumen begonnen. Da man auf lokalkonvexen Räumen keine Norm zur Verfügung hat, muss die Definition wie folgt formuliert werden: Ein linearer Operator heißt nuklear, falls es eine Darstellung der Art

gibt, wobei

  • ,
  • eine gleichstetige Folge im starken Dualraum ist (d. h. es gibt eine stetige Halbnorm auf mit für alle ),
  • eine beschränkte Folge in ist.

Da die geforderte Gleichstetigkeit im Banachraum-Fall der Beschränktheit gleichkommt, führt die hier gegebene Definition im Banachraum-Fall auf denselben Begriff des nuklearen Operators, wie er oben definiert wurde.

Die Ideal-Eigenschaft verallgemeinert sich auf lokalkonvexe Räume: Ist nuklear und sind und stetige, lineare Operatoren zwischen lokalkonvexen Räumen, so ist auch nuklear. Nukleare Operatoren sind stetig und, falls vollständig ist, sogar kompakt. Man kann zeigen, dass es zu jedem nuklearen Operator einen weiteren nuklearen Operator zwischen normierten Räumen und stetige lineare Operatoren gibt mit . Damit kann man das Studium der nuklearen Operatoren zwischen lokalkonvexen Räumen auf den normierten Fall zurückführen.

In der lokalkonvexen Theorie spielen die nuklearen Operatoren eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit nuklearen Räumen.

Anwendung in der statistischen Physik

Das physikalische Gebiet der Statistischen Physik beruht auf der zentralen Annahme, dass die Spur jeder mit der Exponentialfunktion des sog. Hamilton-Operators (Energieoperator) bei der Temperatur gewichteten Messgröße (Observable) der Quantenstatistik existiert, und zwar obwohl der Hamiltonoperator selbst keineswegs zur Spurklasse gehört und in der Regel auch für den (nur selbstadjungierten!) Operator dasselbe zutrifft. Für den thermischen Erwartungswert der betrachteten Messgröße gilt trotzdem aufgrund dieser Annahme die Beziehung



Anders gesagt: die eingeklammerten Ausdrücke befassen sich i. W. mit nuklearen Räumen und den darin definierten Operatoren bzw. Messgrößen.

Literatur

  • R. Schatten, J. v. Neumann: The Cross Space of Linear Transformations II. In: Ann. of Math., 47, 1946, S. 608–630
  • A.F. Ruston: On the Fredholm theory of integral equations for operators belonging to the trace class of a general Banach space. In: Proc. London Math. Soc., 2, 53, 1951, S. 109–124
  • A. Grothendieck: Sur une notion de produit tensoriel topologique d’espaces vectoriels topologiques, et une classe remarquable d’espaces vectoriels liée à cette notion. In: C. R. Acad. Sci. Paris, vol. 233, 1951, S. 1556–1558
  • A. Pietsch: Nukleare lokalkonvexe Räume. Akademie-Verlag, (1965)
  • A. Pietsch: Eigenvalues and s-Numbers. In: Cambridge Studies in Advanced Mathematics, 1987
  • R. J. Kaiser, J. R. Retherford: Preassigning eigenvalues and zeros of nuclear operators. In: Studia Math., 81, 1985, S. 127–133
  • K. Floret, J. Wloka: Einführung in die Theorie der lokalkonvexen Räume. In: Lecture Notes in Mathematics, 56, S. 1968
  • H. H. Schaefer: Topological Vector Spaces. Springer, 1971
  • R. Meise, D. Vogt: Einführung in die Funktionalanalysis. Vieweg, 1992
  • Dirk Werner: Funktionalanalysis. 2. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1997, ISBN 3-540-61904-6