Stasi-Unterlagen-Gesetz

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Basisdaten
Titel: Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Kurztitel: Stasi-Unterlagen-Gesetz
Abkürzung: StUG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht
Fundstellennachweis: 252-1
Ursprüngliche Fassung vom: 20. Dezember 1991
(BGBl. I S. 2272)
Inkrafttreten am: 29. Dezember 1991
Neubekanntmachung vom: 6. September 2021
(BGBl. I S. 4129)
GESTA: O005
Weblink: Text des Gesetzes
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) wurde am 14. November 1991 vom Deutschen Bundestag verabschiedet.[1] Es regelt die Erfassung, Erschließung, Verwaltung und Verwendung der Akten („Stasi-Unterlagen“) des Ministeriums für Staatssicherheit und seiner Vorläufer- und Nachfolgeorganisationen (Staatssicherheitsdienst) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik,[2] die sich bei öffentlichen Stellen des Bundes oder der Länder, bei natürlichen Personen oder sonstigen nicht öffentlichen Stellen befinden.

Anwendung

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ist die gesetzliche Grundlage für den Zugang zu den Unterlagen und definiert die unterschiedlichen Bedingungen für ihre Verwendung. Dieses Gesetz ist die Basis für jegliche Tätigkeit der Behörde der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. So legt es beispielsweise auch fest, dass die Unterlagen nach archivischen Grundsätzen verwaltet werden sollen.

Bei dem Stasi-Unterlagen-Gesetz handelt es sich um ein Spezialgesetz. Es wurde notwendig, weil das Bundesarchivgesetz aufgrund der dreißigjährigen Sperrfrist und der zahlreichen personenbezogenen Daten die sofortige Nutzung der Stasi-Unterlagen nicht erlaubt hätte. Deswegen muss das Stasi-Unterlagen-Gesetz das Persönlichkeitsrecht und den Datenschutz angemessen berücksichtigen und gegen das Interesse an der Aufarbeitung abwägen. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass bei Akteneinsichten bestimmte personenbezogene Daten anonymisiert werden. Beispielsweise sieht bei der Einsicht in die eigene Akte die betreffende Person nur die Informationen zu sich selbst, aber keine persönlichen oder intimen Informationen über ihre Eltern oder Freunde, die in der Akte ebenfalls erwähnt sein können.[3]

Es wird ferner auf dieses Gesetz verwiesen, um den Personenkreis festzulegen, dessen Beschäftigung im öffentlichen Dienst untragbar erscheint und welcher grundsätzlich nicht in das Beamtenverhältnis berufen werden darf.[4] Die Gesetzesänderung vom 15. November 2019 erlaubt die hierfür notwendigen Überprüfungen der betreffenden Personen (verlängert) bis zum 31. Dezember 2030.

Geschichte

Die Unterlagen wurden auf Initiative der Bürgerbewegung im Zuge der friedlichen Revolution von 1989 sichergestellt (teils in geschreddertem oder ungeordnetem Zustand) und dann vom Beauftragten der Bundesregierung für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR verwaltet und verarbeitet.

Die Volkskammer bildete 1990 einen Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)/Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) und wählte Joachim Gauck zu seinem Leiter.[5] Gauck wurde zu einem der Initiatoren des Stasiunterlagengesetzes der Volkskammer. Am 2. Oktober 1990, dem letzten Tag des Bestehens der DDR, wurde der Abgeordnete der Listenverbindung Bündnis 90 Joachim Gauck von der Volkskammer zum Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR gewählt und am Tag darauf von Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Helmut Kohl als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes in dieser Funktion bestätigt.

Am 29. Dezember 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz in Kraft. Vier Tage später, am 2. Januar 1992, begann die Akteneinsicht durch Bürger, Wissenschaftler und Medien.[6]

Infolge des Stasi-Unterlagen-Gesetzes änderte sich die Bezeichnung des Amtes. Gauck war fortan Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Die Behörde wird (aufgrund ihres sperrigen offiziellen Titels) umgangssprachlich oft als „Gauck-Behörde“ bezeichnet.

Gaucks erste Amtszeit dauerte bis 1995; er wurde für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Da dieses Amt per Gesetz nur zwei Amtszeiten lang vom gleichen Inhaber bekleidet werden darf, konnte Gauck 2000 nicht wiedergewählt werden.

Im September 2000 wurde Marianne Birthler als seine Nachfolgerin in diesem Amt ernannt. Im März 2011 übernahm der Journalist Roland Jahn das Amt des Bundesbeauftragten, der sich dafür einsetzte, dass Ende 2011 mit einer Gesetzesänderung ein Beschäftigungsverbot für ehemalige Stasi-Mitarbeiter in der Stasi-Unterlagen-Behörde eingeführt wurde und bisher Beschäftigte in andere Bundesbehörden versetzt werden sollen.[7]

Landesbeauftragte

Nach § 38 StUG in der Fassung bis 16. Juni 2021 konnten die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Stellen der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik einrichten. Seit 17. Juni 2021 wird in § 38 StUG die Errichtung der nun so bezeichneten Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Folgen der kommunistischen Diktatur vom Gesetz vorausgesetzt.

Alle betreffenden Länder haben diese Möglichkeit wahrgenommen, zuletzt Brandenburg im Jahr 2009:

Literatur

  • Engel, Albert: Die rechtliche Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen auf der Grundlage des StUG. Duncker & Humblot, Berlin 1995 (Schriften zum öffentlichen Recht; 682), ISBN 3-428-08388-1.
  • Hansjörg Geiger: Stasi-Unterlagen-Gesetz mit Erläuterungen für die Praxis / Hansjörg Geiger, Heinz Klinghardt. Deutscher Gemeinde-Verlag, Köln 1993, ISBN 3-555-00952-4.
  • Annina Pollaczek: Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht. Am Beispiel des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2007, ISBN 978-3-8364-0788-5.
  • Johannes Weberling: Stasi-Unterlagen-Gesetz. Kommentar. Carl Heymanns, Köln, Berlin, Bonn, München 1993, ISBN 3-452-22515-1.
  • Stasi-Unterlagen-Gesetz, erläutert von Klaus Stoltenberg [Stand: Oktober 1999], Nomos-Verl.-Ges., Baden-Baden 2000, (Das Deutsche Bundesrecht), ISBN 3-7890-6796-2.
  • Beleites, Johannes: Mit lautem Donner zu kurz gesprungen. Die 8. Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. In: Deutschlandarchiv 11+12 (2011)
  • Johannes Beleites: Kommentar zur 7. Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 21. Dezember 2006, Deutschland-Archiv, Heft 1/2007, S. 5–8, ISSN 0012-1428.

Weblinks

Belege

  1. Drucksache 729/91 vom 29. November 1991 (PDF; 1,4 MB)
  2. vor 1950: unter anderem die Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft; ab 17. November 1989 Amt für Nationale Sicherheit
  3. Der Antrag auf Akteneinsicht für Privatpersonen. Abgerufen am 7. Mai 2019.
  4. z. B. verweist § 4 Abs. 1 Nr. 2 SächsBG auf den Personenkreis in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c bis e und h StUG, soweit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit oder Amt für nationale Sicherheit tätig gewesen
  5. 10. Volkskammer: 9. Sitzung/Tagung vom 31. Mai 1990 (Memento vom 12. Februar 2014 im Internet Archive)
  6. Geschichte des BStU: Chronologie des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG), abgerufen am 7. Dezember 2016.
  7. Die Beschlüsse des Bundestages am 29. und 30. September. Abgerufen am 30. September 2011
  8. Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 9. Mai 2018.
  9. Die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Abgerufen am 9. Mai 2018.
  10. Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 2. April 2020.
  11. Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 18. Mai 2021.
  12. Die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 9. Mai 2018.
  13. Landesbeauftragter des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Abgerufen am 9. Mai 2018.