Strafvollzugsgesetz(e) (Deutschland)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von StVollzG)

Die deutschen Strafvollzugsgesetze regeln den Vollzug der Jugendstrafe, der Freiheitsstrafe sowie den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung.

Erwachsene

Basisdaten
Titel: Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln
der Besserung und Sicherung
Kurztitel: Strafvollzugsgesetz
Abkürzung: StVollzG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Strafvollzugsrecht
Fundstellennachweis: 312-9-1
Erlassen am: 16. März 1976
(BGBl. I S. 581, ber. S. 2088,
ber. 1977 I S. 436)
Inkrafttreten am: 1. Januar 1977
Letzte Änderung durch: Art. 27 G vom 5. Oktober 2021
(BGBl. I S. 4607, 4617)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Januar 2022
(Art. 34 G vom 5. Oktober 2021)
GESTA: C211
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das seit 1977 den Vollzug der Freiheitsstrafe Erwachsener in Justizvollzugsanstalten und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung regelt (§ 1 StVollzG).

Das StVollzG wurde am 16. März 1976 erlassen und trat am 1. Januar 1977 in Kraft, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Strafgefangenen-Urteil eine gesetzliche Regelung des Strafvollzuges angemahnt hatte.

Seit die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im Rahmen der Föderalismusreform mit Wirkung zum 1. September 2006 vom Bund auf die Länder übergegangen ist,[1] gilt das StVollzG gem. Art. 125a Abs. 1 GG als Bundesrecht weiter, kann aber durch Landesrecht ersetzt werden. Von dieser Möglichkeit haben die Landesgesetzgeber sukzessive Gebrauch gemacht.[2]

Geschichte

Im Jahr 1934 hatte der damalige Reichsjustizminister Franz Gürtner eine Rechtsverordnung zum Strafvollzug erlassen.[3]

Vom 1. Dezember 1961 datiert eine Dienst- und Vollzugsordnung (DVollzO), die von der Justizministerkonferenz verabschiedet worden und in Lehre und Rechtsprechung umstritten war.[4]

Nach der Theorie des Sonderrechtsverhältnisses (auch besonderes Gewaltverhältnis) bedurften Grundrechtseinschränkungen von Personen, die in einem besonders engen Bezug zum Staat standen, keiner gesetzlichen Grundlage. Ein Strafvollzugsgesetz hielt man von Verfassungs wegen deshalb nicht für geboten.[5][6] Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 wurde diese Theorie aufgegeben und der Gesetzgeber zum Erlass eines Strafvollzugsgesetzes angehalten.[7]

Regelungsgehalt

Gemäß § 2 Satz 1 StVollzG soll „[im] Vollzug der Freiheitsstrafe […] der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel)“. Somit ist das Ziel des Strafvollzugs die Resozialisierung des Gefangenen. Allerdings trägt der gesamte Paragraph die Überschrift „§ 2 Aufgaben des Vollzuges“. § 2 S. 2 StVollzG lautet: „Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“, ohne dass in diesem Satz das Wort Ziel vorkommt. Hieraus kann man schließen, dass die Resozialisierung des Gefangenen alleiniges Vollzugsziel ist, während der Schutz der Allgemeinheit lediglich eine ergänzende Aufgabe darstellt, so dass die soziale Integration klare Priorität vor allen anderen Aufgaben hat. Im Gegensatz z. B. zum Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) besteht danach keine Zielpluralität.

Des Weiteren soll das Leben im Strafvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angepasst werden, schädlichen Folgen des Strafvollzugs ist entgegenzuwirken. Der Gefangene soll befähigt werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (§ 3 StVollzG). Außerdem ist die Bereitschaft des Gefangenen zu wecken, an seiner Behandlung sowie an der Gestaltung des Vollzugszieles mitzuarbeiten (§ 4 StVollzG).

Neben diesen Grundsätzen trifft das Gesetz Regelungen über die Vollzugsplanung, die Stellung und die Rechte und Pflichten des Gefangenen sowie der Vollzugsbehörde. Zudem wird auf den Alltag des Gefangenen hinsichtlich der Ernährung, Religionsausübung, Gesundheitsfürsorge, Freizeit sowie die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung eingewirkt.

Gefangene, die sich durch Maßnahmen der Anstalt in ihren Rechten verletzt fühlen, können ihr Anliegen gegenüber dem Anstaltsbeirat bei ihrer JVA (s. StVollzG § 162ff), dem Justizvollzugsbeauftragten des Landes (z. B. NRW) vorbringen oder Rechtsschutz bei den Gerichten (Strafvollstreckungskammer, Oberlandesgericht) suchen. Die Effektivität dieses Rechtsschutzes ist allerdings umstritten (Feest/Lesting/Selling 1997).

Hinsichtlich der Maßregeln der Besserung und Sicherung werden die Sicherungsverwahrung, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt geregelt. Mehrere Vorschriften schließen sich zu den Justizvollzugsanstalten selbst an, daneben bestehen Regelungen zur Datenerhebung, der Sozialversicherung und Anpassungen anderer Rechtsvorschriften.

Jugendliche

Mit Urteil vom 31. Mai 2006 forderte das Bundesverfassungsgericht auch eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzugs.[8] In manchen Bundesländern regeln seitdem eigene Jugendstrafvollzusgesetze den Vollzug der Jugendstrafe und den Vollzug der Freiheitsstrafe nach § 114 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG).[9] In anderen Bundesländern wurden die Erwachsenenvollzugsgesetze um Regelungen für den Jugendstrafvollzug ergänzt.[10][11]

Literatur

Gesetzeskommentare
  • Rolf-Peter Calliess, Heinz Müller-Dietz: Strafvollzugsgesetz. Kommentar. 11. Auflage. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57619-5.
  • Hans-Dieter Schwind, Alexander Böhm, Jörg-Martin Jehle, Klaus Laubenthal (Hrsg.): Strafvollzugsgesetze (StVollzG). Kommentar. 7. Auflage. De Gruyter, Berlin 2019, ISBN 978-3-11-053517-4.
  • Johannes Feest/Wolfgang Lesting (Hrsg.): Kommentar zum Strafvollzugsgesetz. AK-StVollzG. 6. Auflage. Heymanns, Köln 2012.
  • Laubenthal, Klaus / Nestler, Nina / Neubacher, Frank / Verrel, Torsten, Strafvollzugsgesetze. Kommentar, 12. Auflage, C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-65229-5 [vormals, bis zur 11. Auflage, Callies/ Müller-Dietz, Kommentar zum StVollzG]
  • Frank Arloth: Strafvollzugsgesetz. Bund, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen. Kommentar. 3. Auflage. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-61640-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034
  2. vgl. Vorschriften der Länder auf dem Gebiet des Strafvollzugs beck-online.de, abgerufen am 12. März 2019
  3. Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind vom 14. Mai 1934, RGBl. I S. 383
  4. "Der Strafvollzug ist der Lackmustest einer Gesellschaft". Interview mit Annelie Ramsbrock über Resozialisierung in westdeutschen Gefängnissen, Website der Gerda Henkel Stiftung, 17. Januar 2017
  5. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 1972 – BVerfGE 33, 1, Rdnr. 17 f.
  6. vgl. Horst Schüler-Springorum: Strafvollzug im Übergang, 1969, S. 59 ff.; Heinz Müller-Dietz: Strafvollzugsgesetzgebung und Strafvollzugsreform, 1970, S. 86 ff., je mit ausführlichen Rspr.- und Lit.-Nachweisen
  7. vgl. Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung — Strafvollzugsgesetz (StVollzG) BT-Drs. 7/918 vom 23. Juli 1973
  8. BVerfG, Urteil vom 31. Mai 2006 - 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04
  9. vgl. beispielsweise Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Berlin (Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz – JStVollzG Bln) vom 15. Dezember 2007
  10. vgl. beispielsweise Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Justizvollzug Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 14/5411, Gesetzesbeschluss vom 4. November 2009
  11. Jugendstrafvollzugsgesetz IV: (Jugend-)Strafvollzugsgesetze der Länder Linksammlung auf der Website der DVJJ, 15. März 2012