Sturmabteilung Roßbach
Das Freikorps Roßbach war ein Freikorps in der Zeit der Weimarer Republik. Unter Befehl Gerhard Roßbachs war es 1919 an Kämpfen in Westpreußen und im Baltikum beteiligt. Offiziell 1920 aufgelöst, bestand es illegal weiter und war an der Niederschlagung von Unruhen innerhalb des Deutschen Reiches sowie 1921 an Kämpfen mit polnischen Verbänden in Oberschlesien beteiligt.
Geschichte
Das Freikorps Roßbach wurde auf Befehl des Gouvernements der Festung Graudenz/Westpreußen von Oberleutnant Gerhard Roßbach (1893–1967) aus den Resten eines unter seinem Befehl stehenden Maschinengewehr-Lehrkommandos aufgestellt. Die Einheit besaß am 22. November 1918 eine Stärke von 4 Offizieren, 11 Unteroffizieren und 66 Mann. Wie viele andere Freikorps trug sie den Namen ihres 25-jährigen Führers: „Freiwillige Grenzschutz Maschinengewehr-Kompanie (MGK) Roßbach“. Bis zum Jahreswechsel 1918/19 war die Roßbach-Kompanie südlich von Strasburg/Westpreußen im Grenzschutz Ost eingesetzt. Im Januar 1919 wurde sie ins Innere Westpreußens zurückgezogen, um Unruhen niederzuschlagen. Sie war in Strasburg, Thorn und Briesen aktiv.
Nach weiterem Einsatz im Sicherungsdienst in Westpreußen brach das durch Werbung auf mittlerweile fast tausend Mann angewachsene Freikorps Roßbach am 19. Oktober 1919 in das Baltikum auf. Es war gut mit Waffen und Munition ausgerüstet. Roßbach hatte zahlreiche Gesuche um Versetzung ins Baltikum an die Oberste Heeresleitung (OHL), die seit Januar 1919 wegen des Grenzschutz Ost in Kolberg im Osten Deutschlands stationiert war, gerichtet. Obwohl man auch in der OHL von der Lage der im Baltikum kämpfenden deutschen Truppen wusste, wurden diese Gesuche aus außenpolitischen Gründen abgelehnt. Roßbach – wegen Meuterei und Gehorsamsverweigerung steckbrieflich gesucht – konnte unter Androhung von Gewalt die Grenze nach Lettland überschreiten.[1]
Das Freikorps Roßbach unterstützte die bedrängten Truppen der Freiwilligen Russischen Westarmee und der Eisernen Division. Es wurde an der Dünafront eingesetzt. Unter schweren Verlusten deckte es den geordneten Rückzug der Baltikumtruppen. Am 16. Dezember 1919 überschritten die Einheiten des Freikorps Roßbach als letzte Truppe die deutsche Grenze.
Ins Reich zurückgekehrt, erhielt Roßbach den Befehl, sein Freikorps in Ratzeburg aufzulösen. Große Teile des Freikorps blieben jedoch in Ostpreußen und fanden dort Arbeit in Tarnunternehmen, die den illegalen Erhalt der Truppe gewährleisten sollten.
Bei Beginn des Kapp-Putsches am 13. März 1920 mobilisierte Roßbach sein Freikorps vom geheim in Berlin weiterbestehenden Stab aus. Es sammelte sich in Görries bei Schwerin, wurde von der Reichswehr ausgerüstet und unterstand der Reichswehr-Brigade 9 unter Generalmajor von Paul Emil von Lettow-Vorbeck (1870–1964). Die Einheit wurde gegen die in der Folge des Kapp-Putsches ausgebrochenen Unruhen zunächst in Mecklenburg und ab April 1920 auch im Ruhrgebiet eingesetzt.
Nach der erneuten Auflösung am 20. Mai 1920 wurden große Teile der Mannschaften geschlossen in der Landwirtschaft Mecklenburgs und Pommerns untergebracht. Alle ehemaligen Kämpfer waren in der „Arbeitsgemeinschaft Roßbach“ eingetragen. Diese war mit ihren rund 1.500 Mitgliedern in regionalen Gruppen über das ganze Reich verteilt und hielt engen Kontakt zur Reichswehr.
An der Niederschlagung des am 3. Mai 1921 ausgebrochenen 3. polnischen Aufstandes in Oberschlesien, mit dem Polen die Ententemächte und das Deutsche Reich vor vollendete Tatsachen stellen wollte, beteiligte sich auch der Gau Schlesien der „Arbeitsgemeinschaft Roßbach“. Roßbach selbst übernahm von Kreuzburg/Oberschlesien aus die Organisation. Die Angehörigen des Freikorps kämpften hier im Verbund mit dem Selbstschutz Oberschlesien unter dem Namen „Freiwilligen-Abteilung Schlesien“. Ihre Verluste im Kampf gegen die Polen beliefen sich auf 12 Tote und 49 Verwundete. Das Freikorps Roßbach war zu diesem Zeitpunkt keine unpolitische militärische Formation, sondern eine militant rechtsextreme Organisation:
„Gerade die oberschlesischen Kämpfe brachten auch bei den Roßbachern eine ideologische Radikalisierung mit sich. Gleichzeitig nahm die Praxis der Fememorde an angeblichen Verrätern deutlich zu.“[2]
Nach dem Ende des Einsatzes der Roßbacher in Schlesien wurde das Freikorps auf Druck der Reichsregierung aufgelöst. Roßbach richtete daraufhin weiterhin unter militärischen Vorzeichen organisierte Nachfolgeorganisationen wie die „Arbeitsgemeinschaft Roßbach“ oder eine Lehrgemeinschaft für Landwirtschaft ein. Zur Jahreswende 1922/1923 waren in diesen noch immer 20.000–30.000 Mann gesammelt[3]
Gerhard Roßbach wandte sich der völkischen Jugendarbeit zu. Die von ihm geführte Spielschar Ekkehard war im ganzen Reich, aber auch im Ausland bekannt.
Bekannte Mitglieder
- Martin Bormann, Reichsleiter der NSDAP und SS-Obergruppenführer, am Parchimer Fememord innerhalb des Freikorps beteiligt
- Kurt Daluege, SS-Oberstgruppenführer und Generaloberst der Polizei, Chef der Ordnungspolizei
- Karl von Eberstein, SS-Obergruppenführer, General der Waffen-SS und Polizei
- Karl Ernst, SA-Gruppenführer und Reichstagsabgeordneter
- Hans Hayn, SA-Führer
- Edmund Heines, SA-Gruppenführer und Reichstagsabgeordneter, an Fememord innerhalb des Freikorps beteiligt
- Oskar Heines, SA-Obersturmbannführer
- Wolf-Heinrich Graf von Helldorf, SA-Obergruppenführer
- Otto Hellwig, SS-Gruppenführer
- Rudolf Höß, SS-Obersturmbannführer, Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, am Parchimer Fememord innerhalb des Freikorps beteiligt
- Walter Kadow, Volksschullehrer, 1923 im Parchimer Fememord von Kameraden ermordet
- Hans Kammler, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Chef Bauwesen der SS und Heeresbauwesen
- Willi Klemm, SA-Brigadeführer
- Paul Röhrbein, SA-Brigadeführer
- Fritz Schlessmann, SS-Gruppenführer
Literatur
- Arnolt Bronnen: Roßbach. Berlin 1930.
- Kurt-Gerhard Klietmann: Beiträge in: Feldgrau-Mitteilungsblätter einer Arbeitsgemeinschaft. Lehrte 1953–1971.
- Günther Körner: Selbstschutz in Oberschlesien. Dülmen 1981.
- Gerhard Roßbach: Mein Weg durch die Zeit. Weilburg/Lahn 1950.
- Ernst von Salomon: Das Buch vom deutschen Freikorpskämpfer. Berlin 1938.
Weblinks
- Christoph Hübner: Freikorps Roßbach. In: Historisches Lexikon Bayerns
- Bernhard Sauer: Gerhard Roßbach – Hitlers Vertreter für Berlin. Zur Frühgeschichte des Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik (pdf, 3,8 Mbyte) In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (ZfG), 50. Jahrgang 2002, Heft 1, 2002.
- Mario Niemann: Bormann, Martin und Rudolf Höß. In: Kurt Groenewold / Alexander Ignor / Arnd Koch (Hrsg.): Lexikon der Politischen Strafprozesse. März 2016.
Einzelnachweise
- ↑ Bernhard Sauer: Vom „Mythos eines ewigen Soldatentums“. Der Feldzug deutscher Freikorps im Baltikum im Jahr 1919. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 43, Heft 10, 1995, S. 869–902, hier S. 895.
- ↑ Artikel "Freikorps Roßbach" in: "Historisches Lexikon Bayerns". In: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Freikorps_Ro%C3%9Fbach,_1919-1923. 20. Oktober 2021, abgerufen am 20. Oktober 2021.
- ↑ Staatsarchiv München: PDM 6697, Bl. 404: Informationsbericht des Franz von Puttkamper vom 15. Januar 1923.