Patriarchat (Kirche)

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Ein Patriarchat (von altgriechisch πατριαρχία patriarchia, von

πατήρ

‚Vater‘ und

αρχή

‚Ursprung, Herrschaft‘) ist in vorreformatorischen Kirchen eine kirchliche Verwaltungseinheit und ein Jurisdiktionsbereich, der eine eigene Teilkirche bildet und zu dem weitere Diözesen gehören. Oberhaupt des Patriarchats ist ein Bischof mit dem Titel Patriarch, der den übrigen Diözesanbischöfen in seinem Patriarchat übergeordnet ist, wobei seine genauere Rechtsstellung von Epoche zu Epoche und von Teilkirche zu Teilkirche stark variiert. Auch die Amtszeit eines Patriarchen wird Patriarchat genannt.

Patriarchate gibt es in den orthodoxen und altorientalischen Kirchen sowie in der römisch-katholischen Kirche.

Alte Kirche

In der Alten Kirche entstanden in den Regionen des römischen Reiches Obermetropolien, die die Vorherrschaft in ihrem Gebiet innehatten. Daraus entwickelten sich die fünf altkirchlichen Patriarchaten, die als Pentarchie im Römischen Reich die gesamte damalige Weltkirche abbildeten. Vier sind heute orthodoxe Patriarchate und das fünfte Patriarchat Rom bildet die Lateinische Kirche, der Patriarchentitel wird aber seit 2006 nicht mehr geführt.

Historische Entwicklung

Herausbildung des Bischofsamtes

Nachdem sich im 2. Jahrhundert anstatt der kollegialen Leitung durch Gemeindeälteste (Presbyter) die Bischofskirche durchgesetzt hatte, war das zentrale Element der kirchlichen Leitung das Bischofsamt. Autorität und Würde dieses Amtes entsprangen der Apostolische Sukzession: jeder Bischof galt über eine lange Reihe von Vorgängern als Nachfolger der Apostel. Bei Ignatius von Antiochien tendierte seine fast monarchische Autorität bereits zu einer umfassenden Lehr-, Weihe- und Jurisdiktionsgewalt.

Diokletian & Konstantin

Durch die diokletianische Verwaltungsreform Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrhunderts wurde das Römische Reich in drei Präfekturen neu gegliedert:

  • Praefectus praetorio Illyrici, Italiae et Africae
  • Praefectus praetorio Galliarum
  • Praefectus praetorio per Orientem

Die Präfekturen gliederten sich weiter in die staatlichen Diözesen (unter Diokletian 12, je vier pro Präfektur). Zu jeder Diözese gehörten die einzelnen Provinzen. Der dritten Präfektur Praefectus praetorio per Orientem gehörten unter Diokletian die vier Diözesen Thrakien, Asia, Pontus und die Diözese des Orients (auch des Ostens) an.

Unter Kaiser Konstantin dem Großen wurde Ägypten aus der Diözese des Orients ausgegliedert und zu einer eigenständigen, fünften Diözese geformt.

Konzil von Nicäa: Metropolitanverfassung (325)

Auf dem von Konstantin einberufenen Konzil von Nicäa wurde 325 die so genannte „Metropolitanverfassung“ eingerichtet:

„Die alte Sitte soll in Ägypten, Libyen und Pentapolis Bestand halten, dass der Bischof von Alexandrien über dies alles die Obergewalt innehat, da auch dem Bischof von Rom dies zukommt. Auf gleiche Weise sollen sowohl der Kirche von Antiochien als auch den anderen Exarchien den Kirchen ihre Vorrechte gewahrt bleiben.“

In der Folge bildeten sich darauf aufbauend die kirchlichen Verwaltungsgebiete (kirchliche Diözesen) heraus, aus denen sich später die Patriarchate entwickelten. Die Präfekturen Praefectus praetorio Illyrici, Italiae et Africae und Praefectus praetorio Galliarum bildeten das durch das Patriarchat von Rom verwaltete westliche Abendland (Okzident). In Ägypten bildete sich das Patriarchat von Alexandrien (Alexandrien). Das Patriarchat von Antiochien erbte das Gebiet der staatlichen Diözese des Orients. Die übrigen staatlichen Diözesen Thrakien, Asia und Pontus hatten möglicherweise zunächst eigene Patriarchate.

Konzilien von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451)

Auf dem Konzil von Konstantinopel 381 erhielt der Bischof von Konstantinopel die Rechte eines Obermetropoliten für die übrigen Diözesen Thrakien, Asia und Pontus. Die Bestrebungen Konstantinopels, den ersten Rang nach Rom zu erlangen, wurden auf diesem Konzil ebenfalls erfüllt. Der dortige Bischof erhielt den Ehrenvorrang nach Rom. Auf dem Konzil von Chalcedon 451 wird auch dem Bischof von Jerusalem ein Jurisdiktionsvorrang eingeräumt.

Pentarchie

Erst Kaiser Justinian I. kodifizierte in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts diese Obermetropoliten als die fünf Patriarchen, die gemeinsam die Pentarchie (altgriechisch für ‚Fünfherrschaft‘) bildeten.[1] Diese Hierarchie wurde auch in der 5. Konstitution des Vierten Laterankonzils im Jahre 1215 bestätigt. Die Patriarchate waren untereinander ranggleich und standen zueinander in einer festen Ehrenordnung, deren Spitze Rom mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus als Primus inter pares bildete.

Durch ihre Communio vermittelten die fünf den Diözesen in ihrer Jurisdiktion die Kirchengemeinschaft mit allen Ortskirchen und waren Garanten der Einheit der Weltkirche. Zur Klärung von Konflikten bediente man sich der Konzilien.

Im Verlauf der Kirchengeschichte wurde die patriarchale Leitung der Gesamtkirche durch Schismen aufgegeben beziehungsweise unwirksam. Aus den Patriarchaten bildeten sich eigenständige Kirchen: Das Patriarchat des Abendlandes wurde zum Zentrum der Lateinischen Kirche, das Patriarchat von Konstantinopel der Orthodoxen Kirchen, das Patriarchat von Antiochien der Armenischen Kirche und der Syrischen Kirche von Antiochien, das Patriarchat von Alexandrien der Koptischen und Äthiopischen Kirche.[1]

Katholikate

Die Oberbischöfe der Kirchen außerhalb des Römischen Reiches führten zunächst den Titel Katholikos, später zusätzlich, neuzeitlich auch allein, den eines Patriarchen. Die wichtigsten Katholikate waren und sind:

Orthodoxie

Seit dem Morgenländischen Schisma gehören vier der altkirchlichen Patriarchate zu den byzantinisch-orthodoxen Kirchen:

Im 11. Jahrhundert entstand das

Im Gefolge der Slawenmission entstanden die Patriarchate der nachkaiserlichen Zeit:

Vom Moskauer Patriarchat spaltete sich nichtkanonisch (ohne Zustimmung des Moskauer Patriarchats) ab:

Römisch-katholische Kirche

Das Patriarchat des Abendlandes in Rom war das einzige der fünf altkirchlichen Patriarchate im Weströmischen Reich. Aus diesem entwickelte sich die Lateinische Kirche, die die größte Kirche eigenen Rechts der römisch-katholischen Kirche bildet, und das Papsttum. Historisch gesehen übt der Papst die patriarchale Jurisdiktion über die Lateinische Kirche und alle Partikularkirchen aus, die keiner anderen patriarchalen Jurisdiktion angehören.

Der von den Päpsten seit dem 5. Jahrhundert geführten Titel Patriarch des Abendlandes wird seit 2006 unter Papst Benedikt XVI. nicht mehr offiziell geführt.[2][3]

Neben Rom gibt es noch weitere Patriarchate in der römisch-katholischen Kirche, fünf in der Lateinischen Kirche und acht in den Katholischen Ostkirchen. Zu unterscheiden sind die Patriarchate, in denen der Patriarch eine eigene patriarchale Jurisdiktion über Teilgebiete der Gesamtkirche ausübt (große Patriarchate), und die Titularpatriarchate ohne eigene Jurisdiktion (kleine Patriarchate).

Die Jurisdiktionsgewalt des Papstes über die gesamte Weltkirche einschließlich der anderen Patriarchate beruht nicht auf der patriarchalen Jurisdiktion, sondern auf dem Jurisdiktionsprimat. Die Patriarchen der römisch-katholischen Kirche benötigen teilweise die Bestätigung bestimmter Rechtshandlungen durch den Papst.

Eine vergleichbare Stellung, aber keine patriarchale Jurisdiktion besitzen die Großerzbischöfe. Sie sind Oberhäupter katholischer Ostkirchen, die nicht zu den altkirchlichen Patriarchaten oder Katholikaten zählen, oder aus Gründen der Ökumene mit anderen Kirchen keinen Patriarchentitel führen. Bei Großerzbischöfen muss der Papst die Wahl bestätigen, bevor der Erwählte inthronisiert und sein Amt antreten kann.[4] Für Patriarchen ist eine Bestätigung der Wahl nicht erforderlich. Der neugewählte Patriarch bittet den Papst lediglich schriftlich um die sogenannte Ecclesiastica Communio.[5]

Lateinische Kirche

Patriarchate

Patriarchate (große Patriarchate) haben eine eigene Jurisdiktion.

Titularpatriarchate

Titularpatriarchate (kleine Patriarchate) besitzen keine Jurisdiktion.

Es gibt zwei titulare Patriarchate mit einem residierenden Patriarchen:

Zudem existieren zwei titulare Patriarchate ohne Hierarchie:

Ehemalige Patriarchate

Es gibt in der Lateinischen Kirche fünf ehemalige Patriarchate, deren patriarchaler Titel durch den Papst aufgehoben wurde.

Das Patriarchat von Aquileia entstand durch eine Abspaltung von der römischen Kirche im Dreikapitelstreit 567. 40 Jahre später spaltete sich das Patriarchat von Grado ab, nachdem der Patriarch Candidianus von Rimini die Gemeinschaft mit Rom suchte. Dieses wurde 1451 von Papst Nikolaus V. aufgelöst und stattdessen das Patriarchat von Venedig eingerichtet. Das weiter bestehende Patriarchat Aquileia wurde von Papst Benedikt XIV. am 6. Juni 1751 aufgelöst.

Während der Kreuzzüge wurden in Konkurrenz zu den alten, orthodoxen Patriarchaten die Lateinischen Patriarchate des Ostens gegründet. Nach dem Zerfall der Kreuzfahrerstaaten wurden diese als Titularpatriarchate weitergeführt und im Gegensatz zum Jerusalemer Patriarchat nicht wiederhergestellt. Im Zuge der Ökumene mit der Orthodoxie wurden diese 1964 nach dem Zweiten Vatikanum nach mehreren Jahren der Vakanz aufgehoben:

Katholische Ostkirchen

Die acht Patriarchate der Katholischen Ostkirchen verfügen allesamt über eine patriarchale Jurisdiktion.

In der Melkitisch-griechischen Kirche gibt es nominell drei Patriarchalsitze, in den übrigen jeweils einen.

Altorientalische Kirchen

In den orientalisch-orthodoxen Kirchen ist der Patriarch (in der armenischen Kirche mit dem Titel Katholikos) jeweils das Kirchenoberhaupt. Zu den altorientalischen Patriarchaten gehören, sortiert nach Ritus:

Antiochenischer Ritus
Alexandrinischer Ritus
Armenischer Ritus (Armenisch-apostolische Kirche)
Ostsyrischer Ritus (Nestorianer)

Einige Kirchenoberhäupter tragen den Titel Katholikos, zusätzlich oder anstelle eines Patriarchentitels.

Literatur

  • Annuario pontificio. per l’anno 2007. ZDB-ID 370-0 (Päpstliches Jahrbuch).
  • Niccolò Del Re (Hrsg.): Vatikan-Lexikon. Lizenzausgabe. Pattloch, Augsburg 1998, ISBN 3-629-00815-1.
  • Orthodoxia. Jg. 2007, ZDB-ID 585333-3 (Jahrbuch für die Orthodoxie).
  • Steyler Missionswissenschaftliches Institut (Hrsg.): Atlas Hierarchicus. Descriptio geographica et statistica insuper notae historicae Ecclesiae Catholicae. 5. editio elaboravit. St. Gabriel-Verlag, Wien 1992, ISBN 3-85264-399-6 (Jurisdiktionsbezirke, Statistik).

Einzelnachweise

  1. a b Rainer Hermann: Petrus bei Andreas. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. November 2006, Seite 3. (Artikelarchiv, faz.net)
  2. Papst Benedikt XVI. verzichtet auf Titel "Patriarch des Abendlandes" auf kath.net.de
  3. Titel der Päpste auf der Seite katholisch.de
  4. Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium: Can. 153
  5. Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium: Can. 76