Verbotene Kraftfahrzeugrennen

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Das Verbotene Kraftfahrzeugrennen ist ein Tatbestand des deutschen Strafrechts. Er zählt zu den gemeingefährlichen Straftaten und ist im 28. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (StGB) in § 315d normiert.

Normierung

Der Tatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens gemäß § 315d StGB lautet seit seiner Einführung am 30. September 2017 wie folgt:[1]

(1) Wer im Straßenverkehr

1. ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt,
2. als Kraftfahrzeugführer an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen teilnimmt oder
3. sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 oder 3 Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 strafbar.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 2 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Entstehungsgeschichte

Vor Einführung des Straftatbestands wurden einfache illegale Straßenrennen lediglich über die StVO mit Bußgeldern sanktioniert. Lediglich bei Gefährdung von Personen oder Sachen von bedeutendem Wert lag eine Straftat vor (§ 315c StGB). Außerdem wurde als unbefriedigend empfunden, dass bei einem Todesfall in der Regel nur eine fahrlässige Tötung vorliegt und dass der entsprechende § 222 StGB einen zu geringen Strafrahmen vorsieht.[2] Nach einer Zunahme von illegalen Kraftfahrzeugrennen wurde ein Gesetzesentwurf zur Einführung des heutigen § 315d StGB beraten.[3] Die Norm wurde dann durch das 56. Strafrechtsänderungsgesetz eingeführt und trat am 13. Oktober 2017 in Kraft.[4]

Objektiver Tatbestand

Im Straßenverkehr

Alle Tathandlungen in § 315d Abs. 1 StGB müssen im Straßenverkehr begangen werden. Abzugrenzen ist dies vom Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr. Gemäß dem Schutzzweck der Norm wird wie auch in den anderen §§ 315 ff. StGB nur der öffentliche Straßenverkehr geschützt.[5]

Ausrichtung oder Durchführung nicht erlaubter Kraftfahrzeugrennen (Abs. 1 Nr. 1)

Gem. § 315 d Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr ein nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt. Der Begriff des Kraftfahrzeugrennens ist nicht legaldefiniert. Zur Definition kann die Rechtsprechung des § 29 Abs. 1 StVO herangezogen werden. Hier war das Kraftfahrzeugrennen auch schon vor der Einführung des § 315d StGB normiert.[6] Es gibt jedoch auch Stimmen, die eine fehlende Bestimmtheit des Begriffs kritisieren und gerade keine Verbindung zu § 29 Abs. 1 StVO heranziehen möchten. Dies wird damit begründet, dass an die Bestimmtheit von Straftatbeständen höhere Anforderungen gesetzt werden müssen als im Ordnungswidrigkeitenrecht.[7]

Ein Rennen kann als Veranstaltung zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder höchsten Durchschnittsgeschwindigkeiten definiert werden, wobei sich mindestens zwei Fahrer eines Kraftfahrzeugs zuvor zumindest konkludent abgesprochen haben.[8][9]

Teilnahme an nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen (Abs. 1 Nr. 2)

Nach § 315 d Abs. 1 Nr. 2 StGB ist auch die Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen strafbar.

Fortbewegung mit verkehrswidriger und rücksichtsloser Geschwindigkeit (Abs. 1 Nr. 3)

Strafbar macht sich nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB auch, wer sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Diese Tatbestandsalternative ist nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2022 hinreichend bestimmt und verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz.[10] Was es bedeutet eine höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen zu wollen, bleibt aber konkretisierungsbedürftig. Der Bundesgerichtshof schränkt den Tatbestand dahingehend ein, dass zumindest eine „nicht ganz unerheblichen Wegstrecke“ zurückgelegt werden muss. Dabei muss das Ziel bestehen „die nach den situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Dies muss aber nicht das Hauptziel sein, sondern kann auch bloßes Zwischenziel sein, um etwas anderes zu erreichen (z. B. Fliehen vor der Polizei).[11]

Verurteilungen wegen Mordes

Bei Todesfällen aufgrund von verbotenen Kraftfahrzeugrennen haben einige Landgerichte die Angeklagten wegen Mordes verurteilt.[12] Seit Inkrafttreten des § 315d StGB führt das zu einer Verurteilung wegen Mordes in Tateinheit mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge.[13] Die Verurteilung wegen verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge ist wegen Einführung des § 315d Abs. 5 StGB oft unproblematisch. Die Verurteilung wegen Mordes wird allerdings oft vom Bundesgerichtshof in der Revision aufgehoben.[14] In der Regel geschieht das, weil der Tötungsvorsatz nicht ausreichend begründet wurde. Dem Tötungsvorsatz steht oft entgegen, dass darauf vertraut wird, dass beim Kraftfahrzeugrennen ein Unfall ausbleibt. Die Autofahrenden wollen schließlich das Autorennen gewinnend abschließen und nicht durch einen Unfall verhindert werden. Nach einmaliger Zurückverweisung[15], hielt aber eine Verurteilung des Landgerichts Berlin wegen Mordes[16] der Revision stand. Der Bundesgerichtshof führte dazu aus:

„Die Bewertung der Eigengefährdung durch den Täter kann abhängig von seinem Vorstellungsbild über mögliche Tathergänge abgestuft sein. So kann ein Täter ohne Weiteres bei Fassen des Tatentschlusses einen bestimmten gefahrbegründenden Sachverhalt – bei einem drohenden Unfallgeschehen etwa die Kollision mit einem Fußgänger – hinnehmen, während er auf das Ausbleiben eines anderen, für ihn mit einem höheren Risiko verbundenen Geschehensablaufs – etwa das Ausbleiben eines Zusammenstoßes mit einem Lkw – vertraut. Für die Prüfung, ob ein konkretes Geschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz umfasst war, kommt es daher entscheidend darauf an, ob der Täter einen bestimmten Geschehensablauf als möglich erkannt und die mit diesem Geschehensablauf einhergehende Eigengefahr hingenommen hat. Ist dies der Fall und verwirklicht sich dieses Geschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob der Täter bei Fassen des Tatentschlusses weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sicht mit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden waren, ebenfalls für möglich erachtet hat.“[17]

Vor diesem Hintergrund sind zukünftig Verurteilungen wegen Mordes in Tateinheit mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge möglich.

Literatur

  • Constantin Blanke-Roeser: Kraftfahrzeugrennen iSd neuen § 315 d StGB. In: JuS. 2018, S. 18ff.
  • Tamina Preuß: Ein Jahr Strafbarkeit verbotener Kraftfahrzeugrennen nach § 315 d StGB. In: NZV. 2018, S. 537ff.

Weblinks

  • § 315d StGB (dejure) – Gesetzestext mit Hinweisen zu Entscheidungen und Aufsätzen

Einzelnachweise

  1. § 315d Verbotene Kraftfahrzeugrennen. In: dejure.org. Abgerufen am 9. Februar 2019.
  2. BT-Drs. 18/10145, S. 10.
  3. BT-Drs. 18/10145, S. 7.
  4. Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, StGB § 315d Rn. 1.
  5. BeckOK StGB/Kulhanek, 41. Ed. 1. Februar 2019, StGB § 315d Rn. 10.
  6. Schönke/Schröder/Hecker, 30. Aufl. 2019, StGB § 315 d Rn. 3.
  7. Constantin Blanke-Roeser: Kraftfahrzeugrennen iSd neuen § 315 d StGB in JuS 2018, 19.
  8. Constantin Blanke-Roeser: Kraftfahrzeugrennen iSd neuen § 315 d StGB in JuS 2018, 22.
  9. BeckOK StGB/Kulhanek, 41. Ed. 1. Februar 2019, StGB § 315d Rn. 11.
  10. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 09. Februar 2022 – 2 BvL 1/20 - abgerufen am 6. März 2022.
  11. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 – 4 StR 225/20 –, BGHSt 66, 27.
  12. z. B. LG Berlin, Urteil vom 27. Februar 2017 – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16) –, juris.
  13. z. B. LG Kleve, Urteil vom 17. Februar 2020 – 140 Ks – 507 Js 281/19 – 6/19 –, juris.
  14. z. B. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 – 4 StR 266/20 –, juris.
  15. BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 –, BGHSt 63, 88.
  16. LG Berlin, 26. März 2019, (532) 251 Js 52/16 Ks (9/18).
  17. BGH, Urteil vom 18. Juni 2020 – 4 StR 482/19 –, BGHSt 65, 42.