Oxana Yablonskaya

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Oxana Yablonskaya (russisch Оксана Михайловна Яблонская, * 6. Dezember 1938 in Moskau, Sowjetunion) ist eine US-amerikanisch-israelische Pianistin und Klavierpädagogin russischer Abstammung.

Ausbildung

Yablonskaya wuchs in einer jüdischen Familie in Moskau auf. Ihre Musikalität zeigte sich früh und sie wurde wie ihre ältere Schwester zuvor mit sechs Jahren in die Zentrale Musikschule Moskau eingeschult. Klavierunterricht erhielt sie dort bis zum Ende der Gymnasialzeit von Anaida Sumbatjan. Anschließend nahm sie 16-jährig das Studium am Moskauer Konservatorium in der Klavier-Klasse von Alexander Goldenweiser auf. Nach dessen Tod wechselte Yablonskaya in die Klasse von Dmitri Baschkirow und legte die Abschlussprüfung 1961 ab.[1] Das Graduiertenstudium absolvierte sie bei Tatjana Nikolajewa,[2] als deren Assistentin sie am Moskauer Konservatorium und an der Zentralen Musikschule unterrichtete. Während dieser Zeit wurde ihr Sohn Dimitry Yablonsky geboren. Im darauffolgenden Jahr nahm sie erfolgreich am Long-Thibaud-Wettbewerb in Paris teil und wurde dort mit dem zweiten Preis ausgezeichnet.

Karriere

Sowjetunion

Yablonskaya wurde 1965 Mitglied des Lehrkörpers der Klavierabteilung des Moskauer Konservatoriums und nahm im selben Jahr am IV internationalen Klavierwettbewerb in Rio de Janeiro teil. Sie errang dort zusammen mit Alexei Ljubimow den ersten Platz. Zeitgleich begann sie unter dem Dirigat der sowjetischen Agentur Moskonzert als Solistin der Moskauer Philharmonischen Gesellschaft zu konzertieren. In den Folgejahren trat sie häufig in Moskau auf, Tournee führten sie durch ihr Heimatland, nach Polen, in die Deutsche Demokratische Republik, nach Bulgarien und Jugoslawien.[3] Im Jahr 1969 nahm Yablonskaya nach einer Vorbereitungszeit bei Boris Berlin beim Internationalen Beethoven Klavierwettbewerb in Wien teil und wurde Zweitplatzierte hinter Mitsuko Uchida.

Die durch staatliche Restriktionen immer unzufriedener werdende Pianistin stellte im Jahr 1975 für sich und ihren Sohn einen Ausreiseantrag aus der Sowjetunion. Sie litt darunter Auslandseinladungen, die auf ihre erfolgreichen Klavierwettbewerbe folgten, nicht wahrnehmen zu können und unter der Regulierung von Platteneinspielungen.[3] Als Folge wurde Yablonskaya von ihrer Lehrtätigkeit am Moskauer Konservatorium entbunden und ihr wurden öffentliche Auftrittsmöglichkeiten als Pianistin verwehrt. Zwei Jahre wartete sie in Moskau auf die Stattgabe ihres Gesuchs. Von regulären Verdienstmöglichkeiten für ihren Lebensunterhalt abgeschnitten, ebneten ihr Bekannte Wege für private Klavierabende.[4] Im Jahr 1977 erhielt sie die Erlaubnis die Sowjetunion zu verlassen. Leonard Bernstein wandte sich zuvor mit anderen Kulturschaffenden auf Initiative von Yablonskayas Schwester, die bereits 1975 in die Vereinigten Staaten emigriert war und als Geigerin an der New York City Opera arbeitete,[5] mit einer diesbezüglichen Petition an Nikolai Podgorny.[6]

International

Yablonskaya übersiedelte im Juni 1977 in die Vereinigten Staaten und debütierte dort im Oktober mit dem El Paso Symphony Orchestra. Zwei Wochen später gab sie am Lincoln Center in New York City in der Alice Tully Hall ein Solorekital. Der Musikkritiker Milton Schafer war bereits nach den ersten Takten beeindruckt und erkannte, dass es „ein Nachmittag außergewöhnlichen Pianismus werden würde“.[7] Sie debütierte im Oktober 1978 in der Carnegie Hall und im Jahr 1979 sorgte ein programmatisch Chopin, Gluck, Beethoven und Prokofjew gewidmetes Konzert in der 92nd Street Y für Furor.[8] Raymond Ericson bescheinigte Yablonskayas Aufführung in der New York Times „großes Temperament und einen hohen Grad an Intensität“.[9] Bill Zarariasen beschrieb den Konzertabend als „durchwegs hervorragend“, Yablonskayas „Musik gehe ungehindert und direkt in Herz und Seele“.[10] Im November folgte ein kammermusikalischer Auftritt mit dem Violisten Alfred Markow, ihrem Schwager,[11] im Metropolitan Museum of Art und anschließend eine ausgedehnte Tournee mit der Konzertreihe New Americans: From Russia with Love durch das Land.[9] Ein Carnegie Hall-Konzert Yablonskyas im März 1980 mit einem Brahms, Beethoven, Schubert und Liszt Programm wurde aufgrund des im Vorjahr hinterlassenen Eindrucks mit der Zuschreibung „Geniale russische Emigrantin Oxana Yablonskaya“ und „Jubelt ihr zu“ angekündigt.[12][13]

Die Pianistin etablierte sich in den Folgejahren auf den Konzertbühnen der Welt und trat im Laufe ihrer Karriere in über 40 Ländern auf und konzertierte mit bedeutenden Orchestern.

In den ersten fünf Jahren nach ihrer Ausreise aus der Sowjetunion lebte Yablonskaya abwechselnd in Deutschland und den Vereinigten Staaten,[14] 1983 verlegt sie ihren Lebensmittelpunkt gänzlich in die USA und unterrichtete zusätzlich zu ihrer Konzerttätigkeit an der Juilliard School.[15] Sie etablierte sich als angesehene Klavierpädagogin und unterrichtet unter anderem Ching-Yun Hu. Im Jahr 2008 schied sie am Juilliard aus und gründete im italienischen Castelnuovo di Garfagnana die zwei Jahre bestehende Klavierschule Oxana Yablonskaya Piano Institute, an der unter anderem Dora Deliyska ihr Graduiertenstudium absolvierte.

Yablonskaya nimmt regelmäßig an Festivals teil, so an dem von ihrem Sohn Dimitry Yablonsky im Jahr 2009 mitgegründeten Gabala International Music Festival in Aserbaidschan.[16] Daneben gibt sie Meisterkurse und ist als Jurorin bei Klavierwettbewerben tätig.[17] Sie ist Mitbegründerin des seit 1982 ausgetragenen, jährlich im August stattfindenden Puigcerdà Musica Clasica International Festival in Spanien.[18] Seit 2016 unterrichtet sie an der Jerusalem Academy of Music and Dance,[19] nachdem sie 2014 die israelische Staatsbürgerschaft angenommen hat.[20]

Yablonskaya ist seit 2004 Yamaha Artist.[21][22]

Aufnahmen

Yablonskaya hat eine umfängliche Diskografie vorgelegt und für die Musiklabels Melodija, Connoisseur Society, Naxos, Bel Air, Pro Piano, Discover International und Classical Records aufgenommen.

Die frühen Einspielungen für die sowjetische Melodija werden von Liebhabern bis in die Gegenwart geschätzt. David Fanning bezeichnete 2020 in der britischen Musikzeitschrift Gramophone Yablonskayas 1968er Aufnahme der Klaviersonate Nr. 6 in d-Moll op. 73 von Mieczysław Weinberg als „allerfeinst“ und seinen „persönlichen Favoriten“.[23]

Ihre Aufnahme von Liszts Spanischer Rhapsodie, den Paganini Etüden La Chasse und Thema und Variationen sowie der fünf Liszt-Schubert-Lieder 1979 für das US-amerikanische Label Connoisseur Society erhielt die Auszeichnung Grand Prix International du Disque der Liszt Gesellschaft in Budapest. In dieser Aufnahme verorten Ingo Harden und Gregor Willmes die typischen Qualitäten der Pianistin – im „kraftvollen, gradlinigen, immer durchsichtigen Klavierspiel“, dem „hochentwickelten Sinn für Temporelationen“ und „großen dynamischen Möglichkeiten“. Tim Parry schreibt für Gramophone anlässlich der 14 Liszt-Schubert Transkripte, erschienen 1997 bei Naxos, „vom glänzenden Gelingen vieler Lieder“. Yablonskaya habe „ein feines Gespür für pianistische Textur, für die Differenzierung von begleitenden und melodischen Strängen“. Ihre Interpretation sei „zutiefst nachdenklich und ernst, ihre Herangehensweise berührend sensibel.“[24]

In der New Yorker Daily News wurde die Rachmaninow-Einspielung aus dem Jahr 1993 als Album der Woche geehrt. Terry Teachout wertet, Yablonskaya sei eine „starke, ernsthafte Spielerin, die Rachmaninow wie den großen Komponisten klingen lässt, der er ist (Nehmt das hin, Snobs!)“.[25] Gramophone schreibt die Aufnahme einer „eindeutig formidablen Pianistin“ zu, die eine „reichhaltige Auswahl Rachmaninows Musik“ biete und „uns mit meisterhafter Leichtigkeit durch feurige Verwicklungen, verschleierte Melancholie und jubelnde Triumphe“ leite.[26]

Jed Distler erinnert sich anlässlich einer Besprechung rückblickend an „den großen, warmen, üppigen Ton, den Yablonskaya im Konzertsaal produziert.“ Ihre Prokofjew Visions Fugitives von 2006 seien „so geschmeidig, transparent und witzig geformt, wie man es sich nur wünschen kann“, gleichzeitig verstehe und projiziere „die Pianistin das sardonisch galoppierende Wesen und die lyrische Zurückhaltung der dritten Sonate voll und ganz“.[27]

Wettbewerbsleistungen und Auszeichnungen

  • 1963: Zweiter Platz beim Long-Thibaud-Wettbewerb in Paris[28]
  • 1965: Erster Platz dem IV Internationalen Klavierwettbewerb in Rio de Janeiro zusammen mit Alexei Ljubimow[29]
  • 1969: Zweiter Platz beim Internationalen Beethoven Klavierwettbewerb Wien[30]
  • 1981: Grand Prix International du Disque Liszt der Franz Liszt Gesellschaft in Budapest für die Aufnahme Liszt/Liszt-Schubert Transkriptionen[31]

Tonträger (Auswahl)

Werke

Noteneditionen für Klavier für die International Music Company

  • Tschaikowsky, Pjotr Iljitsch: Slawischer March op. 31
  • Gluck, Christoph Willibald: Melodie (Orpheus + Euridice)
  • Liadow, Anatole: 14 pieces
  • Tschaikowsky, Pjotr Iljitsch: Grand Sonata op. 37
  • Glinka, Mikhail Iwanowic: Sonata d-Moll
  • Tschaikowsky, Pjotr Iljitsch: 3 Lieder op. 16
  • Tschaikowsky, Pjotr Iljitsch: Jugendalbum op. 39
  • Cimarosa, Domenico: 16 Sonaten
  • Balakirew, Milij: Sonata b-Moll op. 102[34]

Quelle International Music Company:[35]

Autobiografie

Literatur

  • Ingo Harden, Gregor Willmes: Pianisten Profile. 600 Interpreten: ihre Biografie, ihr Stil, ihre Aufnahmen. Bärenreiter 2008, ISBN 978-3-761-81616-5, Seiten 783 bis 784.
  • David Dubal: The Art of the Piano: Its Performers, Literature, and Recordings. 3. Auflage, Amadeus Press 2004, ISBN 978-1-5746-7088-2 (englisch), Seite 377.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. История – студенты (Historie – Studierende). Moskauer Konservatorium, abgerufen am 14. Februar 2021 (russisch).
  2. Николаева (Тарасевич) Татьяна Петровна. Moskauer Konservatorium, abgerufen am 14. Februar 2021 (russisch).
  3. a b Artist in Exile. Daily Record, Morristown, New Jersey, 26. September 1978, Seite 21 (englisch)
  4. Bari Brenner: Contemporary biography, Women. Part I, Women in the news. Pianist goes from somebody to nobody to somebody. 1. Auflage. American Newspaper Service, Newport Beach, Kalifornien 1981, S. 393 ff.
  5. Donal Henahan: Oksana Yablonskaya´s Saga. The New York Times, 16. Oktober 1979, Seite 43 (englisch)
  6. Petiton. Jurij Borissowitsch Borew Akademie für Ästhetik und Geisteswissenschaften, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  7. Milton Schafer: The Music Journal, Band 36-37. Hampton International Communications, New York City 1978, Seiten 46–47 (englisch) „[…] immediately apparent that it was going to be a afternoon of extraordinary pianism.“
  8. Ginny Potter: Artist in Exile. Daily Record, Morristown, 26. September 1978, Seite 21 (englisch)
  9. a b Raymond Ericson: Piano: Miss Yablonskaya. The New York Times, 18. Oktober 1979, Seite 76 (englisch) „[…] large temperament and a high degree of intensity.“
  10. Bill Zarariasen: Notes from the heart and mind. The Daily News, 18. Oktober 1979, Seite 464 (englisch) „[…] thoroughly outstanding […] the music she makes goes right straight to the heart and mind without interferences.“
  11. Alfred Markov. The Daily News, 12. November 1979, Seite 412 (englisch)
  12. Russian Emigre Keyboard Genius Oxana Yablonskaya. The Daily News, 7. März 1980 Seite 236 (englisch)
  13. Cheer her on. The Daily News, 4. März 1980 Seite 236 (englisch)
  14. Theodore W. Libbey Jr.: Soviet Pianist Finds a Home in U.S. The New York Times, 30. April 1982, Seite 57 (englisch)
  15. Benjamin Saver: The Most Wanted Piano Teachers in the USA: Vol 1, Band 1. Xin Hua Ma Publishing, Los Angeles 1993, Seiten 46–47 (englisch)
  16. Getting to know: Dimitry Yablonsky. Visions of Azerbajian, März 2010, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  17. Oxana Yablonskay. iClassical Academy, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  18. Professor Oxana Yablonskaya - Piano. Puigcerdà Musica Clasica International Festival, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  19. Faculty Members. Jerusalem Academy of Music and Dance, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  20. Avigayil Kadesh: Renowned pianist Oxana Yablonskaya moves to Israel. Israel Ministry of Foreign Affairs, 29. April 2015, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  21. Oxana Yablonskaya Becomes Yamaha Artist. Yamaha Corporation, 9. September 2004, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  22. Classical Pianist Oxana Yablonskaya. Yamaha Corporation, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch).
  23. David Fanning: Mieczysław Weinberg: a complete guide to the composer's life and music. Gramophone, 23. Januar 2020, abgerufen am 13. Februar 2021 (englisch): „ For the very finest in piano recordings, […] the Sixth Piano Sonata (my personal favourite) by Oxana Yablonskaya and/or Marina Mdivani.“
  24. Tim Parry: Liszt Piano Works, Vol. 5. Gramophone, Juni 1998, abgerufen am 14. Februar 2021 (englisch, Seite 65): „ many of the songs succeed brilliantly. Yablonskaya's responses are deeply thoughtful and serious, her approach touchingly sensitive.“
  25. Terry Teachout: Album of the week: Oxana Yablonskaya Plays Rachmaninoff daily News, 6. Dezember 1993, Seite 488 (englisch) „&Yablonskaya, […], is a strong, serious player who makes Rachmaninoff sound like the major composer he is (take that, snobs!).“
  26. BM: Rachmaninov Piano Works. Oxana Yablonskaya. Gramophone, Juni 1994, Seite 97 (englisch) „ offers a richly comprehensive selection of Rachmaninov 's music, taking us through fiery intricacy, veiled melancholy and exultant triumph a like with masterly ease. […] clearly, a formidable pianist.“
  27. Jed Distler: Mussorgsky/Prokofiev: Pictures-Visions Fugitives; Piano Sonata No. 3. Classics Today, abgerufen am 14. Februar 2021 (englisch): „ the big, warm, luscious tone Yablonskaya produces in the concert hall. […] The ten Visions Fugitives are as lithe, transparent, and wittily shaped as we could wish, while the pianist thoroughly understands and projects the Third sonata’s sardonic, galloping demeanor and lyric reserve.“
  28. Prizewinner Archive. Long-Thibaud-Crespin-Wettbewerb, abgerufen am 10. Februar 2021 (englisch).
  29. Linha do Tempo. Instituto Piano Brasileiro, abgerufen am 10. Februar 2021 (portugiesisch).
  30. Internationale Beethoven Klavierwettbewerb Wien. Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, abgerufen am 10. Februar 2021.
  31. Aimez-vous Liszt?. Fono Forum, Ausgabe 11/1981, Seite 44.
  32. Yablonskaya Plays Rachmaninoff. ArkivMusic, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
  33. Franz Liszt: Schubert Song Transcriptions. AllMusic, abgerufen am 12. Februar 2021 (englisch).
  34. Andreas Elsner: Mischstilartige, enthusiastische Klangwelten, Russische Klavierlegenden in neuen Ausgaben. Neue Musikzeitung, September 2006, abgerufen am 13. Februar 2021.
  35. Editors. International Music Company, abgerufen am 13. Mai 2022 (englisch).