HGe 4/4 II

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HGe 4/4 II
FO HGE 4/4 105
Nummerierung SBB/zb 101 961–968 SBB/FO 1951–1952,
FO 101–103, 106–108
BVZ 1–5
Anzahl 8 13
Hersteller BBC, ABB
SLM Winterthur
Indienststellung 1986, 1989–1990
Achsformel Bo’Bo’
Dienstmasse 63 t 64 t
Achslast 16 t
Länge über Puffer 14'800 mm 14'776 mm
Spurweite 1000 mm
Höchstgeschwindigkeit Adhäsion 100 km/h
Höchstgeschwindigkeit Zahnrad 40 km/h
Stromsystem 15 kV, 16,7 Hz 11 kV, 16,7 Hz
Anzahl der Motoren 4
Antrieb Gelenkwelle
Antrieb Zahnrad Differentialantrieb
Zahnradsystem Riggenbach Abt zweilamellig
Stundenleistung 1932 kW
Leistungskennziffer 23,24 kW/t
Dauerleistung 1875 kW
Anfahrzugkraft 230 kN (Adhäsion), 280 kN (Zahnrad)
Anzahl Bremssysteme 4
Bremsen Rekuperation, Klotz, Federspeicher, Bandbremse
Anhängelast 170 t (120 ‰) 130 t (125 ‰)

Die HGe 4/4 II ist eine schmalspurige gemischte Zahnrad- und Adhäsionslokomotive. Eine erste Serie von fünf Lokomotiven wurde gemeinsam von der Furka-Oberalp-Bahn (FO) sowie von den SBB für die Brüniglinie, die heute zur Zentralbahn (zb) gehört, beschafft. Da sich dieser Lokomotivtyp bewährte, wurden weitere elf Lokomotiven bestellt und schliesslich gab auch noch die Brig-Visp-Zermatt-Bahn (BVZ) fünf Loks in Auftrag.[Anmerkung 1]

Die HGe 4/4 II bespannt vor allem schwere Personenzüge, zum Teil im Pendelzugbetrieb. Bei der Zentralbahn bespannte sie bis 2012 alle Schnellzüge von Meiringen nach Luzern, bei der Matterhorn-Gotthard-Bahn die Züge des Glacier-Express. Weiter führen die Loks Pendelzüge BrigVispZermatt und seit der Eröffnung des Tunnels nach Engelberg Pendelzüge Luzern–Engelberg. Ausserdem werden seit 2015 Autopendelzüge durch den Furkatunnel geführt. Schliesslich gehören neben weiteren Personenzügen auch diverse Güterzüge Visp–Zermatt sowie bis 2013 Disentis–Sedrun (NEAT-Baustelle) zum Aufgabengebiet.

Prototypen (5 Stück)

Da schon bei der Bestellung klar war, dass die beiden SBB-Maschinen bei Lieferung der Serienmaschinen zur FO wechseln würden, die drei Lokomotiven direkt erhielt, wurden die Loks soweit möglich nach den Erfordernissen der FO gebaut. Beim Wechsel zur FO wurden der Transformator und die beiden Drehgestelle gewechselt und bei den letzten beiden Serienmaschinen eingebaut. Bei der FO ist die Lokomotive durch die andere Kupplungsaufnahme, die einen einfachen Wechsel zwischen verschiedenen Kupplungstypen erlaubt, etwas kürzer. Die fünf Prototypen wurden nachträglich an die Serienausführung der BVZ/FO angepasst, sodass alle Hauptkomponenten und die Bedienung identisch sind und ein freizügiger Einsatz bei der heutigen MGB möglich ist.

Mechanischer Teil

Der Lokomotivkasten ist ein Stahlblechkasten mit gesickten Seitenwänden. Die asymmetrische Frontscheibe aus beheizbarem Verbundglas verbessert die Sicht für den Lokomotivführer. Die drei Dachelemente sind aus Aluminium. Die Pufferkräfte werden über Verstrebungen auf den ganzen Kasten übertragen, weshalb auf seitliche Maschinenraumöffnungen verzichtet werden musste. Der gesamte Kasten hat ein Gesamtgewicht von nur 5,9 Tonnen. Er kann ohne bleibende Deformation eine zentrale Druckkraft von 1000 kN aufnehmen.

Drehgestell der HGe 4/4II 104 von unten. Links vom Triebzahnrad der Getriebekasten, rechts die Bandbremsen

Die Drehgestelle sind als geschweisste Hohlträgerkonstruktion mit zwei Längsträgern und einem kräftigen mittleren Querträger sowie zwei Kopftraversen ausgeführt. Sie haben einen Achsstand von 2980 mm, und die Flexicoilfedern stützen den Kasten auf die seitlich an die Längsträger angeschweissten Federwannen. Die Zug- und Druckkräfte werden durch seitlich angeordnete Stangen mit Sphärolastiklagern übertragen. Wegen des kurzen Achsstands sind die Fahrmotoren oberhalb des Drehgestellrahmens angebracht.

Für den Antrieb wurde erstmals der Differentialantrieb eingebaut, der es ermöglicht, im Zahnstangenbetrieb auch einen Anteil der Zugkraft über den Adhäsionsantrieb aufzubringen. Dies setzt wiederum eine Schlupfbegrenzung im Differentialgetriebe voraus, um ein Schleudern oder Gleiten der Räder zu verhindern. Da die zweilamellige Abtzahnstange (System Abt) der FO nicht die gesamte Zugkraft aufnehmen kann, ist die Mithilfe des Adhäsionsantriebs notwendig; dieser übernimmt einen Drittel der Zugkraft. Hätte sich der Antrieb nicht bewährt, wäre es zumindest bei den Maschinen der Brünigbahn mit Riggenbachzahnstange möglich gewesen, ihn in einen abkuppelbaren Adhäsionsantrieb umzubauen. Dies war aber nicht notwendig, da das Differentialgetriebe zur vollen Zufriedenheit funktionierte.

Elektrischer Teil

Die Lokomotiven bauen auf der Stromrichtertechnik mit Phasenanschnittsteuerung auf, wie sie auch bei der Re 4/4 IV und dem RBDe 4/4 der SBB zur Anwendung kam. Die Loks sind mit einer Rekuperationsbremse ausgerüstet, die in den wesentlichen Merkmalen vom NPZ übernommen wurde. Die Hilfsbetriebe werden von einem statischen Hilfsbetriebe-Umrichter mit 120 kVA Ausgangsleistung über ein Drehstromnetz versorgt. Die Lokomotive hat eine Parkstellung zum Remisieren.

Von 2018 bis 2022 modernisiert das Industriewerk Bellinzona neun der dreizehn HGe 4/4 II der MGB für 35,4 Millionen Franken. Die Phasenanschnittsteuerung wird dabei durch einen Drehstromantrieb mit modernen IGBT-Umrichtern und Asynchronmotoren ersetzt. Zudem erhalten die Maschinen eine neue Leittechnik, eine neue Zugsicherung, Brandmeldeanlagen, Anpassungen im Führerstand und eine Kasten­sanierung.[1] Die MGB trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich im Verlaufe der Einsatzzeit der HGe 4/4 II die elektrischen Komponenten stärker verbilligt haben als die mechanischen.[2] Die Modernisierung stellt den Einsatz der Lokomotiven für weitere 25 Jahre sicher.[1]

Pneumatischer Teil

Hier unterscheiden sich die verschiedenen Maschinen am meisten, da die Brünigbahn eine (vom Standard abweichenden) Druckluftbremse mit einem Hauptluftleitungsdruck von vier Bar verwendet, die MGB jedoch eine mit fünf Bar Hauptluftleitungsdruck sowie eine Vakuumbremse. Die Luftsteuerung konnte trotzdem mit den Standardelementen auf zwei Pneumatiktafeln installiert werden. Hingegen ist die Luftbereitstellung unterschiedlich und teilweise für das Mehrgewicht der MGB-Fahrzeuge verantwortlich.

Bremssysteme

Mit der elektrischen Rekuperationsbremse ist eine gleichmässige Beharrungsbremsung bei der Talfahrt möglich. Sie funktioniert allerdings nur bei anliegender Fahrdrahtspannung

Daneben ist eine übliche selbsttätige Druckluftbremse eingebaut, welche auch als Bremssystem I bezeichnet und im Regelbetrieb zum Halten des Zuges verwendet wird. Die mechanische Adhäsionsbremse der Lokomotive ist eine auf alle Radsätze wirkende Klotzbremse.

Weiterhin ist noch das Bremssystem II installiert, welches für Zahnradbahnen vorgeschrieben ist und es ermöglichen soll, den Zug nur mit Hilfe der Lokomotive im Zahnstangenabschnitt zum Halten zu bringen, wenn das erste Bremssystem ausfallen sollte. Dieses ist als federspeichergestützte Bandbremse ausgelegt und wirkt direkt auf die Triebzahnräder. Die beim Wirksamwerden dieser Bremse auftretenden Kräfte begrenzen die zulässige Zugmasse insbesondere bei Talfahrten.

Schliesslich ist eine direkt wirkende Rangierbremse vorhanden, die sich der Bremsklötze des Bremssystems I bedient.

Die Feststellbremse ist eine Federspeicherbremse.

Serienausführung (16 Stück)

Die Serienmaschinen der Brünigbahn unterscheiden sich optisch vor allem durch den schwarzen Rahmen um die Frontfenster (auch «Brille» genannt) und den seitlich weggelassenen Kasteneinzug (gerade Unterkante) von den Prototypen. Die restlichen Änderungen sind nur bei genauer Betrachtung ersichtlich. So wurden ein zusätzlicher Aufstiegstritt und eine horizontale Haltestange an der Türe angebracht. Elektrisch unterscheiden sie sich von den Prototypen nur in kleinen Veränderungen wie anders angeordneter Vielfachsteuerung usw., das Gesamtkonzept konnte beibehalten werden. Ebenso wurde eine Umschaltung der Vielfachsteuerung bei den SBB-Maschinen eingerichtet, damit von der Schneeschleuder Xrotm 51 eine Fernsteuerung möglich ist.

Da sich dieser Lokomotivtyp bewährte, bestellten auch die BVZ fünf und die FO nochmals drei fast baugleiche Maschinen. Sie entsprechen weitgehend den Serienmaschinen der SBB, unterscheiden sich aber im Brems- und Zahnradsystem sowie der Primärspannung des Transformators. Damit besitzt die nun fusionierte Matterhorn-Gotthard-Bahn insgesamt 13 HGe 4/4 II.

Die FO-Lokomotiven besitzen eine Vielfachsteuerung, die mit den Ge 4/4 III kompatibel ist, damit sie auch im Autozugverkehr durch den Furkabasistunnel eingesetzt werden können. Hingegen wurden die BVZ-Loks so eingerichtet, dass sie im Personenverkehr mit früher beschafften Steuerwagen eingesetzt werden können. Die Steckdosen für die Vielfachsteuerung der FO- und der BVZ-Ausführung sind verschieden.

Namensgebung

BVZ 1 Matterhorn
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zb 101 968 in Interlaken Ost
Datei:Mh bruenigbahn meiringen.jpeg
SBB 101 966-0
(jetzt zb gleiche Nummer)
Gesellschaft Nummer Inbetrieb-
nahme
Fabriknummer Name Bemerkungen
SBB 1951 1985 SLM 5282 (ohne) Prototyp, an FO *)
SBB 1952 1985 SLM 5283 (ohne) Prototyp, an FO *)
SBB / zb 101 961-1 1989 SLM 5395 Horw
SBB / zb 101 962-9 1989 SLM 5396 Hergiswil
SBB / zb 101 963-7 1989 SLM 5397 Alpnach
SBB / zb 101 964-5 1990 SLM 5398 Sachseln
SBB / zb 101 965-2 1990 SLM 5399 Lungern
SBB / zb 101 966-0 1990 SLM 5400 Brünig-Hasliberg
SBB / zb 101 967-8 1990 SLM 5401 Brienz *) Unterschriftenlok
SBB / zb 101 968-6 1990 SLM 5402 Ringgenberg *)
FO / MGB 101 1986 SLM 5284 Ville de Sion / Sitten Prototyp
FO / MGB 102 1986 SLM 5285 Altdorf Prototyp
FO / MGB 103 1986 SLM 5292 Chur / Marcau da Cuera Prototyp
FO / MGB 104 1985/90 SLM 5282 Furka ehm. SBB 1951 *)
FO / MGB 105 1985/90 SLM 5283 Oberalp / Alp Su ehm. SBB 1952 *)
FO / MGB 106 1990 SLM 5392 St. Gotthard / S. Gottardo
FO / MGB 107 1990 SLM 5393 Grimsel
FO / MGB 108 1990 SLM 5394 Channel Tunnel ex Nufenen / Novena
BVZ / MGB 1 1990 SLM 5419 Matterhorn
BVZ / MGB 2 1990 SLM 5420 Monte Rosa
BVZ / MGB 3 1990 SLM 5421 Dom
BVZ / MGB 4 1990 SLM 5422 Täschhorn
BVZ / MGB 5 1990 SLM 5423 Mount Fuji ex Dent Blanche

*) Die Kästen der Lokomotiven 1951 und 1952 wurden mit neuen Drehgestellen (System Abt) und Transformatoren (11 kV) zu FO 104 und 105, die Prototypdrehgestelle (System Riggenbach) und Transformatoren (15 kV) wurden bei den letzten beiden Serienloks der Brünigbahn eingebaut. Die Lokomotive 105 wurde bei dem Unfall im Stephan-Holzer-Tunnel bei Oberwald am 3. Juli 2020 schwer beschädigt.

Literatur

  • Martin Gerber, Othmar Wilhelm, Walter Hürlimann, Peter Maurer: Neue Lokomotiven HGe 4/4" für die Brüniglinie der SBB und für die Furka-Oberalp-Bahn. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 6/1985. Minirex, ISSN 1022-7113, S. 183–195.
  • Dirk v. Harlem: HGe 4/4 II - neue universelle Zahnstangen- und Adhäsions-Ellok der FO und der SBB. In: Lok Magazin. Nr. 142. Franckh’sche Verlagshandlung, W. Keller & Co., 1987, ISSN 0458-1822, S. 47–49.
  • Werner Hubacher, Othmar Wilhelm: Die Serienausführung der Brünigbahn-Lokomotiven HGe 4/4 101 961–968. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 10/1989, S. 231–239.
  • Hans Tribolet: Die neuen Mehrzweck-Lokomotiven HGe 4/4 II 1–5 der Brig-Visp-Zermatt-Bahn. in: Schweizer Eisenbahn-Revue Nr. 10/1990, S. 263–274.
  • Wolfgang Finke, Hans Schweers: Die Fahrzeuge der Furka-Oberalp-Bahn 1913–1999. Brig-Furka-Disentis. Schöllenenbahn. Furka-Oberalp-Bahn. Schweers + Wall, Aachen 1999, ISBN 978-3-89494-111-6.

Weblinks

Commons: SLM HGe 4/4 II – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Mathias Rellstab: SBB revidieren MGB-Lokomotiven. In: Schweizer Eisenbahn-Revue. Nr. 11/2018. Minirex, ISSN 1022-7113, S. 561
  2. Walter von Andrian: Generationensprung beim Brünigbahn-Rollmaterial. In: Schweizer Eisenbahn-Revue, Nr. 6/2009, S. 320–321.

Anmerkungen

  1. Per 1. Januar 2003 fusionierten FO und BVZ zur Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB).