Zahiriten

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Die Zahiriten (arabisch ظاهرية 

Ẓāhiriyya

, DMG

Ẓāhirīya

, im Deutschen auch Zahirija) ist eine mittlerweile nicht mehr praktizierte Rechtsschule des Islam (Madhhab), die auf den Gelehrten Da'ud ibn Chalaf zurückgeht, welcher im 9. Jahrhundert im Irak lebte. Ihr Gedankengut ähnelt dem der Gruppierungen, die heutzutage u. a. als Wahhabismus oder Salafismus bekannt sind und sich durch eine besondere Strenge auszeichnen.

Grundlagen der Zahiriten

Der Name dieser Madhhab leitet sich vom arabischen Begriff

zahir

/ ظاهر /

ẓāhir

ab, was „sichtbar“, „offensichtlich“ oder „klar“ bedeutet.

Die zentrale Lehre der Zahiriten bestand darin, dass sie ihre Rechtsgutachten (Fatwa) aus einem wörtlichen Verständnis von Koran und Sunna ableitete, da sie die Auffassung vertrat, man könne diese Quellen nur durch wörtliche Auslegung verstehen. Die Methode der wörtlichen Ableitung aus Koran und Sunna mache dieses System der Rechtsprechung (Fiqh) sehr einfach. Folglich unterschied sie sich dadurch jedoch auch stark von den meisten anderen Rechtsschulen, da sie die Methoden der Analogie (Qiyas) und der freien Argumentation (Ra'y) strikt ablehnte und Konsens (Idschmāʿ) nur in wenigen Fällen als zulässig duldete. Des Weiteren lehnte diese Madhhab ein anthropomorphisches bzw. verweltlichtes Gottesbild strikt ab, da Gott nur durch seine Eigenschaften begriffen werden könne.

Begründung für ihr Verständnis von Koran und Sunnah

Die Zahiriten begründeten ihr Verständnis mit der Sura 16, Verse 102–104:

102Sprich: Offenbart hat ihn der Heilige Geist [Gabriel] von deinem Herrn mit der Wahrheit, um diejenigen, die glauben, zu festigen, und als Rechtleitung und frohe Botschaft für die [Gott-]Ergebenen [die Muslime]. 103Und Wir wissen sehr wohl, dass sie sagen: ‚Es lehrt ihn nur ein menschliches Wesen.‘ Die Sprache dessen, auf den sie hinweisen, ist eine fremde, während dies hier deutliche arabische Sprache ist. 104Diejenigen, die nicht an Gottes Zeichen glauben, leitet Gott nicht recht, und für sie wird es schmerzhafte Strafe geben.

Durch den letzten Abschnitt von Vers 103 legitimierten sie ihre fundamentalistische und wörtliche Auslegung als einzig legitime Grundlage des Islam.

Verbreitung

Die zahiristische Rechtsschule von Da'ud ibn Chalaf entstand im 9. Jahrhundert im Irak. Da in dieser Zeit die Umma (die Gesamtheit der Muslime) durch viele Meinungsverschiedenheiten in den Rechtswissenschaften (Fiqh) gespalten war, bekam das Zahiritentum aufgrund ihrer Einfachheit und ihrer fundamentalistischen Exegese der Quellen schnell Zulauf und verbreitete sich bald bis ins entfernte, damals muslimisch bevölkerte Spanien, wo diese Schule durch den Zahiriten Ibn Hazm verbreitet und später im 12. Jahrhundert für fünfzehn Jahre unter Sultan Yaʿqūb al-Mansūr zu einem festen Rechtssystem wurde.

Das Ende der Zahiriten

Innerhalb des Islam blieb der Zahirismus bis zum 14. Jahrhundert vereinzelt immer wieder Orientierungspunkt in Zeiten gespaltener Meinungen, denn durch seine „Reinheit von Interpretationen“ gab er in diesen Zeiten den besten Halt. Ihr grundlegendes Gedankengut findet sich in Gruppierungen (wie die Salafiten bzw. Wahhabiten) wieder, welche die Grundlage der Lehren islamistischer Organisationen bilden.

Die Ideale und die offenbare „Reinheit“ der zahiritischen Lehre beeinflussten das Gedankengut und die Geschichte der Muslime noch bis heute durch Gruppierungen, welche ihrem Gedankengut zugeneigt sind und überproportionalen Einfluss in der islamischen Welt haben (z. B. Salafiten).

In den Schriften von Sha'rani sind einige der Verordnungen erhalten geblieben, die nach zahiristischem Rechtssystem getroffen wurden. Diese Verordnungen sind sehr detailliert und meistens relativ starr. Nur in wenigen Fällen lassen sie sich flexibel anwenden, was ein offensichtliches Problem des zahiristischen Systems ist.

Literatur

  • Ignaz Goldziher: Die Zahiriten: Ihr Lehrsystem und ihre Geschichte. Beitrag zur Geschichte der Muhammedanischen Theologie. Verlag Otto Schulze, Leipzig 1884.

Weblinks