Zugfunk
Als Zugfunk wird die drahtlose Kommunikation per Funkwellen zwischen Fahrzeugen und ortsfesten Kommunikationspunkten bezeichnet. Während am Einsatzbeginn entsprechend dem Stand der Technik mit verschiedenen analogen Modulationsverfahren gearbeitet wurde, ist seit Beginn der 2000er Jahre eine durchgehende Digitalisierung zu verzeichnen. Seit dem Beginn der Einführung stand die Sprachkommunikation zwischen dem fahrenden Personal und der Leitstelle im Vordergrund. Bald wurden aber Elemente der Datenübertragung ergänzt, in dem kodierte Befehle übermittelt werden konnten. Für den Eisenbahnbetrieb waren gegen Ende der 2010er Jahre in Deutschland und weiteren europäischen Ländern die verschiedenen, inkompatiblen analogen Zugfunkarten durch den international genormten Standard GSM-R bereits weitgehend ersetzt.
Als digitale Funktechniken kommen bei anderen Verkehrsträgern auch Terrestrial Trunked Radio (TETRA), Wireless Local Area Network (WLAN), Worldwide Interoperability for Microwave Access (WIMAX) und Long Term Evolution (LTE) zum Einsatz. Die Funktechniken werden zunehmend nur noch als Medium für IP-basierte Übertragungen verwendet.
Die Bezeichnung Zugbahnfunk wurde im Bereich der Deutschen Bundesbahn für den analogen Sprechfunk verwendet. Bei der Deutschen Reichsbahn wurde der Begriff Zugfunk bis 1970 für einen Ansager- und Musikdienst innerhalb der Schnellzüge verwendet.[1] . Nach der Vereinigung beider deutscher Bahnen wurde der Begriff Zugfunk einheitlich verwendet.
Geschichte
Deutsche Bundesbahn
Während zu den Anfangszeiten der Eisenbahn allenfalls die festen Einrichtungen (Stellwerke, Bahnhöfe und Schrankenwärter) untereinander über Telegrafie und später Telefon verbunden waren, wurde es durch die immer schneller fahrenden Züge im Laufe der Jahre erforderlich, auch eine Kommunikation mit den fahrenden Zügen herstellen zu können. 1953 wurde bei der Eröffnung der Alsternordbahn im Norden Hamburgs der „Zugfunk“ eingeführt. Mit den auf den Triebwagen installierten UKW-Sprechfunk-Geräten holten sich die Triebfahrzeugführer die Fahrterlaubnis zur Weiterfahrt in den nächsten Streckenabschnitt.
Die Deutsche Bundesbahn begann in den 1970er Jahren damit, solche Funkstrecken einzurichten. Bereits 1969 wurden Versuche der Firma AEG-Telefunken auf der funktechnisch anspruchsvollen Strecke Stuttgart–Ulm (Geislinger Steige) durchgeführt. Die Verbindungen Lübeck–Puttgarden und Köln–Aachen waren dann im Jahr 1971 die ersten beiden Versuchsstrecken, die mit diesem System ausgerüstet wurden. Die später errichteten Funkzentralen bedienten jeweils einen größeren Streckenabschnitt von ca. 100 km.
1980 waren 8.000 Triebfahrzeuge und 13.000 Streckenkilometer ausgerüstet. Das von AEG-Telefunken und der Bundesbahn gemeinsam entwickelte System galt dabei als das größte zusammenhängende Betriebsfunknetz in Europa. Das System kam auch in Österreich, Jugoslawien und England zum Einsatz.[2]
Ende 1980 waren rund 13.500 Streckenkilometer mit ZBF in Betrieb, weitere 1.500 in Bau bzw. Planung sowie insgesamt 20.800 Streckenkilometer vermessen. Die in der Regel 20 m, in Spitzen 30 m über Schienenoberkante, stehenden Antennenanlagen hatten je nach Gelände eine Reichweite von einigen hundert Metern bis hin zu 20 km. Der durchschnittliche Abstand der ZBF-Zugfunkstationen betrug ca. 7 km. Von 9277 auszurüstenden Triebfahrzeugen waren 8.444 ausgerüstet (Vollausrüstung), weitere 697 für den Einbau vorbereitet (Grundausrüstung).[3]
Deutsche Bahn
Im Jahre 1998 wurde nach erfolgreichen Erprobungen der digitalen Funktechnik GSM-R in Deutschland beschlossen, alle analogen Funknetze des Bahnbetriebes durch diese neue Funktechnik zu ersetzen.[4] Das wurde bis zum Jahr 2010 nahezu vollständig erreicht. Die meisten alten Anlagen sind mittlerweile stillgelegt und abgebaut; allerdings wird die Technik im Bereich größerer Bahnhöfe noch für Direktverbindungen im Rangierbetrieb, Zugbereitstellung und Zugfertigmeldung eingesetzt.
Technik
Als Frequenzbereich für den Zugfunk wurden europaweit 460 MHz festgelegt. Dieser Bereich liegt im 70-Zentimeter-Band. Das besondere am Zugfunk sind die unbekannten, ständig wechselnden Standorte der Fahrzeuge. Es wird ein Dauersendebetrieb durchgeführt (Dauerträger). Ein spezielles Frequenzschema mit automatischen Frequenzwechseln sorgt dafür, dass eine konstante Übertragung möglich ist. Dabei werden im Downlink (von der Infrastruktur zum Zug) abwechselnd drei Frequenzen (als Kanalgruppe bezeichnet, Abstand jeweils 50 kHz) belegt, von denen das Zugfunkgerät immer automatisch die am besten empfangbare auswählt. Der Uplink (von Zug zur Infrastruktur) erfolgt dabei immer auf der der mittleren Downlink-Frequenz zugeordneten Uplink-Frequenz.
Sich regelmäßig wiederholende Nachrichten, beispielsweise „langsamer fahren“ oder „sofort anhalten“ wurden per Tastendruck durch kodierte Datentelegramme übertragen, entsprechende Anzeigen leuchteten daraufhin im Führerraum auf. Bei betrieblichen Unregelmäßigkeiten waren Sprachverbindungen möglich, die per Tastendruck vorher bei der Zentrale angemeldet werden mussten. Bei Notfällen war eine unmittelbare Durchschaltung möglich. Eine Vorrüstung für das automatische Anhalten von Zügen im Bereich einer Zugbahnfunk-Zentrale ist vorgerüstet.[2]
In Regionen mit hohem Frequenzbedarf (also z. B. Großstädte, in denen sich viele Eisenbahnstrecken treffen) ist es auch üblich, die Streckenbereiche mit Gleichwellenfunk zu versorgen, wodurch anstelle von drei Frequenzpaaren nur noch eins notwendig ist. Dabei wird das mittlere der drei Frequenzpaare einer Kanalgruppe verwendet. Verlässt die Strecke dann den Ballungsraum, so wird zum üblichen Betrieb mit drei abwechselnden Downlink-Frequenzen gewechselt.
Die Kanalbelegung wird zwischen den Eisenbahnverwaltungen europaweit mittels standardisierten Pilottönen geregelt. So zeigt ein Dauerton in Downlink-Richtung an, dass der Kanal frei ist. Ein Sammelrufton spricht die Lautsprecher in allen Triebfahrzeugen im Funkversorgungsbereich dieses Kanals an, sodass ein offener Sprachanruf an einen bestimmten Zug möglich ist. Durch einen Notrufton werden bestehende Gespräche unterbrochen und der Lautsprecher in allen Triebfahrzeugen angeschaltet.
Deutschland
Selektivruf
Der unspezifische offene Sprachanruf nach internationalem Standard stellte bei starkem Funkverkehr für die beteiligten Personen eine große Belastung dar und widersprach damit dem Anliegen der Erhöhung der Transportsicherheit. Aus diesem Grund wurden bei der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn Selektivrufverfahren entwickelt, um bestimmte Triebfahrzeuge gezielt ansprechen zu können. Die technischen Systeme wurden jedoch unterschiedlich realisiert. Im Gebiet der Bundesbahn erfolgte das Rufen der Teilnehmer mittels digitaler AFSK-Telegramme mit 600 bit/s, im Gebiet der Reichsbahn dagegen mit einem Tonfolge-Rufverfahren. Zugfunkanlagen neuerer Bauart mussten beide Betriebsarten beherrschen. Zusätzlich zum Selektivruf konnten in beiden Richtungen vorgefertigte Kurzmitteilungen (wie „schneller Fahren“, „Zug beobachten“, „Beim nächsten Halt melden“) übertragen werden.
Im Jahr 2005 gab es etwa 3500 ortsfeste Funkanlagen und etwa 20000 Funkanlagen in den Zügen.
Technische Daten
- 2 mal 35 Funkkanäle mit 25 kHz Kanalabstand, Kanäle durchnummeriert von 11 bis 45
- Frequenzbereich:
- Unterband (Fahrzeugsendefrequenz) 457,450 bis 458,300 MHz
- Oberband (Fahrzeugempfangsfrequenz) 467,450 bis 468,300 MHz
- Duplexabstand 10 MHz
- Modulationsart: Schmalband-FM
- Die Kanäle 14 bis 16 waren für die Binnenschifffahrt der Bundesbahn vorgesehen
Siehe auch
- Zugpostfunk (kommerzieller Telefonverkehr aus dem Zug ins Festnetz)
Literatur
- Handwörterbuch des elektrischen Fernmeldewesens
- 1. Auflage; Band 2: „Zugfunk“ Artikel von Kölsch; S. 871–874.
- 2. Auflage; Band 3: „Zugpostfunk“; S. 1966
- Elsners Taschenbuch für den fernmeldetechnischen Eisenbahndienst; Tetzlaff-Verlag, Frankfurt am Main 1963
- Leaflet UIC751-3 "Technische Vorschriften für Analog-Zugfunksysteme im internationalen Dienst"
Einzelnachweise
- ↑ https://www.radiomuseum.org/forum/zugfunk_in_der_ddr.html
- ↑ a b Die Technik des Zugbahnfunks. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Band 29, Nr. 11, 1980, ISSN 0013-2845, S. 789 f.
- ↑ Peter Hill: Kontrolle der Funkausleuchtung beim Zugbahnfunk (= Elsners Taschenbuch der Eisenbahntechnik). Tetzlaff, 1982, ISBN 3-87814-063-0, ISSN 0071-0075, S. 325–342.
- ↑ Claus Kandels, Klaus-Dieter Wittenberg: Die Einführung von GSM-R bei der DB Netz AG – GSM-R als technisches Netzzugangskriterium. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 8–9/2004, ISSN 1421-2811, S. 345–348.