Gesamtfertilitätsrate

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Fertilitätsrate nach Staaten (2018); Unter den Industriestaaten besitzen nur Frankreich und Israel eine Fertilitätsrate, unter der die Bevölkerung langfristig nicht schrumpft
  • 7–8 Kinder pro Frau
  • 6–7 Kinder pro Frau
  • 5–6 Kinder pro Frau
  • 4–5 Kinder pro Frau
  • 3–4 Kinder pro Frau
  • 2–3 Kinder pro Frau
  • 1–2 Kinder pro Frau
  • 0–1 Kinder pro Frau
  • Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffern in Deutschland nach Landkreisen und kreisfreien Städten

    Die zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer bzw. Fertilitätsrate ist ein in der Demografie verwendetes Maß, das angibt, wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich im Laufe des Lebens hätte, wenn die zu einem einheitlichen Zeitpunkt ermittelten altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern für den gesamten Zeitraum ihrer fruchtbaren Lebensphase gelten würden. Sie wird ermittelt, indem die altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern summiert und durch 1000 geteilt werden.

    Synonyme und verwandte Begriffe

    Gleichbedeutend mit zusammengefasster Fruchtbarkeitsziffer werden die Begriffe zusammengefasste Geburtenziffer, Gesamtfruchtbarkeitsrate und Fertilitätsrate (engl. total fertility rate (TFR)) verwendet.

    Manchmal werden diese Begriffe auch für die mittlere endgültige Kinderzahl oder Kohortenfertilität verwendet, die sich dadurch unterscheidet, dass die altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern summiert werden, die zu dem Zeitpunkt gegolten haben, zu dem ein bestimmter Geburtsjahrgang tatsächlich das entsprechende Alter gehabt hat. Sie ist also realitätsnäher, hat aber den Nachteil, dass sie erst ermittelt werden kann, nachdem der betreffende Jahrgang das gebärfähige Alter weitgehend verlassen hat.

    Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffern und mittlere endgültige Kinderzahlen können sich insbesondere unterschiedlich entwickeln, wenn sich das durchschnittliche Alter der Mütter verschiebt; Sondereffekte bei den zusammengefassten Fruchtbarkeitsziffern sind zum Beispiel durch wegen Krisen verschobenen und nachgeholten Geburten möglich. Allerdings werden aufgeschobene Kinderwünsche in der Praxis kaum vollständig nachträglich realisiert, schlagen also auch auf die mittlere endgültige Kinderzahl durch.

    Zusammenhang zur Nettoreproduktionsrate

    UNO-Fertilitätsratenanalyse und -prognose nach Kontinenten

    Die Fertilitätsrate, bei der die Bevölkerung konstant bliebe, bezeichnet man als das „Ersatzniveau der Fertilität“. In modernen Gesellschaften mit geringer Säuglings- und Kindersterblichkeit geht man davon aus, dass rechnerisch etwa 2,1 Kinder pro Frau geboren werden müssen, um die Bevölkerung ohne Wanderung langfristig auf einem konstanten Niveau zu halten. Diese Zahl ist nicht exakt 2, weil das Geschlechterverhältnis bei der Geburt nicht 1:1 ist, sondern auf 1.000 Geburten nur etwa 485 bis 490 Mädchen kommen, und weil auch in höher entwickelten Ländern einige Frauen sterben, bevor sie die Menarche erreicht haben. In China wäre durch das sehr ungünstige Geschlechterverhältnis von 119 Jungen zu 100 Mädchen eine Fertilitätsrate von 2,38 zum Erhalt der Bevölkerung nötig.

    Die Nettoreproduktionsrate berücksichtigt das, indem nur Töchter gezählt und die altersspezifischen Sterbeziffern eingerechnet werden, wobei Letztere allerdings ebenso wie die Fruchtbarkeitsziffern als konstant angenommen werden. Eine echte prognostische Aussage ist also in keinem Fall enthalten.

    In Ländern, in denen die Kindersterblichkeit höher ist, ist zum Ausgleich eine höhere Fertilitätsrate erforderlich, um eine stabile Bevölkerungszahl zu gewährleisten. Da in einigen Regionen die Kindersterblichkeit bis zu 50 % beträgt, ist dort eine Fertilitätsrate von etwa 4 zur dauerhaften Erhaltung der Bevölkerungszahl notwendig.

    Auch bei einer Fertilitätsrate unter 2,1 ist ein vorübergehendes Bevölkerungswachstum möglich, wenn die Sterblichkeitsrate gering ist und solang die gebärfähigen Jahrgänge stark besetzt sind. Nach einiger Zeit kommt es dann aber trotzdem zu einem Bevölkerungsrückgang, es sei denn die Zuwanderung von außen (siehe Migrationssaldo) gleicht den natürlichen Bevölkerungsverlust aus. Besonders deutliche Beispiele hierfür sind China und Thailand, aber auch in Deutschland und vielen anderen höher entwickelten Ländern war das lange Zeit der Fall oder ist derzeit so.

    Unterschiede zwischen Fertilitätsrate und Kohortenfertilitätsrate

    Obwohl Fertilitätsrate wie Kohortenfertilitätsrate ein Maß für die Reproduktion darstellen, unterscheiden sie sich deutlich.

    Die Fertilitätsrate unterliegt innerhalb weniger Jahre mitunter großen Schwankungen. Die Fertilitätsrate eines Jahres wird unmittelbar durch akute Ereignisse beeinflusst. Dazu zählen zum Beispiel Kriege, Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen. Längerfristige Änderungen bei der Kohortenfertilitätsrate basieren z. B. auf großflächiger Zunahme der Bildung insbesondere bei Mädchen und Frauen, der Erfindung, Etablierung oder Einschränkung von Verhütungsmitteln, staatlichen Maßnahmen, wie z. B. die Ein-Kind-Politik zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums in der Volksrepublik China oder staatliche Familienförderung z. B. in Deutschland.

    Die Kohortenfertilitätsrate unterliegt keinen schnellen Schwankungen, da in ihr alle Effekte zusammengefasst werden, die im Laufe von rund 30 Jahren auf die Fertilität eines Frauenjahrgangs wirken: So kann es sein, dass ein Frauenjahrgang von plötzlich auftretenden Änderungen nur in einem Teil der gebärfähigen Phase betroffen ist, der nächste Jahrgang dann aber ein Jahr länger und so fort. Auf diese Weise kann es auch zu einer Überschneidung von sich widersprechenden Effekten kommen. Beispielsweise beeinflusst das Timing (zum Beispiel Aufschieben) von Geburten unmittelbar die Fertilitätsrate, an der Kohortenfertilitätsrate ist dieses Timing aber nicht mehr erkennbar.

    Entwicklung der Kohortenfertilitätsrate in Deutschland

    Für die Kohortenfertilität liegen in Deutschland gesicherte Zahlen mindestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts vor. Für den Geburtsjahrgang 1850 betrug die Rate noch über 5. Doch schon ab dem Geburtsjahrgang 1870 setzte eine steile Abwärtsentwicklung ein. Bereits der Geburtsjahrgang 1905 erreichte nicht mehr das für den Bestandserhalt notwendige Niveau von 2,1. Dieser Zustand hielt sich bis zu den Geburtsjahrgängen 1930 bis 1940. Diese Frauenjahrgänge waren hauptsächlich verantwortlich für den Babyboom in der Zeit von 1955 bis 1965. Nach dem Geburtsjahrgang 1940 kam es zu einem weiteren Absinken auf ein Niveau von circa 1,7 bis zum Geburtsjahrgang 1960. Für die folgenden Jahrgänge können endgültige Zahlen angegeben werden, sobald die Phase der Gebärfähigkeit (bis etwa 45 Jahre) abgeschlossen ist.[1]

    Entwicklung der Fertilitätsrate in Deutschland

    Fertilitätsrate (Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer) in Deutschland 1956–2010

    Die Fertilitätsrate zeigt die gleiche Entwicklungstendenz wie die Kohortenfertilitätsrate, allerdings sind wie oben erläutert die äußeren Einflüsse deutlicher zu erkennen. Bereits ab etwa 1900 sank die Fertilitätsrate dramatisch. In der Zeit des Ersten Weltkriegs verstärkte sich die Abnahme noch. Nach dem Krieg stieg die Fertilitätsrate zwar wieder fast auf die Vorkriegswerte, setzte dann aber sofort die starke Abnahmetendenz der Vorkriegszeit fort. Nach 1933 kam es in den Jahren des Nationalsozialismus zwar zu einem moderaten Anstieg. Der Zweite Weltkrieg führte dann aber wieder zu einem Rückgang, allerdings war dieser deutlich schwächer als im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg blieb die Fertilitätsrate bis 1955 auf einem Niveau unter 2,1 und überschritt diese Marke in West- und Ostdeutschland erst wieder in den Jahren 1955–1965. Zu dieser Zeit nahm der Babyboom seinen Lauf. Danach kam es sowohl in West- als auch Ostdeutschland zu einem Rückgang der Fertilitätsrate im Zuge des sogenannten Pillenknicks. Seitdem liegt die Fertilitätsrate deutlich unter 2. In der DDR kam es von 1975 bis zirka 1985 erneut zu einem Anstieg der Fertilitätsrate, der allerdings nicht die Grenze von 2,1 und damit eine Nettoreproduktionsrate von 1 erreichte.

    Unterschiede zwischen ländlichen Gebieten und Städten

    Betrachtet man die Deutschlandkarte, fällt auf, dass ländliche Gebiete im Allgemeinen höhere Fertilitätsraten als kreisfreie Städte haben. Die Gründe dafür sind vielseitig. Der Studentenanteil spielt eine Rolle, da Studenten im Allgemeinen erst nach Vollendung ihres Studiums Familien gründen. Daher sind die Fertilitätsraten in typischen Studentenstädten wie Würzburg oder Heidelberg besonders niedrig. Weiterhin ziehen viele Menschen, wenn sie Familien gründen, in suburbane oder ländliche Gebiete, da diese von vielen Menschen als kinderfreundlicher beurteilt werden. Sicherlich spielen auch die hohe religiöse Bedeutung der Familie über die christlichen Kirchen eine Rolle, die in ländlichen Gebieten mehr Einfluss besitzen. Ausnahmen bilden Städte wie Erfurt oder Dresden, deren Grenzen weit gefasst sind und suburbane Gebiete einschließen. Ein hoher Migrantenanteil kann diese Verhältnisse auch umkehren, sichtbar in Ludwigshafen oder Offenbach. Diese Muster sind nicht auf Deutschland beschränkt, sondern international gültig.

    Zusammenhang der Fertilitätsrate mit dem Bruttonationaleinkommen nach Ländern (2016).

    Entwicklung der Fertilitätsrate weltweit

    Die Zahl der Kinder bei Frauen im gebärfähigen Alter ist innerhalb von 35 Jahren weltweit fast auf die Hälfte geschrumpft. Im Zeitraum 1970 bis 1975 hatten Frauen im globalen Durchschnitt noch 4,7 Kinder. Im Jahre 2010 brachten Frauen laut den „Trends der Fruchtbarkeit weltweit 2009“ (World Fertility Patterns 2009) im Durchschnitt 2,6 Babys zur Welt.[2] Einen Überblick über die Entwicklung der Fertilitätsrate im Verlauf seit 1950 ist bei Our World in Data abrufbar.[3]

    Die zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer lag laut den „World Development Indicators“ der Weltbank im Jahr 1998 bei 2,7 im Jahr 2010 bei 2,5 und im Jahr 2017 bei 2,426. 1963/1964 lag sie mit 5,1 mehr als doppelt so hoch und ist seitdem kontinuierlich gefallen (Stand: 2017).[4]

    Aufgrund der gesunkenen Fertilität hat sich ab etwa Anfang des 21. Jahrhunderts die absolute Zahl der Kinder weltweit nicht mehr wesentlich verändert. Die Zahl der Kinder von 0 bis 14 Jahren weltweit stieg von 1950 bis 2000 von unter 1 Milliarde bis auf fast 2 Milliarden und ist seitdem annähernd stabil geblieben (Stand: 2015).[5]

    Wichtige Werte der Fertilitätsrate

    Die angegebenen Werte beziehen sich auf das Kalenderjahr der Geburten, es handelt sich demnach um Angaben der gesamten Fertilitätsrate.

    Übersicht der Fertilitätsraten

    Land / Kontinent 1966 1983 1995 2000 2002 2004 2006 2014
    Afrika 5,0
    Ägypten 3,6 2,9 2,83 2,87
    Äthiopien 5,9 5,3 5,22 5,23
    Botswana 3,9 2,85 2,79 2,37
    Burkina Faso 6,8 6,2 6,47 5,93
    Kongo 6,6 6,37 4,8
    Niger 7,5 6,75 6,89
    Nigeria 6,5 5,53 5,25
    Asien 4,8
    China 1,8 1,8 1,72 1,73 1,55
    Indien 3,4 3,2 2,8 2,51
    Indonesien 2,7 2,44 2,18
    Japan 1,8[6][7] 1,33 1,29 1,32 1,42
    Europa 1,4
    Belgien 1,66 1,62 1,64 1,64 1,65
    Dänemark 1,4[6] 1,8 1,73
    Deutschland (alle Bundesländer) 1,249 1,378 1,341 1,355 1,331 1,43
    Deutschland (alte Bundesländer) 1,4[6][8] 1,339 1,413 1,371 1,372 1,341
    Deutschland (neue Bundesländer) 1,9[8] 0,838 1,214 1,238 1,307 1,303
    Finnland 1,73 1,83 1,73
    Frankreich 2,0[8] 1,98 1,88 1,85 1,98 2,08
    Griechenland 2,3[8] 2,3[8] 1,35 1,41
    Großbritannien 1,8[6] 1,6 1,66 1,66 1,84 1,9
    Irland 1,89 1,9 1,87 1,90 2,0
    Island 2,1 1,92 1,88
    Italien 2,5[8] 1,6[8] 1,17 1,24 1,26 1,33 1,40 1,42
    Niederlande 1,70 1,66 1,78
    Österreich[9] 2,66 1,56 1,42 1,36 1,39 1,42 1,41 1,43
    Polen 1,30 1,39 1,33
    Portugal 3,0[8] 2,1[8] 1,54 1,52
    Rumänien 3,7[6][10] 2,5[6][7] 1,35 1,32
    Schweden 1,64 1,88
    Spanien 2,9[8] 2,0[8] 1,28 1,28 1,37 1,48
    Tschechien 1,20 1,44 1,43
    Lateinamerika 3,2
    Brasilien 2,5 1,93 1,88 1,79
    Mexiko 3,1 2,16 2,2 2,29
    Nordamerika 2,0
    Kanada 1,8[6][7] 1,61 1,59
    USA (Liste) 2,05 2,1 2,01
    Land/ Kontinent 1966 1983 1995 2000 2002 2004 2006 2014

    Gründe für eine hohe oder niedrige Fertilitätsrate

    Empirische Studien zeigen, dass es eine hohe Korrelation zwischen der erwünschten und der tatsächlichen Fertilität gibt. Frauen bekommen in etwa die Anzahl an Kindern wie sie sich wünschen (Pritchett (1994)).

    Siehe auch

    Literatur

    • Andreas Heigl: Demographic Fact Book. Hypo Vereinsbank (Hrsg.), München 2001.
    • Johannes Kopp: Geburtenentwicklung und Fertilitätsverhalten. UVK 2002, ISBN 3-89669-969-5. Wissenschaftliche Abhandlung, die auch eine Erläuterung der demographischen Größen enthält.
    • Dieter Stempell: Weltbevölkerung 2000. Leipzig/Jena/Berlin 1985.
    • Thomas Weiss: Ökonomische Bestimmungsgrößen der Fertilität in westlichen Industrieländern. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.), Materialien zur Bevölkerungswissenschaft, Sonderheft 5. Wiesbaden 1986, ISSN 0178-918X.

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. Statement von Präsident Roderich Egeler zur Pressekonferenz „Mikrozensus 2008 – Neue Daten zur Kinderlosigkeit in Deutschland“. (Memento vom 14. November 2010 im Internet Archive) (PDF) Statistisches Bundesamt
    2. Weltweit bekommt jede Frau nur noch 2,6 Kinder. In: NZZ. 7. März 2010, abgerufen am 29. Juni 2019.
    3. Max Roser: Fertility Rate. In: Our World in Data. 19. Februar 2014 (ourworldindata.org [abgerufen am 8. Januar 2020]).
    4. Fertility rate, total (births per woman). In: World Development Indicators. IDA/IBRD, 2017, abgerufen am 29. Juni 2019 (Interaktiv-Diagramm, Voreinstellung: "World")..
    5. Evelyn Grünheid, Harun Sulak: Bevölkerungsentwicklung: 2016. (PDF 255 KB) Daten, Fakten, Trends zum demografischen Wandel. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), 2016, S. 77, abgerufen am 29. Juni 2019 (Abschnitt „Entwicklung der Weltbevölkerung nach Altersgruppen, 1950 bis 2015“).
    6. a b c d e f g Dieter Stempell: Weltbevölkerung 2000. Leipzig/Jena/Berlin 1985.
    7. a b c Angabe für 1980
    8. a b c d e f g h i j k Hannelore Jani: Die Mittelmeerländer waren Europas am schnellsten alternde Region. Gibt es eine erkennbare gemeinsame Strategie der „romanischen Länder“?
    9. Tabelle: 3.08. In: Demographisches Jahrbuch, 2004, ISBN 3-902479-43-4, statistik.at
    10. Angabe für 1967