Quelltext der Seite Benutzer:Peter Buch/Cantor-Funktion

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[[File:CantorEscalier.svg|thumb|right|400px| Der Graph der Cantor-Funktion im [[Einheitsintervall]] ]]

Die '''Cantor-Funktion''' ist in der [[Mathematik]] ein Beispiel für eine [[Funktion (Mathematik)|Funktion]], die [[Stetigkeit|stetig]], aber nicht [[Absolute Stetigkeit|absolut stetig]] ist. Sie wird auch als '''Cantorsche Treppenfunktion''' bezeichnet. [[Georg Cantor]] führte 1884 die Cantor-Funktion ein und erwähnte, dass [[Ludwig Scheeffer|Scheeffer]] sie als Gegenbeispiel zu einer von [[Carl Gustav Axel Harnack|Harnack]] behaupteten Erweiterung des  [[Fundamentalsatz der Analysis|Fundamentalsatzes der Analysis]] anführt. Die Cantor-Funktion wurde durch Scheeffer, [[Lebesgue]] and [[Vitali]] untersucht und bekannt gemacht.

==Definition==
[[File:Cantor function.gif|300px|right]]

Vergleiche nebenstehende Abbildung. Zur formalen Definition der Cantor-Funktion ''c'' : [0,1] → [0,1]  werde ''c''(''x'') in folgenden Schritten bestimmt:

#Drücke ''x'' aus [0,1] zur [[Stellenwertsystem#Basis|Basis]] 3 aus.  
#Falls ''x'' eine Ziffer "1" enthält, ersetze alle Ziffern hinter der ersten "1" durch "0".
#Ersetze alle Ziffern "2" durch "1".
#Lies das Ergebnis als [[Dualsystem|Binärzahl]]. Das Ergebnis ist ''c''(''x'').

Beispiele:
* 1/4 wird 0,02020202... zur Basis 3; da keine "1" enthalten ist, bleibt das im nächsten Schritt 0,02020202...; dies wird umgeschrieben in 0,01010101...; zur Basis 2 gelesen ist das 1/3, also ist ''c''(1/4) = 1/3.
* 1/5 wird 0,01210121... zur Basis 3; die Ziffern hinter der ersten "1" werden durch "0" ersetzt, was 0,01000000... ergibt; dies wird nicht umgeschrieben, weil keine "2" vorkommt; zur Basis 2 gelesen ist das 1/4, also ist ''c''(1/5) = 1/4.
* 200/243 wird 0,21102 (oder 0,211012222...) zur Basis 3; die Ziffern hinter der ersten "1" werden durch "0" ersetzt, was 0,21 ergibt; dies wird umgeschrieben in 0,11; zur Basis 2 gelesen ist das 3/4, also ist ''c''(200/243) = 3/4.

==Eigenschaften==
Die Cantor-Funktion widerspricht allzu intuitiven Vorstellungen von [[Stetigkeit]] und [[Maß (Mathematik)|Maß]]; obwohl sie überall stetig ist und [[fast überall]] die Ableitung 0 hat, geht ''c'', wenn ''x'' von 0 nach 1 geht, ebenfalls von 0 nach 1 und nimmt dabei jeden Zwischenwert an. Die Cantor-Funktion ist das meistzitierte Beispiel einer reellen Funktion, die [[Gleichmäßige Stetigkeit|gleichmäßig stetig]] (genauer [[Hölder-Stetigkeit|Hölder-stetig]] zum Exponenten ''α = log2/log3''), aber nicht [[Absolute Stetigkeit|absolut stetig]] ist. Sie ist konstant auf Intervallen der Form (0,''x''<sub>1</sub>''x''<sub>2</sub>''x''<sub>3</sub>...''x''<sub>n</sub>022222..., 0,''x''<sub>1</sub>''x''<sub>2</sub>''x''<sub>3</sub>...''x''<sub>n</sub>200000...), und jeder Punkt außerhalb der [[Cantor-Menge]] liegt in einem dieser Intervalle. Daher ist ihre [[Ableitung]] = 0 außerhalb der Cantor-Menge. Andererseits existiert keine Ableitung in einer [[Überabzählbare Menge|überabzählbaren]] Teilmenge der Cantor-Menge, welche die Endpunkte der oben genannten Intervalle enthält. 
Nach links mit dem Wert 0 und nach rechts mit dem Wert 1 erweitert, ist sie die ([[Kumulierte Häufigkeit|kumulative]]) [[Verteilungsfunktion]] einer auf der Cantor-Menge gleichverteilten Zufallsvariablen. Diese so genannte [[Cantor-Distribution]] <?>hat keine diskreten Teile. Das heißt das entsprechende [[Maß (Mathematik)|Maß]] ist atomfrei. Deshalb gibt es keine Sprung-Unstetigkeiten in der Funktion; jeder solcher Sprung würde einem Atom im Maß entsprechen</?>.

Jedoch kann kein nicht-konstanter Teil der Cantor-Funktion als Integral einer [[Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion]] dargestellt werden; das Integral über eine beliebige [[Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion]], die über jedem Intervall nicht [[fast überall]] verschwindet, ergibt für manche Intervalle positive Werte, für die die Cantor-Distribution null ergibt.<?>integrating any putative [[probability density function]] that is not [[almost everywhere]] zero over any interval will give positive probability to some interval to which this distribution assigns probability zero.</?> Insbesondere hat Vitali gezeigt, dass die Funktion nicht das Integral ihrer Ableitung ist, obwohl die Ableitung fast überall existiert.

Die Cantor-Funktion ist das Standardbeispiel einer [[singuläre Funktion|singulären Funktion]].

Die Cantor-Funktion ist monoton steigend, und daher ist ihr Graph eine [[Länge (Mathematik)#Rektifizierbare Wege in beliebigen metrischen Räumen|rektifizierbare Kurve]].  Die Bogenlänge des Graphs ist = 2 (Scheeffer 1884).

== Alternative Definitionen ==

=== Iterative Konstruktion ===
[[File:Cantor function sequence.png|250px|right]]

Im Folgenden definieren wir eine Folge von Funktionen {''&fnof;''<sub>n</sub>} auf dem Einheitsintervall, die gegen die Cantor-Funktion konvergiert. 

Sei ''&fnof;''<sub>0</sub>(''x'') = ''x''.

Dann wird für jede ganze Zahl {{nowrap|''n'' &ge; 0}} die nächste Funktion {{nowrap|''&fnof;''<sub>''n''+1</sub>(''x'')}} mit Hilfe von {{nowrap|''&fnof;''<sub>''n''</sub>(''x'')}} wie folgt definiert:

''&fnof;''<sub>''n''+1</sub>(''x'')&nbsp;= {{nowrap|''&fnof;''<sub>''n''</sub>(3''x'')/2}} für {{nowrap|0 ≤ ''x'' ≤ 1/3&thinsp;}};

''&fnof;''<sub>''n''+1</sub>(''x'')&nbsp;= 1/2 für {{nowrap|1/3 ≤ ''x'' ≤ 2/3&thinsp;}};

''&fnof;''<sub>''n''+1</sub>(''x'')&nbsp;= {{nowrap|(''&fnof;''<sub>''n''</sub>(3&thinsp;''x''&minus;2)+1)/2}} für {{nowrap|2/3 ≤ ''x'' ≤ 1&thinsp;}}.

Die drei Definitionen an den Endpunkten 1/3 und 2/3 kompatibel, weil durch Induktion {{nowrap|''&fnof;''<sub>''n''</sub>(0)}} = 0 und {{nowrap|''&fnof;''<sub>''n''</sub>(1)}}  = 1 für jedes ''n'' ist.  Es lässt sich leicht zeigen, dass ''&fnof;''<sub>''n''</sub> [[Funktionenfolge#Punktweise_Konvergenz|punktweise]] gegen die oben definierte Cantor-Funktion [[Grenzwert (Folge)|konvergiert]]. Darüber hinaus ist die Konvergenz [[Funktionenfolge#Gleichmäßige_Konvergenz|gleichmäßig]]. Tatsächlich sieht man, getrennt für die drei Fälle der Definition von ''&fnof;''<sub>''n''+1</sub>, dass

:<math>\max_{x \in [0, 1]} |f_{n+1}(x) - f_n(x)| \le \frac 1 2 \, \max_{x \in [0, 1]} |f_{n}(x) - f_{n-1}(x)|, \quad n \ge 1.</math>

Wenn ''&fnof;'' die Grenzfunktion bezeichnet, folgt für jedes ''n''&nbsp;&ge;&nbsp;0, dass

:<math>\max_{x \in [0, 1]} |f(x) - f_n(x)| \le 2^{-n+1} \, \max_{x \in [0, 1]} |f_1(x) - f_0(x)|.</math>

Auch kommt es nicht wirklich auf die Wahl der Startfunktion an, solange ''&fnof;''<sub>0</sub>(0)&nbsp;= 0, ''&fnof;''<sub>0</sub>(1)&nbsp;= 1, und ''&fnof;''<sub>0</sub> [[Beschränkte Funktion|beschränkt]] ist.

=== Fraktales Volumen ===
Die Cantor-Funktion ist eng mit der [[Cantor-Menge]] verwandt. Die Cantor-Menge ''C'' kann definiert werden als die Menge der Zahlen im Intervall [0,&nbsp;1], die nicht die Ziffer "1" in ihrer Darstellung zur Basis 3 enthalten,  außer wenn nach der "1" alle weiteren Ziffern "0" sind (dann könnte die Ziffernfolge 1000... durch 0222... ersetzt werden, um jegliche "1" zu vermeiden). Es zeigt sich, dass die Cantor-Menge ein [[Fraktal]] ist mit (überabzählbar) unendlich vielen Punkten (nulldimensionalem Volumen), aber mit der Länge null (eindimensionalem Volumen).  Nur das D-dimensionale Volumen <math> H_D </math> (im Sinne eines [[Hausdorff-Dimension|Hausdorff-Maßes]]) hat einen endlichen Wert, wobei <math> D = \log(2)/\log(3) </math> die fraktale Dimension von ''C'' ist.  Alternativ kann die Cantor-Funktion definiert werden als das D-dimensionale Volumen von Teilmengen der  Cantor-Menge: 
: <math>
f(x)=H_D(C \cap (0,x))
</math>

== Verallgemeinerung ==
Sei

: <math>y=\sum_{k=1}^\infty b_k 2^{-k}</math>

die [[Dualzahl|duale]] (binäre) Darstellung der reellen Zahl 0 ≤ ''y'' ≤ 1 mit Hilfe binärer Ziffern ''b''<sub>''k''</sub> = {0,1}. Damit bildet man die Funktion 

: <math>C_z(y)=\sum_{k=1}^\infty b_k z^{k}.</math>

Für ''z''&nbsp;=&nbsp;1/3 ist das Inverse der Funktion <math>x = 2 \cdot C_{1/3}(y)</math> die Cantor-Funktion.  Allgemein sieht ''C''<sub>''z''</sub>(''y'') für jedes ''z''&nbsp;&lt;&nbsp;1/2 wie eine auf die Seite gedrehte Cantor-Funktion aus, wobei die Stufen weiter werden, wenn sich ''z'' der Null nähert.

==References==
* {{cite book|ref=harv|first1=Richard Franklin|last1=Bass|author1-link=Richard F. Bass|title=Real analysis for graduate students|year=2013|origyear=2011|edition=Second|publisher=Createspace Independent Publishing|isbn=978-1-4818-6914-0}}
*{{citation||first= G.|last= Cantor|title= De la puissance des ensembles parfaits de points|journal= Acta Math.|volume= 4 |year=1884|pages= 381–392|doi=10.1007/BF02418423}} Reprinted in: E. Zermelo (Ed.), Gezammelte Abhandlungen Mathematischen und Philosophischen Inhalts, Springer, New York, 1980.
*{{citation|mr=2681574
|last=Darst|first= Richard B.|last2= Palagallo|first2= Judith A.|last3= Price|first3= Thomas E.
|title=Curious curves|publisher= World Scientific Publishing Co. Pte. Ltd.|place= Hackensack, NJ |year=2010|isbn= 978-981-4291-28-6}}
*{{citation|mr=2195181 
|last=Dovgoshey|first= O.|last2= Martio|first2= O.|last3= Ryazanov|first3= V.|last4= Vuorinen|first4= M.
|title=The Cantor function
|journal=Expo. Math.|volume= 24 |year=2006|issue=1|pages=1–37|url=http://users.utu.fi/vuorinen/REA12/107.pdf}} 
*{{citation|first=J.F.|last= Fleron|title= A note on the history of the Cantor set and Cantor function|journal= Math. Mag.|volume= 67 |year=1994|pages= 136–140|jstor=2690689}}
*{{citation|first=H.|last= Lebesgue |title=Leçons sur
l’intégration et la recherche des fonctions primitives|place= Paris|publisher= Gauthier-Villars|year= 1904}}
*{{citation|first=Ludwig|last= Scheeffer|title= Allgemeine Untersuchungen ûber Rectification der Curven|journal= Acta Math.|volume= 5 |year=1884|pages= 49–82|doi=10.1007/BF02421552}} 
* {{cite book|ref=harv|last1=Thomson|first1=Brian S.|last2=Bruckner|first2=Judith B.|last3=Bruckner|first3=Andrew M.|title=Elementary real analysis|publisher=ClassicalRealAnalysis.com|edition=Second|year=2008|origyear=2001|isbn=978-1-4348-4367-8}}
*{{citation|first=A.|last= Vitali|title=Sulle funzioni integrali|journal=Atti Accad. Sci. Torino Cl. Sci. Fis. Mat. Natur.|volume= 40 |year=1905 |pages= 1021-1034}}

== External links ==
* [http://www.encyclopediaofmath.org/index.php/Cantor_ternary_function ''Cantor ternary function'' at Encyclopaedia of Mathematics]
* [http://demonstrations.wolfram.com/CantorFunction/ Cantor Function] by Douglas Rivers, the [[Wolfram Demonstrations Project]].
* {{MathWorld |title= Cantor Function |urlname= CantorFunction}}

[[:Category:Fractals]]
[[:Category:Measure theory]]
[[:Category:Special functions]]