Quelltext der Seite Hamburger Senat 1919–1933

[[Datei:Flagge Hamburg.svg|miniatur|Flagge des Hamburger Senats]]
Der neue, demokratische Hamburger Senat wurde erstmals am 28. März 1919 von der [[Hamburger Bürgerschaft|Bürgerschaft]] gewählt, getragen von einer Koalition aus der [[Deutsche Demokratische Partei|Deutschen Demokratischen Partei]] und der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]. Die SPD hielt sich als stärkste Fraktion zurück: sie stellte nicht den [[Erster Bürgermeister|Ersten Bürgermeister]], sondern ließ zu, dass dieser Posten im Sinne personeller Kontinuität von Senatoren übernommen wurde, die schon dem [[Hamburger Senat 1861–1919|Vorkriegssenat]] angehört hatten. Mit der [[Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands|USPD]] wurde aufgrund eines sehr harten Wahlkampfes eine Koalition von Seiten der SPD ausgeschlossen.<ref>Werner Jochmann: ''Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner.'' Band 2, Hofmann & Campe, 1986, ISBN 978-3455082555, S. 160/161.</ref> Mit der Bürgerschaftswahl vom 26. Oktober 1924 hatte die bisherige Koalition keine Mehrheit mehr. Die [[Deutsche Volkspartei]] wurde in die Koalition mit aufgenommen und stellte ab 18. März 1925 mehrere Senatoren. Nach der Wahl vom 27. September 1931 hatte der amtierende Senat seine Mehrheit in der Bürgerschaft verloren. Da aber kein neuer Senat gewählt werden konnte, führte der alte Senat die Geschäfte weiter.

== Vorgeschichte ==
Während der [[Novemberrevolution]] übernahmen revolutionäre Arbeiter und Soldaten am 5. November 1918 nach kurzen Kämpfen die Macht in Hamburg. Nachdem die regierungstreuen Truppen ausgeschaltet waren, wurde spontan ein [[Arbeiter- und Soldatenrat]] gebildet. Am 6. November 1918 wurde der Arbeiter- und Soldatenrat vom Senat als oberstes Regierungsorgan faktisch anerkannt. Am 8. November 1918 wurde der Arbeiter- und Soldatenrat formal neu gewählt und damit legitimiert. Politisch wurde der Rat von [[Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands|USPD]] und Linksradikalen dominiert. Der Arbeiter- und Soldatenrat tagte in Permanenz im [[Hamburger Rathaus]] und regierte die folgenden vier Monate Hamburg. Am 12. November wurden Dr. [[Heinrich Laufenberg (Politiker)|Heinrich Laufenberg]] und [[Wilhelm Heise (Matrose)|Wilhelm Heise]] zu den Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates gewählt. Im ersten revolutionären Eifer wurde der Senat am 12. November abgeschafft. Da sich aber dessen Sachverstand als unersetzlich erwies, wurde der alte Senat am 18. November wieder als oberste Behördeninstanz eingesetzt. Nachdem im Januar 1919 der [[Spartakusaufstand]] scheiterte und als Folge USPD und Linksradikale entmachtet wurden, gelang es der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], ihre Interessen im Arbeiter- und Soldatenrat durchzusetzen. Heinrich Laufenberg und Wilhelm Heise schieden am 20. Januar 1919 aus dem Rat aus und [[Berthold Grosse]] und [[Karl Hense (Politiker)|Karl Hense]], die beide der SPD angehörten, wurden zu den Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates gewählt. Diese setzten eine Neuwahl der [[Hamburger Bürgerschaft|Bürgerschaft]] in freier und gleicher Wahl am 16. März 1919 fest.<ref>Wahlergebnisse vom 16. März 1919: SPD 50,46 % – 82 Sitze; DDP 20,47 % – 33 Sitze; DVP 8,60 % – 13 Sitze; USPD 8,07 % – 13 Sitze; Hamburgischer Wirtschaftsbund 4,20 % – 7 Sitze; DNVP 2,86 % – 4 Sitze; Grundeigentümer 2,45 % – 4 Sitze; Zentrum 1,20 % – 2 Sitze; Hamburgische Wirtschaftspartei 0,42 % – 1 Sitze; Vereinigte Bürgervereine 0,37 % – 1 Sitz; Andere 0,51 % – 0 Sitze; Quelle: [http://www.gonschior.de/weimar/Hamburg/LT1.html Gonschior.]</ref> In der konstituierenden Bürgerschaftssitzung am 26. März 1919 übergab der Arbeiter- und Soldatenrat die Macht an die Bürgerschaft und löste sich anschließend faktisch auf.<ref>Ursula Büttner: ''Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg: Fünf Abhandlungen.'' Hamburg 1998, ISBN 3929728362, S. 61.</ref> Der alte Senat trat am 27. März 1919 geschlossen zurück.

== Senatoren ==
Im Folgenden sind die von der Bürgerschaft gewählten Senatoren dargestellt.<ref name="Fuhrmann">Quelle: Typoskript von Fuhrmann.</ref>

{{Zeitleiste Hamburger Senatoren (1919–1933)}}

[[Heinrich Lorenz (Politiker, 1862)|Heinrich Lorenz]] und [[Henry Everling]], die beide für die SPD in den Senat gewählt worden waren, verließen diesen nach knapp 3 Monaten, um in ihre früheren Stellungen in der [[Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine|GEG]] bzw. der [[Konsumgenossenschaft|Konsumgenossenschaft Produktion]] zurückzukehren.<ref>Leo Lippmann: ''Mein Leben und meine amtliche Tätigkeit, Erinnerungen und ein Beitrag zur Finanzgeschichte Hamburgs.'' Christians, Hamburg 1964, S. 295.</ref> Es ist deutlich, dass sich die Anzahl der „bürgerlichen Senatoren“ (DDP, DVP) mit denen der SPD in etwa die Waage hielten.

Am 20. Juni 1929 schied [[Max Mendel]] aus dem Senat aus. Gesundheitliche Gründe für sein Ausscheiden aus dem Senat werden vereinzelt als vorgeschoben angesehen.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.kultur.uni-hamburg.de/volkskunde/Texte/Vokus/2000-1/baucherede.html | wayback=20130902075652 | text=Universität Hamburg, Institut für Volkskunde/Kulturantropologie}}, abgerufen am 25. April 2010.</ref> Möglicherweise gab seine jüdische Herkunft beim Rückzug aus dem Senat den Ausschlag. Mit ihm und Senator [[Carl Cohn]] von der [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]] schieden die beiden einzigen [[Juden|jüdischen]] Politiker aus dem Hamburger Senat aus.<ref>[[Holger Martens (Historiker)|Holger Martens]]: [http://books.google.de/books?id=2IjoBEPw7TcC&pg=PA106&lpg=PA106 ''Max Mendel.''] In: ''SPD Landesorganisation Hamburg: Für Freiheit und Demokratie: Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Verfolgung und Widerstand 1933–1945, Biografische Skizzen.'' S. 106 f., Hamburg 2003, ISBN 3-8330-0637-4.</ref>

Am 15. September 1931, während der Wirtschaftskrise, wurde der Senat von 16 auf 12 Mitglieder verkleinert; [[Arnold Nöldeke (Politiker)|Arnold Nöldeke]] (DDP), [[Franz Heinrich Witthoefft]] (DVP), [[Richard Perner]] (SPD) und [[Heinrich Stubbe]] (SPD) traten zurück.

== Ressortverteilung ==
Die Ressortverteilung des Senats ist nicht einfach darzustellen. So gab es beispielsweise weiterhin unterschiedliche Deputationen, Ämter und Kommissionen, denen teilweise mehrere Senatoren angehörten. Es wird im Folgenden dargestellt, welcher Senator Präsident eines Verwaltungszweiges war.<ref>Überarbeitung von Ursula Büttner: ''Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg: Fünf Abhandlungen.'' Hamburg 1998, ISBN 3929728362, S. 118.</ref>

{{Zeitleiste Hamburger Senat (1920–1932)}}

== Staatsräte ==
Vom alten Senat wurden auch die das Prinzip der nicht stimmberechtigten Senatsmitglieder übernommen. 1919 wurden noch die alten Amtstitel Senatssekretär und [[Syndicus]] für die [[Staatssekretär]]e verwendet. Dieses althergebrachte Vorgehen wurde mit dem 24. Juni 1920 reformiert: alle nicht stimmberechtigten Senatsmitglieder erhielten den neugeschaffenen Rang des [[Staatsrat (Amt)|Staatsrates]].
Im Folgenden sind die einzelnen Staatsräte dargestellt.<ref name="Fuhrmann"/>

{{Zeitleiste Hamburger Staatsräte (1919–1933)}}

== Oktober 1931 ==
{| class="wikitable float-right"
|+ Ergebnisse der Bürgerschaftswahl 1931<ref>Nach Ursula Büttner: ''Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg: Fünf Abhandlungen.'' Hamburg 1998, ISBN 3929728362, S. 150.</ref>
|-
! Partei || % der Stimmen || Sitze
|-
| KPD || 21,86 || 35
|- class="hintergrundfarbe5"
| SPD || 27,81 || 46
|- class="hintergrundfarbe5"
| DStP || 8,70 || 14
|- class="hintergrundfarbe5"
| DVP || 4,79 || 7
|-
| [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]] || 1,40 || 2
|-
| [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]] || 5,61 || 9
|-
| [[Reichspartei des deutschen Mittelstandes|Mittelstandspartei]] || 1,47 || 2
|-
| [[Christlich-Sozialer Volksdienst|Volksdienst]] || 1,41 || 2
|-
| NSDAP || 26,25 || 43
|}
Bei der Bürgerschaftswahl am 27. September 1931 verlor die bisherige Koalition aus SPD, DStP<ref>Die DDP hatte sich 1930 mit dem [[Jungdeutscher Orden|Jungdeutschen Orden]] zur Deutschen Staatspartei (DStP) vereinigt.</ref> und DVP ihre Mehrheit. Die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] hatte einen erdrutschartigen Sieg erzielt: sie erhielt 26 Prozent der abgegebenen Stimmen (nach 2 % im Jahr 1928) und konnte die zweitstärkste Bürgerschaftsfraktion bilden. Die [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] erhielt knapp 22 % (nach 16 % im Jahr 1928). Die senatstragenden Parteien verloren deutlich an Stimmen: die SPD von 35 % 1928 auf 28 %, die DStP von 12 % (1928 noch als DDP) auf 9 % 1931 und die DVP von 12 % auf 5 %. In Anbetracht dessen trat der Senat zum 4. Oktober 1931 komplett zurück. Nach Artikel 37 der [[Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg|Hamburgischen Verfassung]] führte der Senat die Geschäfte so lange weiter, bis ein neuer Senat gewählt war. Da sich in der Bürgerschaft keine neue Mehrheit für einen Senat fand, blieben die bisherigen Amtsinhaber im Amt. Eine Koalition aus KPD und SPD hätte eine knappe Mehrheit gehabt, aber nach dem [[Hamburger Aufstand]] von 1923 erschien eine Zusammenarbeit der beiden Arbeiterparteien nicht denkbar. Da es in der Bürgerschaft drei starke Blöcke gab, die sich gegenseitig blockierten, konnte keine neue Regierung gebildet werden. Auch die gesetzgeberische Tätigkeit der Bürgerschaft kam praktisch zum Erliegen. Diese Situation nützte kurzfristig den Parteien, die den alten Senat gestellt hatten: sie konnten weiter regieren; langfristig war der Senat nicht handlungsfähig (wovon NSDAP und KPD profitierten). 

Die Neuwahl am 24. April 1932 änderte diesen Zustand: einerseits wurde die NSDAP zur stärksten Kraft in der Bürgerschaft und andererseits verlor die KPD deutlich, sodass eine Koalition aus Bürgerlichen Parteien und NSDAP rechnerisch möglich wurde.

== März 1933 ==
Am [[2. März]] 1933 forderte [[Reichsministerium des Innern|Reichsinnenminister]] [[Wilhelm Frick]] ([[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]) vom Hamburger Senat das Verbot der sozialdemokratisch ausgerichteten Zeitung ''[[Hamburger Echo]]''. Am folgenden Tag traten alle Senatoren, die der SPD angehörten, zurück, da sie einerseits dem Verbot nicht zustimmen und andererseits keinen Anlass zu einem Eingriff in die Hamburger Unabhängigkeit bieten wollten.<ref>Ursula Büttner: ''Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg: Fünf Abhandlungen.'' Hamburg 1998, ISBN 3929728362, S. 199.</ref> Polizeiherr wurde am 3. März 1933 [[Paul de Chapeaurouge]]. Nach der [[Reichstagswahl März 1933|Reichstagswahl vom 5. März 1933]] besetzten abends [[Sturmabteilung|SA]]-Einheiten das Rathaus. [[Carl Wilhelm Petersen]], schon seit mehreren Wochen schwer erkrankt, trat von seinem Amt zurück. Nach Schließung der Wahllokale ernannte Wilhelm Frick SA-Standartenführer [[Alfred Richter (Politiker, Juli 1895)|Alfred Richter]] (NSDAP) zum [[Reichskommissar]] und Polizeiherren in Hamburg. Daraufhin trat Paul de Chapeaurouge am 6. März als Senator zurück. Am 8. März 1933 wurde durch eine Koalition aus NSDAP, [[Deutsche Demokratische Partei|Staatspartei]], [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]] und [[Deutsche Volkspartei|DVP]] ein neuer Senat gewählt.

== Fußnoten ==
<references />

== Quellen ==
* [[Ursula Büttner]]: ''Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik. Sechs Abhandlungen.'' Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg 1996.
* Ursula Büttner: ''Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg: Fünf Abhandlungen.'' Hamburg 1998, ISBN 3929728362.
* Rainer Fuhrmann: ''Ämterverteilung im Senat 1860–1945.'' Typoskript, Staatsarchiv Hamburg.
* [[Werner Jochmann (Historiker)|Werner Jochmann]]: ''Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner.'' Band 2, Hofmann & Campe (ISBN 978-3455082555), 1986.
* [[Leo Lippmann]]: ''Mein Leben und meine amtliche Tätigkeit, Erinnerungen und ein Beitrag zur Finanzgeschichte Hamburgs.'' Christians, Hamburg 1964.

{{Navigationsleiste Hamburger Senate}}

[[Kategorie:Hamburger Senat|Hamburger Senat 1919–1933]]
[[Kategorie:Politik (Weimarer Republik)]]
[[Kategorie:Landeskabinett (Weimarer Republik)]]