Quelltext der Seite Mehrrechtsstaat

Ein '''Mehrrechtsstaat''' ist ein [[Staat]], in dem für verschiedene Teilgebiete oder Personengruppen unterschiedliches [[Recht]] gilt. Zumeist wird der Begriff auf das [[Privatrecht]] bezogen.

Mehrrechtsstaaten mit ''territorialer Rechtsspaltung'' sind oftmals [[Bundesstaat (Föderaler Staat)|Bundesstaaten]]. Typische Mehrrechtssaaten mit territorial gespaltenem Privatrecht sind etwa im [[Common Law|angloamerikanischen]] Bereich das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]], die [[Vereinigte Staaten|USA]], [[Kanada]] und [[Australien]]; im [[Kontinentaleuropäischer Rechtskreis|kontinentaleuropäischen]] [[Rechtskreis]] das [[Königreich der Niederlande]], [[Spanien]] ([[Fuero#Zivilforalrecht|Foralrechte]]) sowie [[Mexiko]] (nach US-amerikanischem Vorbild); ferner [[Äthiopien]]; aus dem [[Rechtskreis#Ehemals sozialistisch regierte Staaten|ehemaligen sozialistischen Rechtskreis]] die [[Sowjetunion]] und [[Jugoslawien]]. Welche territoriale Teilrechtsordnung im konkreten Fall zur Anwendung kommt, bestimmt das ''interlokale Privatrecht''. Hinsichtlich des [[Verwaltungsrecht (Deutschland)|Verwaltungsrechts]] ist etwa auch Deutschland weitgehend ein Mehrrechtsstaat mit territorialer Rechtsspaltung.

''Personale Rechtsspaltung'' ist oftmals religiös bedingt, teilweise auch ethnisch (z.&nbsp;B. [[Adat]]recht in Indonesien). Im Privatrecht sind insbesondere das [[Familienrecht|Familien-]] und [[Erbrecht]] betroffen. Viele [[Scharia#Islamisch geprägte Staaten|islamisch geprägte Staaten]] sind Mehrrechtsstaaten mit personaler Rechtsspaltung, wobei verschiedene [[Madhhab|Rechtsschulen]] zu unterscheiden sind. Typische Beispiele sind [[Ägypten]], [[Indien]] oder [[Israel]]; nicht dazu gehören etwa die Nachfolgestaaten der [[Sowjetunion]] oder [[Tunesien]] (seit 1957). Welche Teilrechtsordnung im konkreten Fall zur Anwendung kommt, bestimmt das ''interpersonale (interreligiöse) Privatrecht''.

Verweist das deutsche [[Internationales Privatrecht|IPR]] auf einen Mehrrechtsstaat, ohne die maßgebende Teilrechtsordnung zu bezeichnen, so bedarf es einer ''Unter[[anknüpfung]]''. Fehlt es im ausländischen Recht an interlokalem/interpersonalem Kollisionsrecht, „so ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, mit welcher der Sachverhalt am engsten verbunden ist“ ({{Art.|4|EGBGB|dejure|text=Art.&nbsp;4&nbsp;Abs.&nbsp;3&nbsp;Satz&nbsp;2}} [[Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche|EGBGB]]; entsprechend {{§§|IPRG|RIS-B|GesetzNr=10002426|text=österr. IPRG §&nbsp;5&nbsp;Abs.&nbsp;3&nbsp;Satz&nbsp;2}}).

Zum ''rechtssoziologischen'' Phänomen siehe ''[[Rechtspluralismus]]''.

[[Kategorie:Internationales Privatrecht]]
[[Kategorie:Rechtsstaat]]