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Flottenkommando (1891-1945)

Flottenkommando ist die Bezeichnung für den Stab des Befehlshabers der Flotte (Flottenchef) in der deutschen Marine. Dieser untersteht als Kommandeur zur See dem Oberbefehlshaber der Marine und der Admiralität bzw. Seekriegsleitung. Das Flottenkommando ist in Friedenszeiten "verantwortlich dafür, dass die Verbände und Einheiten für Einsätze vorbereitet werden. Dazu gehören die personelle Besetzung, die Ausrüstung und die Ausbildung". In Kriegszeiten hat es die strategischen und taktischen Ziele des Oberkommandos bzw. der Seekriegsleitung in Handlungen umzusetzen. Zu diesem Zweck sind dem Flottenchef die Befehlshaber der verschiedenen Kriegsschiffsgattungen sowie der Sicherungs- Nachschub- und Ausbildungsverbände unterstellt.

1. Kaiserliche Marine 1891 bis 1919

Die Einrichtung des Flottenkommandos erfolgte durch Allgemeine Kabinettsordre (AKO) vom 25. August 1891, nachdem die Manöverflotte (später Hochseeflotte), die bis dahin im Winterhalbjahr stets außer Dienst gestellt wurde, als ständiges Kommando bestehen bleiben sollte. Das Flottenkommando unterstand zunächst unmittelbar dem Oberkommando der Marine. Mit der Auflösung des Oberkommandos 1899 wurde Admiral von Koester die Führung der Übungsflotte (später Hochseeflotte) übertragen. 1901 konnte dieser erreichen, dass die Dienststellung des Chefs der Übungsflotte permanent bestehen blieb. Am 24. September 1902 richtete er ein Gesuch an den Kaiser, in dem er die Berechtigung zum Immediatvortrag für eine neu zu bildende Stelle des "Chefs der Hochseeflotte" beantragte. Zur Begründung führte er an:

"Eure Majestät werden im Krieg in den meisten Fällen verhindert sein, die Hochseeflotte persönlich gegen den Feind zu führen. Nach Eurer Majestät Anweisungen dies zu tun wird dann dem Flottenchef zufallen. Er wird umso besser imstande sein, Allerhöchste Befehle auszuführen, je mehr er in Eurer Majestät Anschauungen eingeweiht und in seinen eigenen Anschauungen Eurer Majestät bekannt ist. Hierfür ist der Immediatvortrag das durch nichts anderes zu ersetzende Mittel. ... Es ist erforderlich, dass der Flottenchef an der See bleibt und oft auf die See kommt, damit er seegewohnt ist

Dem Vorschlag des Admirals wurde stattgegeben, als mit AKO vom 29. Juni 1903 die bis dahin noch immer als (Herbst-)Übungsflotte titulierten Seestreitkräfte in eine "Aktive Schlachtflotte" überführt wurden und Admiral von Koester zum Chef der Aktiven Schlachtflotte befördert wurde. Das Misstrauen gegen den "seeungewohnten" Admiralstab ist aus Koesters Immediatschreiben deutlich herauszuhören. Anstatt aber die Behörde in Berlin als inkompetent anzusehen und innerlich abzuschreiben, hätte das Flottenkommando im eigenen Interesse darauf hinwirken müssen, dem Admiralstab erfahrene und von seinem Vertrauen getragene Männer zuzuführen. So aber gab es nun ständig Reibereien mit dem Admiralstab, der sich von dem "Frontkommando" Flotte nicht ernst genommen fühlte. Die Macht des Flottenkommandos innerhalb der Spitzengliederung der Marine wuchs mit jedem neuen Geschwader, seine Operationen im Kriege aber blieben unkoordiniert. Erst mit der Bildung des Stabes der Seekriegsleitung im Großen Hauptquartier 1918 erhielt das Flottenkommando (Chef der Hochseestreitkräfte) seine operativen Weisungen von oben.

Das Flottenkommando unterstand von 1891 bis 1899 unmittelbar dem Oberkommando der Marine. KOESTER: 1899 seine Ernennung zum Generalinspekteur der Marine, 1899-1903 Chef der Übungsflottille KOESTER: 1903 Chef der Aktiven Schlachtflotte, anschl. der Hochseeflotte bis 1906

Befehlszeitraum Flottenchef Flaggschiff
16.08.1899 bis 16.09.1899 Admiral Hans von Koester SMS Blücher
15.08.1900 bis 19.09.1900 Admiral Paul Hoffmann SMS Kaiser Wilhelm II.
11.08.1901 bis 15.09.1901 Admiral Hans von Koester SMS Kaiser Wilhelm II.
17.08.1902 bis 12.09.1902 Admiral Hans von Koester SMS Kaiser Wilhelm II.
15.08.1903 bis 12.09.1903 Admiral Hans von Koester SMS Kaiser Wilhelm II.
22.09.1903 bis 25.02.1906 Admiral Hans von Koester SMS Kaiser Wilhelm II.
26.09.1906 bis 16.02.1907 Admiral Prinz Heinrich von Preußen SMS Deutschland
16.02.1907 bis 30.09.1909 Admiral Prinz Heinrich von Preußen SMS Deutschland
01.10.1909 bis 28.01.1913 Admiral Henning von Holtzendorff SMS Deutschland
30.01.1913 bis 02.02.1915 Admiral Friedrich von Ingenohl SMS Friedrich der Große
03.02.1915 bis 09.01.1916 Admiral Hugo von Pohl SMS Friedrich der Große
24.01.1916 bis 07.08.1918 Admiral Reinhard Scheer SMS Friedrich der Große
11.08.1918 bis 30.11.1918 Admiral Ritter Franz von Hipper SMS Baden
01.12.1918 bis 05.01.1919 Konteradmiral Hugo Meurer SMS Baden
06.01.1919 bis 10.01.1919 Kommodore Victor Harder SMS Baden
Befehlszeitraum Flottenstabschef
20.09.1913 bis 01.09.1914 Kapitän zur See Ernst Karl August Klemens von Mann
12.09.1914 bis 03.02.1915 Konteradmiral / Vizeadmiral Richard Eckermann
04.02.1915 bis 28.01.1916 Kapitän zur See William Michaelis
29.01.1916 bis 10.11.1918 Kapitän zur See / Konteradmiral Adolf von Trotha

MANN: Vom 30. September 1911 bis zum Januar 1913 war er mit der Führung des Großen Kreuzers SMS Moltke betraut, dem Flaggschiff des Befehlshabers der Aufklärungsschiffe. Am 12. Januar 1913 übernahm Ritter von Mann das Kommando auf dem Großlinienschiff SMS Kaiser bis zum September 1913. Die Kaiser war im Januar 1913 Flaggschiff der V. Division, ECKERMANN Vom 12. September 1914 bis 3. Februar 1915 war er Chef des Stabes der Hochseeflotte. Er verlor diesen Posten ebenso wie sein Vorgesetzter Friedrich von Ingenohl aufgrund wiederholter Fehlschläge der Kaiserlichen Marine gegen die britische Grand Fleet.[1]


2. Reichsmarine 1919 bis 1935

Mit dem 5.1.1919 wurde die Dienststelle "Chef der Hochseeflotte" aufgelöst. Die verbliebenen schwimmenden Einheiten führten Seebefehlshaber unter den Stationskommandos der Nord- und Ostsee. Im Oktober 1923 erfolgte die Bildung der Dienststelle des Oberbefehlshabers der Seestreitkräfte (OdS), der ab 1. April 1925 die Dienstbezeichnung Flottenchef erhielt. Bis zur Einrichtung der Marinegruppenkommandos im Zweiten Weltkrieg unterstand der Flottenchef unmittelbar der Marineleitung.

Befehlszeitraum Flottenchef
15.10.1923 bis 25.09.1924 Vizeadmiral Hans Zenker
26.09.1924 bis 28.09.1927 Vizeadmiral Konrad Mommsen
29.09.1927 bis 30.09.1931 Vizeadmiral Iwan Oldekop
01.10.1931 bis 22.09.1933 Vizeadmiral Walter Gladisch
23.09.1933 bis 20.12.1936 Vizeadmiral Richard Foerster


Befehlszeitraum Flottenstabschef Flaggschiff
15.10.1923 bis 25.09.1924 Fregattenkapitän Eduard Eichel Braunschweig
26.09.1924 bis 31.01.1926 Kapitän zur See Walter Gladisch Braunschweig
01.02.1926 bis 14.10.1928 Kapitän zur See Walter Gladisch Schleswig-Holstein
15.10.1928 bis 30.09.1930 Kapitän zur See Alfred Saalwächter Schleswig-Holstein
30.09.1930 bis 30.09.1932 Kapitän zur See Günther Guse Schleswig-Holstein
30.09.1932 bis 22.09.1933 Kapitän zur See Hermann Boehm Schleswig-Holstein
30.09.1933 bis 30.09.1934 Kapitän zur See Rolf Carls Schleswig-Holstein
30.09.1934 bis 22.09.1935 Kapitän zur See Otto Schniewind Schleswig-Holstein
22.09.1935 bis 29.05.1936 Kapitän zur See Otto Schniewind Flottentender Hela

Flottenflaggschiffe waren die Linienschiffe Braunschweig (1923-1926) und Schleswig-Holstein (1926-1935)

3. Kriegsmarine 1936 bis 1945

1936 wurde die Marineleitung in Oberkommando der Marine umbenannt. Ende der 30er Jahre entstanden die Dienststellen der Seekriegsleitung wie auch Marinegruppenkommandos. Die operative Zuständigkeit der Seekriegsleitung im Zweiten Weltkrieg war auf außerheimische Seegebiete beschränkt, auf denen weder der Flottenchef noch die Marinegruppenkommandos die Führung besaßen.

Mit dem Flottenkommando nicht verwechselt werden darf die Flottenabteilung (A.V) der Seekriegsleitung. Die Abteilung ging 1939 im Hauptamt Kriegsschiffbau auf. Im Februar 1944 entstand wieder eine Flottenabteilung (Qu.I) der Seekriegsleitung. Es handelte sich um die bis dahin bestehende Kommandoabteilung See bei der Kommandoamtsgruppe (Qu.A.I)

Die Unterstellungsverhältnisse beim Flottenkommando änderten sich durch Umgliederung und Neuaufstellung ständig. Dem Flottenkommando unterstanden truppendienstlich und operativ die Befehlshaber der Panzerschiffe (bis Juli 1940), der Aufklärungsstreitkräfte (bis Juli 1940), der Kreuzer (August 1940 bis Oktober 1941) und der Schlachtschiffe (Juni 1941 bis Mai 1942) bzw. Kreuzer (Juni 1942 bis März 1943), die Führer der Zerstörer und der Torpedoboote (August 1940 bis Kriegsende), der Führer der Schnellboote (April 1942 bis Kriegsende).

Bis Kriegsbeginn waren sämtliche Sicherungsverbände, also vornehmlich Vorposten-, Minensuch-, Minenräum- und Geleitflottillen, dem Führer der Minensuchboote zugeteilt, der wiederum dem Befehlshaber der Aufklärungsstreitkräfte (B.d.A.) unterstand. Bei Kriegsausbruch aber wurden die Dienststellen des B.S.O und B.S.N gebildet und einsatzmäßig dem Marinegruppenkommando Ost bzw. West unterstellt. Minenschiffe und U-Bootjäger wurden zunächst von einem Führer der Sonderverbände befehligt, die U-Bootjäger wurden später den Sicherungsverbänden zugeordnet, der Führer der Minenschiffe unterstand truppendienstlich dem Flottenkommando, operativ aber ebenfalls den Marinegruppenkommandos. Im Januar 1945 wurde die Dienststelle eines Befehlshabers der Sicherung eingerichtet. Es war bis Kriegsende dem Flottenkommando unmittelbar unterstellt.

Der Befehlshaber der Unterseeboote, Admiral Dönitz, unterstand bis zu seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine truppendienstlich ebenfalls dem Flottenkommando. Das Unterstellungsverhältnis wurde im Januar 1943 aufgehoben. Ab März 1943 übernahm die U-Bootführungsabteilung der Seekriegsleitung als Befehlsstab des B.d.U die operativen Aufgaben.

Bis Juli 1943 war der Verband der Trossschiffe dem Marinegruppenkommando West unterstellt, und der Einsatz der Trossschiffe, Tanker und Versorger direkt von der Operationsabteilung der Seekriegsleitung gesteuert. Ab Sommer 1943 war es nicht mehr möglich, mit Versorgungsschiffen die Blockade der Alliierten zu durchbrechen. Die Einsatzdienststelle in Frankreich wurde am 31.7.43 aufgelöst. Der Führer des TSV verlegte nach Wesermünde. Er wurde nunmehr dem Flottenchef unterstellt und führte Versorgungsaufgaben in Nordnorwegen durch. Anfang 1936 wurde durch den Oberbefehlshaber der Marine, Admiral Raeder, bestimmt:

"Der Flottenchef ist im Krieg an Bord seines Flaggschiffs eingeschifft und bleibt beim Inseegehen des Flaggschiffs an Bord, um bei den Kampfhandlunge, die sich bei den heutigen Verhältnissen häufig von heute auf morgen entwickeln können, jederzeit die Führung übernehmen zu können. Es gibt kein Flottenkommando am Kai."

Diese Regelung galt bis zum Untergang der Bismarck im Mai 1941, bei dem der Flottenchef mit seinem gesamten Stab fiel.

Im Dezember 1940 beabsichtigte der Flottenchef, Admiral Lütjens, mit Gneisenau und Scharnhorst zu einer Atlantikunternehmung auszulaufen. Um den Flottenchef zu entlasten und eine reibungslose Fortführung der Geschäfte während seiner Abwesenheit sicherzustellen, wurde im Dezember 1940 die Stelle des 2. Admirals der Flotte gebildet worden, die im Juni 1941 wieder aufgelöst wurde.

Unter Generaladmiral Schniewind, der als Chef des Marinegruppenkommandos Nord im Juni 1941 zugleich Flottenchef war, wurde das operative Kommando über die Flotte bzw die einzelnen Flottenteile auf die für den jeweiligen Operationsraum zuständigen Marinegruppenbefehlshaber übertragen. Das erfolgte mit Rücksicht auf die gewaltige Frontlinie Deutschlands im Seekrieg, komplizierte allerdings die Befehlsverhältnisse.

Mit Neugliederung des Flottenkommandos im Juni 1941 wurde die Zusammenfassung der Ausbildungskreuzer zum Verband der Ausbildungskreuzer befohlen, ... Im April 1942 wurde ein Befehlshaber kommandiert, und auch der Stab wurde nach und nach hauptamtlich besetzt. Der Ausbildungsverband wurde vom Sommer 1944 an, soweit kampffähig, in der Ostsee eingesetzt und bildete dort zeitweise zwei Kampfgruppen.

Im März 1943 wurden die Dienststellen des Marinegruppenkommandos Nord und des Flottenkommandos (die Schlachtschiffe und Kreuzer operierten mittlerweile sämlich im Bereich des MGK Nord) zusammengelegt, da umfassende Flottenoperationen angesichts der militärischen Lage nicht mehr zu erwarten waren. Die Stäbe wurden im Laufe der Zeit verschmolzen. Im Juli 1944 wurde das Marinegruppenkommando Nord aufgelöst, das Flottenkommando aber blieb bis zum 23. Mai 1945 bestehen.

Befehlszeitraum Flottenchef
1936 Vizeadmiral Richard Foerster
21.12.1936 bis 31.10.1938 Admiral Rolf Carls
01.11.1938 bis 20.10.1939 Admiral Hermann Böhm
21.10.1939 bis 07.07.1940 Admiral Wilhelm Marschall
08.07.1940 bis 27.05.1941 Admiral Günther Lütjens
13.06.1941 bis 30.07.1944 Generaladmiral Otto Schniewind
31.07.1944 bis 23.05.1945 Vizeadmiral Wilhelm Meendsen-Bohlken
Befehlszeitraum Flottenstabschef Flaggschiff
29.05.1936 bis 06.02.1937 Kapitän zur See Otto Schniewind Admiral Graf Spee
bis 19.10.1937 [1] Kapitän zur See Otto Schniewind ...
1937-1938 Hermann von Fischel (bis 1.4.38), ... ...
31.10.1938 bis 20.10.1939 Kapitän zur See Oskar Kummetz Admiral Graf Spee
16.10.1939 bis 31.07.1940 Konteradmiral Otto Backenköhler Gneisenau
01.08.1940 bis 27.05.1941 Kapitän zur See Harald Netzbandt Gneisenau, Bismarck
30.06.1941 bis 15.02.1943 Konteradmiral August Thiele Tirpitz, Flottentender Hela
16.03.1943 bis 23.05.1943 Kapitän zur See Hans Hartmann Flottentender Hela
07.06.1943 bis 20.04.1944 Konteradmiral Hellmuth Heye Flottentender Hela
20.04.1944 bis 09.05.1945 Konteradmiral Richard Rothe-Roth Flottentender Hela

Flottenflaggschiffe waren von 1936 bis Oktober 1939 das Panzerschiff Admiral Graf Spee, ab November 1939 das Schlachtschiff Gneisenau, im Mai 1941 die Bismarck. Ab Juni 1941 sollte die Tirpitz als Flaggschiff dienen, doch befand sich der Flottenchef nur vorübergehend im November 1941 und noch einmal von März bis September 1942 an Bord. In der übrigen Zeit wehte die Flagge des Flottenchefs auf dem Flottentender Hela.