Benutzer:Mantoniella squamata/Ayalon-Institut

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Das Ayalon-Institut (Hebräisch: מכון איילון‎, Institut Ayalon) war eine unterirdische Munitionsfabrik auf dem Kibbutzhügel in Rehovot (Israel), getarnt als Kibbutz, das eine Wäscherei betrieb. Die Fabrik wurde 1945 erichtet and stellte bis 1948 Munition her. Heute ist das Gelände ein Museum und eine historische Gedenkstätte. Die Fabrik wurde heimlich und in weniger als einem Monat erbaut, befand sich 8 Meter unter Tage und wurde von der Haganah betrieben.


Historischer Hintergrund

In den 30er Jahren entschied die zionistische Führung im unter Britischen Mandat stehenden Palästina (Völkerbundsmandat für Palästina), dass Waffen beschafft werden sollten für Selbstverteidigung und den Kampf für die Unabhängigkeit. Daraufhin wurden Pläne zu Waffenschmuggel und den Bau geheimer Waffenfabriken entworfen und umgesetzt. Die simple Maschinenpistole (Sten gun), die als persönliche Waffe in der Palmach eingesetzt wurde, war auch im Untergrund relativ einfach herzustellen. Die Haganah hatte jedoch Schwierigkeiten, die zugehörige 9mm Munition dafür zu bekommen.[1] Der Chef der im Untergrund tätigen Israel Military Industries, Yosef Avidar (später Leiter der territorialen Kommandobehörde der Israelische Streitkräfte, Israelisches Zentralkommando), entwickelte den Plan, Maschinen für eine geheime Mnuitionsfabrik einzuschmuggeln. Daraufhin wurden 1938 zwölf entsprechende Industriemaschinen (zum Stanzen, Bohren, Schneiden etc. von Messing) erfolgreich in Polen erworben. Wegen der damaligen Weltlage gelang es den Zionisten jedoch nur, sie bis nach Beirut (Libanon) einzuschiffen. In einem Lagerhaus der Haganah wurden sie dort für fast vier Jahre eingelagert. Mit der Hilfe jüdischer Menschen, die in der Britischen Armee im Mandatsgebiet dienten, gelangten die Maschinen schlußendlich nach Palästina.

Der Standort für die zukünftige Fabrik - der Kibbutzhügel in Rechovot - war eine Gegend, in der Neuankömmlinge eine kompakte Einführung in das Kibbuzleben bekamen. Mit diesen Kenntnissen und Fertigkeiten verteilten sich die Gruppen später über das Land, um neue Kibbutz-Kooperativen zu begründen. Dieser Ort hatte mehrere Vorteile: 1) Die Britischen Mandatstruppen waren vertraut mit den Kibbuzaktivitäten, die hier stattfanden, 2) es handelt sich um einen Hügel, was Arbeiten auf ihm ermöglicht, ohne von unten zu genau gesehen zu werden, 3) in einem Hügel können Dinge untergebracht werden, ohne das Aussehen der Oberfläche zu verändern, und 4) in direkter Nähe führte die Eisenbahn vorbei und war mit ihrer Dampflokomotive eine verläßliche Quelle starken Lärms.

Die Haganah trat an eine Gruppe junger einwandernder Menschen mit der Frage heran, ob sie bereit wäre, statt ihres ursprünglichen Traums, einen eigenen Kibbuz zu errichten, die Verantwortung für ein hochsensibles Staatsgeheimnis zu übernehmen. Erst als die Gruppe ohne Gegenstimmen eingewilligt hatte, wurden den 45 jungen Frauen und Männern Details der Mission anvertraut. Diese Rekrutierung bedeutete auch die Akzeptanz der Verantwortung für eine lebensbedrohliche Situation nicht nur für sie selbst, sondern für deutlich mehr Menschen: Die Gruppe dieser 45 jungen Erwachsenen würde absolutes Stillschweigen - auch gegenüber ihren eigenen Familien - bewahren müssen, andernfalls würden sämtliche Betroffenen dem sicheren Tod seitens der Britischen Armee anheimfallen. Die Britische Armee hatte ihr nächstes Quartier in Laufentfernung vom Kibbuzhügel.[2]

Oberhalb der geheimen Munitionsfabrik wurde ein Kibbuz erbaut, um die Fabrik vor den Augen der Britischen Armee zu tarnen. Nicht einmal allen Kibbuzangehörigen war bewusst, dass unter ihren Füßen eine Patronenschmiede lag. Die Nichteingeweihten wurden von der Arbeiterinnen und Arbeitern "Giraffen" genannt.[3] (Während dieser Zeit wurden Tiere für den neu entstandenen Zoo in Tel Aviv vom einzigen Hafen in Haifa mit dem Zug, der an Rechovot vorbeiführte, transportiert. Die Giraffen hatten spezielle Waggons mit einem Loch im Dach, durch das sie ihren Kopf stecken konnten. Damit konnten sie zwar hervorragend die Gegend überblicken, jedoch nicht sehen, was sich unter ihren Füßen befand.)

Die Gruppe, die in der geheimen Fabrik arbeitete, produzierte zwischen 1945 und 1948 etwa 2,25 Million Patronen — das entspricht einem Schnitt von 40.000 Patronen am Tag — direkt unter den Augen der Britischen Armee.[4]


Fabrikbetrieb und Risiken

In der beeindruckend kurzen Zeit von drei Wochen wurde der Hügel aufgegraben und eine riesige Betonwanne (250 Quadratmeter, etwa die Größe eines Tennisplatzes) 8 Meter unter der Erde konstruiert. Sie hatte etwa einen halben Meter dicke Wände und eine Betondecke. Obendrüber wurde dann ein regulärer Kibbuz angelegt - Speisesaal, Versammlungsraum, Kinderhaus etc. Zusätzlich wurden eine Wäscherei und eine Bäckerei gebaut.[5] Der zugrundeliegende Plan war ausgesprochen detailliert, musste er doch vollständig alle Risiken vorhersehen und abzuwenden versuchen, die dem Bau und Betrieb einer geheimen Munitionsfabrik entgegenstehen könnten: Um in die Fabrik zu gelangen, war ein Eingang nötig, ebenso wie eine Öffnung, um die schweren Stahlmaschinen in den Raum abzusenken. Die Frage der Luftzirkulation war überlebensnotwendig, genauso wie glaubhafte und plausible Tarngeschichten für die Patronenherstellerinnen und -hersteller. Folgende Lösungen wurden gefunden: Das große Loch, um die Maschinen in den Untergrund zu bringen, wurde durch den 10 Tonnen schweren Ofen der Bäckerei überdeckt. Der konnte auf Schienen bewegt werden, wurde jedoch vorsichtshalber einbetoniert, um jeglichen Lichtschein aus dem Untergrund zu verhindern. Der Schornstein der Bäckerei diente als Teil des Ventilationssystems. Sein Gegenstück - eine Seite, um Frischluft anzuziehen, die andere Seite, um die Abluft abzutransportierren - wurde im technischen System der Wäscherei untergebracht. Deren Industriewaschmaschine war ebenfalls auf einem Schienensystem montiert und tarnte den geheimen Einstieg in die Fabrik.

Die Waschmaschine, deren Betrieb sowohl Lärm als auch Geruch der Fabrik zu überdecken hatte, war in ununterbrochenem Einsatz. Das barg jedoch die Gefahr des auffälligen Verschleißens der Wäsche. Auch für dieses Problem wurde eine Lösung gefunden: Der Kibbuz eröffnete einen Wäschereidienst. Gegen ein geringes Entgeld brachten Menschen der umliegenden Kibbuzim ihre Wäsche. Sogar die Britische Armee brachte ihre Uniformen zum Waschen. Um zu vermeiden, dass die Soldaten in den Kibbuz kamen, wurde der Wäschereiservice um einen Hol- und Bringedienst erweitert. Ein weiteres ernsthaftes Problem - der unverdächtige Erwerb des Messings, das als Rohmaterial für die Patronen benötigt wurde - wurde auf ebenso elegante Art gelöst: Der Kibbuz erklärte der Britischen Armee, dass sie als Handwerk die Herstellung der Hüllen für hochwertige Lippenstifte (koscher) betrieben. Die Britische Armee akzeptierte die Erklärung - auch wegen ihrer Bekräftigung durch einige hochwertige koschere Lippenstifthüllen für höherrangige Britische Offiziere - und ließen den Kibbuz arbeiten.

Eine Etage darunter arbeiten fünfundvierzig Frauen und Männer über drei Jahre in der Munitionsfabrik. Sie arbeiteten in zwei Schichten, stanzten Messing, bogen, bohrten und walzten es, schnitten es zurecht, füllten die Patronen mit Schießpulver und schlossen die Fertigstellung mit dem manuellen Aufpressen der in einer anderen Fabrik gefertigten Deckel ab. Vor allem beim letzten Schritt durfte nicht zuviel Kraft eingesetzt werden, um eine Explosion der Patrone zu vermeiden. Durch das Befolgen eines außerordentlich strikten Arbeitsprotokolls für jeden einzelnen Fertigungsschritt sowie entsprechenden Kontrollschleifen taten die Menschen in der Fabrik was sie konnten, um Unfälle oder Schlimmeres zu verhüten. Beeindruckenderweise war der schlimmste Unfall, der in der gesamten Zeit passierte, in der mehr als 2 Millionen Patronen per Hand mit Schießpulver gefüllt wurden, das Abtrennen eines Fingerglieds an der Säge. Da die Qualität des eingeschmuggelten Schießpulvers zum Teil schlecht war, gab es im Untergrund sogar eine Teststation. Um sicherzustellen, dass ihr Produkt korrekt einsetzbar war, wurden nach dem Zufallsprinzip Patronen ausgewählt und im Schießstand verschossen. In exakt den Minuten, in denen draußen der schwere Zug vorbeirumpelte, konnte der tarnende Lärm für die Schußtests genutzt werden.

Die Gruppe hatte jedes Mal weniger als drei Minuten Zeit, um in der Fabrik zu verschwinden, um von niemandem gesehen zu werden. Klimaanlagen gab es noch nicht, und obwohl die Luft in der Fabrik sechsmal in der Stunde umgewälzt wurde, waren die Arbeitsbedingungen in dem kleinen lauten Raum unter Tage hart. (Bei Temperaturen von mehr als 40°C musste die Produktion gedrosselt werden, da die Gefahr der Selbstentzündung des Schießpulvers zu groß wurde.) Der Mangel an Sonnenlicht ließ die Haut der Menschen bleich werden, was ihre Tarngeschichten - die Arbeit auf entfernter liegenden Feldern - fragwürdig erscheinen ließ. Außerdem erhöhte er die Gefahr von Vitamin-D-Mangel und Krankheit. Auf Anraten eines Arztes wurden zusätzliche Essensrationen organisiert und eine Höhensonne in der unterirdischen Fabrik installiert, unter der die Arbeiterinnen und Arbeiter täglich eine UV-Bestrahlung bekamen. Nach jeder Schicht musste zu hundert Prozent sichergestellt werden, dass nicht die kleinste Spur der Arbeit auf den Sachen, in Haaren oder Schuhen zu sehen war. Daher mussten sich alle immer einer rigorosen Kontrolle von Taschen, Schuhsohlen und Haaren unterziehen, um keinen Messingspan zu übersehen. Um den Anschein zu erwecken, ganz normale Kibbuzmitglieder zu sein, nahmen alle immer am gemeinsamen Mitagessen im Speisesaal teil: Jeden Mittag verließen sie daher heimlich die Fabrik, verstreuten sich in kleinen Gruppen in der Umgebung, um danach zum Essen zu kommen, als ob sie gerade vom Feld zurückwären.

Im ersten Jahr der Existenz der Fabrik wurden die fertiggepackten Boxen mit den einsatzbereiten Patronen in den doppelten Böden von Milchkannen - einem ausgesprochen alltäglichen Gegenstand in der damaligen Landwirtschaft und damit unverdächtig - aus dem Kibbuz herausgebracht. Allerdings war die Gefahr der Entdeckung hoch, da die patronengefüllten Kannen viel schwerer waren als reine Milchkannen. Daher musste ein neuer Weg gefunden werden, der es ebenfalls leichter ermöglichen sollte, die Patronen an sämtliche Orte in Palästina zu bringen, die sich auf eine Verteidigung vorbereiteten. Die Lösung war tollkühn: Nachts kam von Zeit zu Zeit ein Tankwagen mit Diesel. Der Fahrer des Lastwagens war nur der wachhabenden Person des Kibbuz bekannt. Er kam in den Kibbuz, klopfte einen Code an die Tür der Bäckerei, stieg in die Fabrik, brachte neues Rohmaterial, holte die fertig gepackten Kisten ab und verstaute sie im Hohlraum des Tanklasters. Da die Menschen in der Fabrik dem Fahrer niemals begegneten, bekam er den Spitznamen "Elfe", weil das notwendige Material morgens einfach so dalag. Für die Haganah war es von enormer Bedeutung, dass sich die einzelnen Untergrundgruppen auf keinen Fall kannten. So konnten im schlimmsten Fall - der Enttarnung und Verhaftung durch die Britische Armee - nur Mitglieder der eigenen Gruppe verraten werden. Die Patronen wurden im Land verteilt durch die Weitergabe von ihrem Produktionsort über das Netzwerk der Haganah-Gruppen. Auf diese Art und Weise, d.h. durch die Bereitstellung der Munition für die Kämpferinnen und Kämpfer der Palmach, spielte die Munitionsfabrik mit dem Decknamen Ayalon-Institut eine Rolle in der Geschichte der Gründungsjahre Israels.[6]

Heute

Als die Unabhängigkeit des Staates Israels einmal erreicht war, gab es keine Notwendigkeit mehr, im Untergrund zu arbeiten. Daher wurde die Patronenproduktion ans Licht geholt und wurde Teil der zentralisierten Militärindustrie. Die Gruppe der 45 jungen Eingewanderten entschied sich, als Gruppe zusammenzubleiben und ihren ursprünglichen Traum, einen neuen Kibbuz zu begründen, umzusetzen. Sie gründeten 1949 etwas weiter nördlich den Kibbuz Ma'agan Micha'el am Meer in nahe Zichron Ya'acov. Aber das Wissen um die geheime Munitionsfabrik, das sie so streng bewahrt hatten, wurde noch immer nicht weitergegeben. Erst 1975 wurde das Geheimnis darum aufgehoben, und die Geschichte wurde allgemeiner bekannt.

Heute ist das Ayalon-Institut ein Museum. 1987 wurde die Fabrik restauriert, um den Kibbuz und die ganze Produktionsanlage der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.[7] Das Gelände gehört zu den gelisteten Israelischen Geschichtsdenkmalen.[8] Dabei spielt der Jüdische Nationalfonds eine bedeutende Rolle, indem er Restaurierung und Erhaltung des Ortes unterstützt.[9] Im Moment gibt es auf dem Gelände einen Eukalyptushain mit Picknicktischen und große Zelte für Gruppenveranstaltungen sowie geführte Touren durch die noch bestehenden Gebäude und die Fabrik.[10] Die US Fernsehproduzentin Laurel Fairworth entschied 2015, einen Film über die Geschichte der Fabrik zu drehen.[11][12] Zusätzlich zum Film entstand eine kürzere Version des Dokudramas, die als Einführung zu den geführten Touren im Museum gezeigt wird.[13]

Die geführte Tour führt durch die Wäscherei und zeigt den geheimen Eingang in die Fabrik unter der Waschmaschine. Die Tour selbst steigt auf einem alternativen Weg - einer eigens dafür angelegten Wendeltreppe in der Bäckerei - 8 Meter in den Untergrund. Dort ist dann der Hauptraum der Fabrik zu besichtigen, in dem die Maschinen auch heute noch funktinonieren. Die Elektrizität, um die Transmissionsriemen der Maschinen zu treiben, wurde in den 40er Jahren unbemerkt und illegal von der Eisenbahn abgezweigt. Davon zeugt noch heute eine kleines "danke dafür!"-Schild an der Wand des Museums neben den Maschinen. Die Tour zeigt ebenfalls den Raum mit der Höhensonne, die Toiletten (deren Inhalt nach oben gepumpt und dann dem regulären Abwassersystem des Kibbuz zugeführt wurde) sowie die Packstation für die Patronen. Sie endet mit einem kleinen Spaziergang über das Gelände, das mit seinen Gebäuden auch deswegen so gut erhalten ist, weil es nach der Unabhängigkeit militärisch weitergenutzt wurde. In dem kleinen Empfangsraum gibt es Snacks und Eis und die Gelegenheit, die Eindrücke dieses faszinierenden Teils israelischer Geschichte zu verdauen.